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Das Herzstück. Im Museumsgebäude von Herzog & de Meuron kreuzen sich die Wege zu den Anrainern des Kulturforums in einer großen Halle.

© Herzog & de Meuron Ltd., Basel

Bauarbeiten in Berlin: Kulturforum wird fertig – im Jahr 2032

Bei einer Diskussionsveranstaltung zum Museum des 20. Jahrhunderts wird ganz beiläufig erwähnt: am Berliner Kulturforum soll auch die nächsten 15 Jahre noch gebaut werden.

So voll hat man die Akademie der Künste lange nicht gesehen – das alte, wunderbare Gebäude von Werner Düttmann im Hansaviertel, das jenen kommunikativen Geist atmet, der dem Anlass der Veranstaltung am Mittwochabend angemessen war: der Vorstellung und Diskussion der Planung zum Museum des 20. Jahrhunderts im Kulturforum, kurz M20.

Immerhin das komplette Duo der Prinzipale des berühmten Basler Architekturbüros hatte sich angesagt, das im vergangenen Herbst siegreich aus dem Wettbewerb ums M20 hervorgegangen war, Jacques Herzog und der eher öffentlichkeitsscheue Pierre de Meuron. Herzog war es denn auch, der eine halbstündige Einführung gab. Beiläufig flocht er die größte Überraschung des Abends ein, genauer gesagt die größte Enttäuschung: „Der Stand des Projekts“ habe „sich seit einem Jahr nicht verändert, wir fangen jetzt erst mit der Vertiefung an.“

Wie bitte? Ist das Büro, das sich vor Aufträgen kaum retten kann, mittlerweile in einen solchen Heiligenstatus entrückt, dass es ein Vorhaben wie das mindestens 200 Millionen Euro teure M20 ein Jahr lang schmoren lassen darf? Da verwundert es nicht, dass sich bislang keiner der Beteiligten auf einen Eröffnungstermin festgelegt hat: Selbst bei unverzüglicher Bewältigung aller planungsrechtlichen Hürden und einer Bau- plus Einrichtungszeit von lediglich sechs Jahren kommt man auf ein Datum erst Mitte der 2020er Jahre.

Das Publikum in den vollbesetzten Sälen beidseits der Bühne nahm das Eingeständnis der bereits einjährigen Verzögerung hin. Auf dem Podium war kein Vertreter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zugegen, der dazu hätte Stellung nehmen können. Dabei gibt es ohne die allerengste Abstimmung mit der Preußenstiftung als künftigem Nutzer keine sinnvolle Lösung auch nur der allgemeinsten Gestaltungsfragen, die am Mittwochabend breit besprochen wurden.

Die Basler Architekten sind Meister des betörenden Wortes

Kritik und regelrechter Unmut hat sich an der äußeren Form des vorgeschlagenen Gebäudes entzündet, die mit ihrem flach geneigten Satteldach Assoziationen einer „Scheune“ oder „Lagerhalle“ weckt. Herzog nahm das geschickt auf, wie die Basler denn überhaupt Meister des betörenden Wortes sind, und sprach selbst vom „größten Aldi in Berlin“: Er fände „das gar nicht so schlimm“, es handele sich doch um einen Ort, „wo Menschen Lebensmittel einkaufen“. Das Banale und das Hohe, beides beherrscht Herzog, denn zugleich nannte er das Satteldach „eine archaische Form“, eine „Form, wie göttlich auf den Schoß gefallen“. Hat der liebe Herrgott selbst das Satteldach verordnet, getreu seinem Motto, der Mensch lebt nicht vom Brot allein?

„Wir wollen, dass das Museum etwas ganz Alltägliches hat, aber auch etwas Erhabenes, fast Religiöses“, fügte Herzog an und ließ erahnen, warum diese Sprechweise so ungeheuer erfolgreich ist: weil sie das Hohe und das Niedere so austauschbar verquickt, keine Bedeutung ausschließt und keine hervorhebt. Es ist diese Für-jeden-etwas-Mentalität, die bei der Politik so gut ankommt.

Jacques Herzog hatte ein interessantes Vergleichsbauwerk zur Hand, die Manege in Moskau. Sie hat nur ein Hauptgeschoss, auf dem ein flaches Satteldach aufliegt. Die ursprüngliche Reithalle vor den Mauern des Kreml dient längst als Ausstellungshaus. Doch sie ist ein Solitär und taugt nun gerade nicht als Maßstab, so wenig wie die anderen Bilder, die Herzog auf die große Saalleinwand projizierte. Zumal die eigenen Beispiele von Bauten mit flachem Satteldach wurden in der Schlussdiskussion als unzutreffend gerügt, handelte es sich doch jeweils um Solitärbauten auf der grünen Wiese.

Wie die Passanten nachts durchs Museum kommen, blieb offen

Am Kulturforum jedoch gilt es, eine Balance zwischen den beiden „Diven“ der Neuen Nationalgalerie Mies van der Rohes und der Philharmonie Hans Scharouns herzustellen, sowie die Matthäikirche August Stülers als einziges Zeugnis der städtischen Bebauung des 19. Jahrhunderts zu berücksichtigen. Dem kommt der Basler Entwurf mit seiner Grundidee des Wegekreuzes innerhalb des Gebäudes nach. Die seit einem Jahr aufgeworfene Frage, wie die angestrebte Durchwegung rund um die Uhr möglich sein soll, wenn der Passant sich doch mitten ins Museum begeben muss, blieb jedoch auch an diesem Abend ausgespart.

Die Diskussionsrunde mit der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (Die Linke), und dem Linke-nahen Kulturstaatssekretär Thorsten Wöhlert sowie den beiden Architekten und Akademiemitgliedern Matthias Sauerbruch und Wilfried Wang konzentrierte sich darauf, wie es gelingen könne, die Institutionen am Kulturforum miteinander „in Dialog treten“ zu lassen.

Lompscher machte in dem ruppig-proletarischen Jargon, den sie zur Freude ihrer Ost-Wähler pflegt, deutlich, dass die Stadt andere Prioritäten habe, als jetzt die Potsdamer Straße umzubauen oder gar in einen Tunnel zu verlegen: „Das passt nicht in die Programmierung der aktuellen politischen Situation.“ Lieber sprach sie von der Straßenbahn, die doch nun schon seit Jahrzehnten bis hierhin geführt werden soll: „Wir werden mit der Straßenbahn eine sehr sensible Gestaltungsaufgabe haben.“ Ach was!

Allein die Sanierung der Staatsbibliothek dauert 15 Jahre

In Wahrheit kommt alles anders: Wiederum beiläufig zählte Wang die anstehenden Sanierungen der Kulturbauten auf, unter denen die Staatsbibliothek mit 15-jähriger Dauer den Vogel abschießt: Bis 2032 werden überall Baucontainer herumstehen. Dass ein Gebäude, das erst 1979 nach immerhin zehnjähriger Bauzeit eröffnet wurde, 40 Jahre später mit dem Anderthalbfachen der Errichtungszeit saniert werden muss, würde man nebenbei gerne erklärt bekommen.

Ganz zum Schluss kam das Publikum zu Wort. Zum Auftakt wurde eine Reduzierung des Gebäudevolumens gefordert. Herzog dazu: „Wir haben die Proportion schon reduziert. Es werden gute Räume entstehen.“ Der Scharounplatz hin zur Philharmonie? „Eine attraktive Gestaltung – daran werden wir arbeiten.“ Gibt es eine Dachterrasse? „Wir werden an dem Thema arbeiten.“ Gelächter machte sich breit, denn in diesem Stil wurde jede Frage, jeder Kritikpunkt abgewimmelt, bis Pierre de Meuron in die Schlussrunde sprach: „Wir wissen, dass ein Projekt nie beim ersten Entwurf fertig ist.“

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass der im Oktober vergangenen Jahres prämierte Entwurf nahezu unverändert geblieben ist. Das Museumsgebäude wurde leicht reduziert und um fünf Meter von der Matthäikirche abgerückt. Die Potsdamer Straße wird vielleicht einen Fahrstreifen je Richtung einbüßen, und für die Kommunikation der anliegenden Institutionen soll eine Art Impresario her, der die Freiflächen mit Events belebt. Die Öffentlichkeit jedoch möge sich bis 2032 gedulden.

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