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Ludwig van Beethoven

© dpa

Beethoven-Zyklus der Berliner Philharmoniker: Von Ludwigs Lust

Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker haben ihren Zyklus der Beethoven-Symphonien begonnen.

Jedem Zyklus wohnt ein Zauber inne: In der geballten Aufführung einer Werkgruppe lebt die Hoffnung fort, dass das Ganze doch mehr sein könnte als die Summer seiner Teile. Das gilt umso mehr, wenn Werke von als Giganten anerkannten Komponisten auf den Pulten liegen. Was aber sollte einem Zyklus sämtlicher Symphonien Beethovens gleichkommen? Simon Rattle, der sich mit seinen Musikern in der Philharmonie zwei Mal hintereinander dieser Herausforderung stellt, beschreibt die zu bezwingende Werkkette als „eine Art Mount Everest“.

Nach dem zweiten Weltkrieg dauerte es lange, bis sich die Philharmoniker an eine geschlossene Sicht auf Beethovens titanische Klangwelt wagten. Karajan machte 1960 den Anfang, auf Tournee in Paris. Nach jubelnden Kritiken spielten die Philharmoniker den Zyklus wiederholt auswärts und nahmen ihn dreimal auf. In Berlin gab Karajan ihn nur ein einziges Mal, zur Jahreswende 1973/74. Abbado dirigierte sämtliche Beethoven-Symphonien erst 2001 – in Rom und Wien. Im gleichen Jahr stellte Rattle eine Sicht auf den Zyklus bei den Berliner Festwochen vor, am Pult der Wiener Philharmoniker. 2008 dirigierte er dann Beethoven in Kombination mit Webern: ein dramaturgischer Kunstgriff, der einem absoluten Deutungsanspruch von vornherein eine Absage erteilte. Und Rattle-Kritiker darin bestärkte, dass der Philharmoniker-Chef im innersten Kernrepertoire schwächele.

Zufriedenheit statt Ehrlichkeit

Nun also Beethoven pur – und ja, es geht wieder vor allem um die Außenwirkung. In der laufenden Spielzeit werden die Philharmoniker ihren Zyklus auch in Paris, Wien, New York und Tokio spielen. Eine weltweite Verwertung in „medialer Gesamtheit“ begleitet die Konzerte. Dabei kann man beinahe vergessen, was Rattle über die Symphonien denkt: „Sie verlangen von uns, sehr aufrichtig zu sein, weil sie eine neue Art von Musik darstellen, eine ehrliche und direkte Musik, die es vorher so nicht gegeben hat.“ Am ersten Abend mit den Symphonien 1 und 3 konnte man diese Direktheit auch als verbissenes Ringen um Gegenwart erleben. Doch die Zeit eines wie neu erlebten Beethoven, befeuert durch die kritische Neuausgabe seiner Werke, scheint vorüber. Jetzt zählt, wie man sie in der Tradition, auch der eigenen, zu verankern weiß. Hier wird es eng zwischen forciertem Grimm und glänzenden Solisten, die latent den Rahmen sprengen. Rattles Haydn-Spaß hätte der Ersten geholfen, der Dritten seine Mahler-Manie. So aber bleibt vorerst: ein Orchester, das sehr mit sich zufrieden ist.

Die Berliner Zyklen gehen bis zum 16.10. Die Konzerte sind ausverkauft, werden aber in der Digital Concert Hall übertragen, das Konzert am 15.10. auch im Kino.

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