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Baden-Württemberg beginnt mit dem Kulturabbau: Pragmatisch, aber fatal
Die Kunsthalle Baden-Baden muss ihre Arbeit einstellen. Stattdessen wird das Badische Landesmuseum in das Gebäude ziehen. Dass die zeitgenössische Kunst auf der Strecke bleibt, ist ein alarmierendes Signal.

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Es hagelt schon Proteste. Verständlich, denn es ist eine bittere Nachricht, die das Land Baden-Württemberg dieser Tage verkündete: Die Kunsthalle Baden-Baden, seit mehr als hundert Jahren eine wichtige Adresse für zeitgenössische Kunst, muss die Arbeit einstellen. Wenn der Vertrag der Direktorin Çağla Ilk Ende April ausläuft, darf kein neues Team mehr antreten.
Stattdessen wird das Badische Landesmuseum einziehen, wenn das Karlsruher Schloss saniert wird – „interims“, wie es im Kunstministerium heißt. Aber wenn ein Museum mit Nachkriegstechnik runderneuert wird, noch dazu in einem Barockschloss, dann weiß man: Das dauert Jahre.
Eckart Köhne, der Direktor des Badischen Landesmuseums, kann aufatmen, dass sich die Verantwortlichen nun doch noch um ein Ausweichdomizil gekümmert haben. Deren Signal aber ist fatal. Denn auch wenn die historischen Ausstellungen der Karlsruher auch die Gegenwart im Blick haben, lässt die Politik die aktuelle Kunst über die Klinge springen.
Statt in diesen feindseligen Zeiten mit einem vielfältigen Kulturangebot Austausch und gesellschaftliches Miteinander zu fördern, setzt sich die grün-schwarze Landesregierung wohl nur noch für ihre prestigeträchtigen Flaggschiffe ein.
Zu Recht beklagt Çagla Ilk in einem offenen Brief, dass mit der Kunsthalle Baden-Baden ein wichtiger Ort der Kunst und Demokratiebildung verloren gehe. Zur Wahrheit gehört aber auch: Das Programm, das sie mit Misal Adnan Yıldız mitunter eher nebenher von Berlin aus konzipierte, mag „kontroverse Diskussionen der Gegenwart“ angestoßen haben, das breite Publikum nahm es nicht mit. Das strömt lieber ins private Museum Frieder Burda nebenan – und kommt bestenfalls auf einen Kaffee in die Kunsthalle rüber.
Kulturinstitutionen sollten allerdings auch scheitern dürfen. So aber hat ausgerechnet Çagla Ilk, die im Deutschen Pavillon in Venedig einen der besten Beiträge der diesjährigen Kunstbiennale kuratiert hat, Mitschuld am Ausverkauf der Kunsthalle.
So pragmatisch die Baden-Badener Übergangslösung wirken mag, de facto ist es ein Abbau von Kultur, den Baden-Württemberg einläutet. Einen guten Stand hatte die zeitgenössische Kunst hier nie, jetzt scheint das politisch auch gewollt zu sein. Wie dieser Tage bekannt wurde, muss auch der Stirling-Bau der Staatsgalerie Stuttgart dringend saniert werden.
Deshalb wird das frisch renovierte Kunstgebäude nun doch nicht für aktuelle Formate und Sonderausstellungen genutzt werden, sondern für viele Jahre zum „Interim“ für das eben auch prestigeträchtigere Flaggschiff Staatsgalerie.
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