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Berliner Kultureinsparungen: Die Tanzszene debattiert mit dem Kultursenator
Joe Chialo und mehrere hundert Akteure der Tanzszene treffen sich beim Diskussionsforum „Tanz Macht Berlin“ in der Akademie der Künste.
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Es steht gerade viel auf dem Spiel für den Tanz in Berlin. Und so strömten am Samstagnachmittag mehrere hundert Akteure aus der lokalen Tanzszene in die Akademie der Künste. Stark vertreten waren die Tanzschaffenden aus der freien Szene, aber auch Staatsballett-Intendant Christian Spuck war gekommen.
„Tanz ist ein Mehrgenerationenhaus“, so formulierte es die Produzentin Elena Polzer. Wie man dieses Haus auf ein solides Fundament stellen kann, darum sollte es in dem Diskussionsforum „Tanz Macht Berlin“ gehen, das die Akademie der Künste mit dem Tanzbüro Berlin und dem Zeitgenössischen Tanz Berlin e.V. veranstaltet hat. Der Fokus lag auf der aktuellen Sparsituation.

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Auch Nele Hertling, ehemalige Theaterintendantin und Grande Dame der Kulturszene, blickte mit großer Besorgnis auf die unsichere Lage der Tanzschaffenden, die von den Sparmaßnahmen des Berliner Senats stark betroffen sind. In ihrer Begrüßung verwies sie darauf, das die Veranstaltung ursprünglich geplant war als Reaktion auf den Runden Tisch Tanz. In einem partizipativen Verfahren waren konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet worden – von mehr als 200 Akteuren aus der Tanzszene und Vertretern aus Politik und Verwaltung.
Die Tanzschaffenden treten selbstbewusst auf
Seit 2020 konnten zwar schon einige Maßnahmen umgesetzt werden. „Doch die Hoffnungen auf eine kontinuierliche Entwicklung haben sich nicht wirklich erfüllt“, sagte Hertling. „Angekündigte und versprochene nächste Schritte fanden nicht statt, wichtige Prozesse wurden gestoppt.“
Die Tanzschaffenden waren nicht als Bittsteller gekommen, sie traten sehr selbstbewusst auf. Die Statements der dreizehn Redner machten deutlich, wie vielfältig die Berliner Tanzszene ist. Dem anwesenden Kultursenator Joe Chialo wurde vor Augen geführt, wieviel Expertise, Erfahrung und Innovationskraft hier versammelt sind.
Gegenwind für Joe Chialo
Der CDU-Politiker wurde immer wieder direkt angesprochen - mal keck, mal diplomatish. „Ich habe mir erlaubt, ein paar von Joes Lieblingsvokabeln einzubauen, sagte die Choreografin Joana Tischkau und holte aus zu einem furiosen Rap. Sie verwies auf die vielen Aushilfsjobs, die sie schon gemacht hat. „Every day I’m hustling.“ Seit 2019 könne sie von ihrer Arbeit als Choreografin leben.
Move Joe! Get out the way!“
Choreografin Joana Tischkau zu Kultursenator Chialo
„Ich, als Schwarze Deutsche, habe es geschafft, durch das extrem kurze Zeitfenster der sogenannten diversitätssensiblen Öffnung zu sliden.“ Ein Fenster, welches sich derzeit wieder zu schließen beginne. Zum Schluss forderte sie: „Move Joe! Get out the way!“
Die Kulturmanagerin Madeline Ritter schlug konziliantere Töne an. Die Kulturpolitik müsse Zukunftsperspektiven und nachhaltige Strukturen schaffen, forderte sie. Mit dem Bureau Ritter realisiert sie schon seit zwanzig Jahren wegweisende Tanzprojekte. So hat sie mit der Gründung des Dance On Ensembles für Tänzer über vierzig ein Zeichen gegen Altersdiskriminierung gesetzt.
Applaus für Christian Spuck
Viel Applaus erhielt Staatsballett-Intendant Christian Spuck. Die wichtigsten Choreografen, mit denen seine Compagnie derzeit arbeite, kämen aus der freien Szene, sagte er. Livia Patrizi freute sich darüber, das Berlin nun eine Junges Tanzhaus für Kinder und Jugendliche bekommt. „Gerade in Krisenzeiten in die Jugend zu investieren, ist absolut wegweisend.“
Beim anschließenden Panel wollte die Moderatorin Elisabeth Nehring von Chialo wissen, ob das Gehörte seine Sicht auf den Tanz verändert habe. Der antwortete ausweichend. Es müsse überlegt werden, ob das, was 2018 beim Runden Tisch Tanz entschieden wurde, angesichts der Finanzsituation heute noch haltbar sei. Er plädierte für eine Weiterführung und auch Erweiterung der Runde: „Wir brauchen einen strategischen Entwicklungsplan, den wir gemeinsam aus dieser Situation heraus mit Blick nach vorne entwickeln.“
Zu den Plänen für das seit langem geforderte zentrale Tanzhaus meinte Chialo: „Das ist etwas, was notwendig ist in Berlin. Ich finde es auch sehr überraschend, dass wir in dieser Stadt kein prominentes Tanzhaus haben.“ Nele Hertling wandte sich zum Schluss direkt an den Senator: „Wir haben unter ihren Vorgängern den Prozess zur Findung dieser Idee in Gang gesetzt. Jetzt müsste doch die Politik beschließen: Wir gründen in Berlin ein Haus für Tanz und Choreografie. Wir brauchen die politische Absichtserklärung.“
Die Tanzszene präsentierte sich in der Akademie der Künste geschlossen. Joe Chialo steht bei ihr im Wort.
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