
Fotografien von Aitor Ortiz: Bäume aus Beton
Die Aufnahmen von Aitor Ortiz in der Galerie Springer sind so exakt, dass man jedes Detail sieht. Dafür wählt der Künstler ungewöhnliche Perspektiven
Es hat gedauert, bis dieser baskische Fotograf in Berlin bekannt gemacht wird. Dabei gehört Aitor Ortiz zu den bedeutendsten Fotokünstlern Spaniens. 1971 in Bilbao geboren, gewann er 1999 auf Anhieb den Fotopreis der Stadt Madrid und war 2003 Finalist beim Wettbewerb der Europäischen Architekturfotografen in Paris. Weitere Ehrungen folgten sowie viel beachtete Ausstellungen in Bilbao, Stockholm, Köln und München. Eine der ersten Arbeiten zeigte das Museum Guggenheim in Ortiz’ Heimatstadt aus einer ungewöhnlichen Perspektive, die noch einmal den Kunstwillen Frank Gehrys betonte: Nicht alles zeigen, sondern Räume so darstellen, dass der Betrachter seine Fantasie hinzugeben kann.
Die verwirrenden Strukturen sind Realität
Architektur und Raum blieben die Bezugspunkte der stets schwarzweißen Fotoarbeiten, die Ortiz seit einiger Zeit mittels Computertechnik der eigenen Vision annähert und die nun in der Galerie Springer zu sehen sind. Ein Rest dokumentarischer Gesinnung findet sich in den vier Aufnahmen von Norman Fosters genialem Viadukt in der Nähe der südfranzösischen Stadt Millau. Ortiz fokussiert nie das gesamte Bauwerk, und wählt ein schmales Hoch- oder ein Querformat von überdimensionaler Breite. Düstere Wolken, Nebel schweben über der Gebirgskette im Hintergrund. Die anderen Arbeiten dieser Auswahl in der Galerie umkleiden die Objekte mit Begriffen wie „Amorfosis“ oder „Noúmenos“ und demonstrieren eine ausgeprägte Vorliebe für komplizierte Metallkonstruktionen. Hinter einem Gerüst entdeckt man die eisernen Bögen des Eiffelturms, auf einem anderen Bild die Rundbögen der gerade von einer Sanierung heimgesuchten Hagia Sophia.
Aus dem Metallbaukasten der Ingenieure
Die Liebe zur Geometrie zeigt sich am auffälligsten in der Serie „Destructuras“ – an der geradezu ikonografischen Aufnahme eines unfertigen Hotelhochhauses auf Teneriffa, durch dessen leere Fenster die dunkle Fläche des Atlantiks schimmert. Die Vertikale des Rohbaus, die Horizontale des Meeres und die Diagonale des spärlich bewachsenen Berghanges bilden einen Dreiklang. Frei von jedem lokalem Bezug sind Ortiz’ Gitterwerke, wahre Labyrinthe aus dem Metallbaukasten der Ingenieure. Der Druck auf Aluplatten statt auf Papier einiger dieser schon durch ihre schiere Größe beeindruckenden Arbeiten erhöht noch den düsteren Eindruck, der überhaupt ein Kennzeichen im Oeuvre des Basken ist. Bereits beim Eintritt in die Galerie findet sich der Besucher vor einer sechsteiligen Installation aus übermannshohen Wänden oder Wandteilen, deren Flächen mit unzähligen, per Hand aufgesetzten kleinen Quadraten bedeckt sind.
Von Architektur und Geometrie kommt Ortiz nicht los, selbst wenn er sich in zwei Einzelfällen hinter dem gnostischen Begriff „Noúmenos“ verschanzt. Immanuel Kant sah darin das unserer Erkenntnis entzogene, hinter den Phänomenen verborgene „Ding an sich“. Die schwarzen Gitterstäbe vor den ins Leere laufenden dunklen und hellen Flächen könnten hier die Grenzen unseres Sehvermögens bedeuten. Kritiker mögen bei solchen reizvollen grafischen Konstruktionen schlicht von Fotodesign sprechen. Ein Spiel mit dem Unbekannten sind diese Arbeiten, ist das Werk von Aitor Ortiz aber immer. Die Preise liegen zwischen 3000 und 19 000 Euro, 85 000 Euro kostet das Unikat der Installation.
Galerie Springer, Fasanenstr. 13, bis 1. Mai, Di–Fr 12–18 Uhr, Sa 12–15 Uhr