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Filme von Jocelyne Saab im Arsenal: Beirut, mon amour
Das Berliner Arsenal Kino widmet der im Januar verstorbenen libanesischen Filmemacherin Jocelyne Saab eine Hommage. Zur Eröffnung kam Volker Schlöndorff.
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Jocelyne Saab war eine der ersten Filmemacherinnen des Nahen Ostens und eine zentrale Figur des arabischen Kinos. Angefangen hat sie als Journalistin und Kriegsreporterin. Wahrscheinlich kam daher ihr dokumentarische Blick, mit dem sie nach Beginn des libanesischen Bürgerkriegs in 70er Jahren in ihre Heimatstadt Beirut zurückkehrte, um Filme zu machen.
Nun zeigt das Kino Arsenal über den Verlauf einer Woche eine Auswahl aus dem Werk der Anfang der Jahres verstorbenen Dokumentaristin. "Das ehrt Berlin," sagte ein sichtlich berührter Volker Schlöndorff bei der Eröffnung der Hommage für seine langjährige Kollaborateurin. Sie hatte bei seinem Film "Die Fälschung" als Regieassistentin gearbeitet, er hatte sie bei späteren Projekten beraten. "Chapeau, Arsenal!", fügt Schlöndorff hinzu.
In ihrem frühen und erschütternden Kurzfilm "Les enfants de la guerre" (1976) richtet Saab den Blick wie oft in ihrem Filmschaffen auf die Kinder in ihrem Heimatland. Sie dokumentiert deren Kriegsspiele am Strand. Wie bei einer Reportage ertönt ihre Stimme aus dem Off, während Jungsgruppen sich mit Holzgewehren einer akkurat choreografierten Kampfsimulation hingeben. Eine Form von Umgang mit dem Kriegstrauma, so die Erzählerin. Die Spielerei wird mit Aufnahmen realer Gefechte in den Straßen Beiruts kontrastiert, von denen die Kinder sich alltäglich inspirieren.
Auf die Frage, was sie später einmal machen möchten, antworten manche, sie bezweifeln, noch so lange zu leben, andere sehen ihre Zukunft als Guerilla-Kämpfer. Daraufhin werden Trainingscamps für sechs bis zwölf jährige Jungs vorgestellt, die bereits mit Schusswaffen umzugehen wissen. Letztlich händigt die Regisseurin Papier und Bundstifte aus, um die Kinder von den Kriegsspielerein abzubringen. Sie malen fleißig drauf los, doch auch hier werden nur Kriegsbilder reproduziert.
Ein Kind des Krieges und ein Maler
Aufgrund ihrer Aufmerksamkeit für die Zivilbevölkerung im Krieg wird Saab mit dem aktivistischen Filmemachen des cinéma engagé assoziiert, doch Ideologien hätten Jocelyne nicht interessiert, so Schlöndorff, es ginge ihr um die Menschen und ihr Verhalten angesichts des Konflikts. Das geht auch aus ihrem Spielfilmdebüt "Ghazl Al-Banat / Une vie suspendue" (dt. "Samars erste Liebe") hervor, das fast zehn Jahre nach "Les enfants de la guerre" nach wie vor im Krieg gedreht wurde.
Fernab von moralisierenden Schuldzuweisungen dreht sich der Film um die 14-jährige Samar (Hala Bassam), ein Kind des Krieges, und den Maler Karim (Jacques Weber), der sich in seine Kunst flüchtet.
Dritter Protagonist ist Beirut selbst, allerorts vom Krieg gekennzeichnet, durch deren Straßen Samar und andere Kinder in eindrucksvollen Bildern schlendern. Tatsächlich bildet ihre Heimatstadt ein Leitmotiv in Saabs Werk, weshalb die Reihe auch nach ihrem Film "Es war einmal Beirut" betitelt ist. In "Ghazl Al-Banat" scheint dort die Zeit stillzustehen, gefangen im ewigen Kriegszustand, wo sich immer wieder die Frage stellt: Warum bleiben? Karim möchte nicht gehen, in den Straßen seiner Nachbarschaft verstünde er sich gut mit allen. Dafür wird er als Utopist bezeichnet.
Das Grand Théâtre in Beirut steht heute leer
Im Zentrum steht die Beziehung zwischen der eigenwilligen Samar und dem intellektuellen Karim, deren poetischer Austausch zeitweise ins Surreale kippt. So wenn sie die Bühne des "Grand Théâtre de Beirut" für sich behaupten. Plötzlich entdeckt Samar ihre von Spinnenweben bedeckten Eltern im Publikum. Besonders ihr Vater, Dachdecker und Erbauer, verstaubt seit dem Krieg und sammelt tausende Dachziegel in Erwartung auf den Wiederaufbau. Das Grand Théâtre in Libanons Hauptstadt steht heute leer.
Ermöglicht wurde die Hommage durch den Erwerb von drei 35-Millimeter-Filmkopien im Rahmen des Arsenal-Projekts "Archive außer sich". Saab hatte sich für den Erhalt des libanesischen Filmerbes eingesetzt. Ihre Filme "Beirut, never again" und "Letter from Beirut" eröffneten vergangene Woche außerdem das Programm "Arab Women Filmmakers: A Manifold Gaze", das noch bis zum 18. Oktober im bi'bak Projektraum in Berlin Wedding läuft.
"Es war einmal Beirut", Hommage Jocelyne Saab, Arsenal Berlin, bis 11. Oktober
Dominique Ott-Despoix
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