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Experimentierfreudig. Kat Frankie kommt aus Sydney und lebt seit 13 Jahren in Berlin, wo sie zunächst zur Anti-Folk-Szene gehörte. Von der Akustikgitarre hat sie sich inzwischen emanzipiert.

© Sabrina Theissen

Berliner Musikerin Kat Frankie: Die neuen Farben der Sehnsucht

Kat Frankie ist mit einfühlsamen Songwriter-Pop bekannt geworden. In ihrem vierten Album „Bad Behaviour“ wagt sie sich an einen elektronischeren Sound. Eine Begegnung.

Ein Mann reißt sich das Herz auf. Er verzehrt sich nach der geliebten Person. Sie möge zu ihm kommen, fleht er, ihn zurück ins Leben holen. Ganz großes Gefühlskino zu sanften Beats, ein paar Klavierakkorden und Synthesizerspuren. Im Refrain kommen dramatische Pausen hinzu, als stoppe das Herz und beginne dann – erlöst von der Liebe – wieder zu schlagen. Was sehr gut zum Songtitel „Back To Live“ passt. Dieses grandiose vierminütige Stück klingt wie ein Track des britischen Pop-Meisters James Blake, befindet sich aber auf dem gerade erschienen vierten Album der Berliner Musikerin Kat Frankie.

Es ist also gar kein Mann, der hier schmachtet, sondern eine Frau, die ihre Stimme per Software einige Etagen tiefer gelegt hat. Entstanden sei das Stück bei einer Spielerei mit Vokal-Sampels, erklärt Frankie beim Gespräch im Büro ihrer Plattenfirma Grönland Records. „Irgendwann habe ich den Effekt auf meine Stimme gelegt und plötzlich machte alles mehr Sinn und auch mehr Spaß.“ Es habe sich angefühlt, als singe eine Figur an ihrer Stelle den Text. „So konnte ich ein bisschen mehr sexy Energie hineinlegen.“

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Kat Frankie nennt das Stück, bei dem sie zunächst unsicher war, ob sie es überhaupt auf ihre neues Album „Bad Behaviour“ nehmen soll, einen Sehnsuchtssong. Davon hat die 39-jährige Australierin schon einige geschrieben, doch diesmal klingt die Sehnsucht elektronischer, moderner, verspielter als auf ihren früheren Platten. Bekannt geworden ist Frankie mit einfühlsamen Songwriter-Pop. Als sie vor 13 Jahren nach Berlin kam, fand sie schnell einen Platz in der damaligen Anti-Folk-Szene. Ihr erstes Album „Pocketknife“ kam 2007 bei der Plattenfirma ihrer Kollegin Kitty Solaris heraus. Die beiden Nachfolge-Werke erschienen auf Frankies eigenen Label, sie hat sie auch selbst produziert. Ihren Sound hat sie dabei verfeinert, sich von der Akustikgitarre emanzipiert, dramatische Pianoballaden geschrieben und die Loopstation entdeckt.

Jetzt entfernt sich die aus Sydney stammende Musikerin noch einen weiteren Schritt von ihren Wurzeln. „Ich hatte einfach kein Interesse daran ein weiteres komplett akustisches Album aufzunehmen, weil ich das einfach schon gemacht habe“, sagt sie und fügt an: „Eine Malerin will ja auch nicht die ganze Zeit mit derselben Farbe malen. Das ist langweilig.“ Deshalb hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Produktionssoftware beschäftigt und die Zusammenarbeit mit anderen Musikern gesucht. „Ich brauchte mehr Input.“ So schrieb sie zusammen mit Konstantin Gropper von Get Well Soon die Titelmelodie für die Talkshow „Schulz & Böhmermann“, sang ein Duett mit Clueso und spielte Gitarre in der Band von Olli Schulz. Zudem gründete Frankie mit Chris Klopfer das Indie-Pop-Duo Keøma, das 2016 ein Album herausbrachte und am deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest teilnahm.

Vieles erinnert immer noch an die alte Frankie

Die Zeit mit Keøma habe „Bad Behaviour“ stark beeinflusst, sagt Kat Frankie, die ihre glatten langen Haare violett gefärbt hat und eine Hose im gleichen Farbton trägt. „Einige der Tricks und Ideen, mit denen ich dort gespielt habe, konnte ich bei der Produktion meiner neuen Songs benutzen“, sagt sie. Und tatsächlich lassen sich einige Linien vom melancholischen Pop des Duos zu „Bad Behaviour“ ziehen, etwa zu „Forgiveness“, das einen reduzierten Klackerbeat mit atmosphärischen Synthesizern und einem schönen Vokalarrangement verbindet oder zum sachte, fast Sade-haft groovenden „Spill“. Der Titelsong legt tänzelnde auf gedämpften Saiten gespielte Gitarremelodien übereinander und ist eine wunderbare Pop-Nummer, die Frankies Label-Kolleginnen von Boy neidisch machen könnte.

Natürlich erinnert auch immer noch vieles an die alte Kat Frankie. Die Wehmut, das Drama und vor allem der leidenschaftliche Gesang sind noch da. Sie selbst sagt: „Das emotionale Herz hat sich nicht so sehr verändert. Es ist nur alles anders arrangiert und produziert."

Mehr Spaß, mehr Show

Auch die Gitarre hat einige Gastauftritte, den prominentesten auf der Single „Home“, die Frankies Bewunderung für PJ Harvey in Erinnerung ruft. Immer wieder schleudert sie ein langes, wütendes Riff herein, das die Stimmung der Musikerin beim Schreiben des Songs spiegelt. Er entstand während der Black Lives Matter-Proteste und der Diskussionen um die Ehe für alle in Australien. Dass ihr Heimatland vergangenes Jahr ein Referendum über die Öffnung der Ehe abgehalten hat, empört Frankie. „Die Regierung war zu feige das selbst zu entscheiden. Sie hat unglaublich viel Geld und Zeit verschwendet“, sagt sie. In den Debatten habe sich, genau wie rund um Black Lives Matter, sehr viel Hass und Intoleranz gezeigt. Das hat sie zu Songzeilen wie „Why is there endless energy invested telling people how to be“ inspiriert. Man kann den Text unter dem Youtube-Video zu „Home“ nachlesen – eine Ausnahme, normalerweise veröffentlicht Kat Frankie ihre Lyrics nicht, weil sie findet sie sollen gehört werden. Doch diesmal wollte sie ein deutliches Statement machen.

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Überhaupt hat sie sich vorgenommen, auf dem Album direkter zu texten. „Ich habe versucht, mehr Spaß zu haben, statt immer nur die traurige Person am Klavier zu sein“, sagt Frankie, die nach vielen Jahren in Kreuzberg inzwischen im Prenzlauer Berg wohnt. Auf der Bühne wolle sie sich mehr amüsieren, mehr Show machen. Deshalb spielt sie inzwischen bei ihren Konzerten weniger Gitarre, nutzt den Raum mehr aus, wozu sie auch ihre Gastauftritte bei Clueso-Konzerten angeregt haben. Bewundernd spricht Frankie davon, wie der Erfurter Sänger die Aufmerksamkeit tausender Fans halten kann.

Mit ihm hat sie die Ballade „Wenn du liebst“ gesungen. Nur ein leichter Akzent färbt dabei ihre Zeilen. Kat Frankie spricht gut Deutsch, führt auch das Interview größtenteils in der Sprache ihrer künstlerischen Wahlheimat. In ihren Lieder hat sie sie ebenfalls schon verwendet, etwa bei den Songs „Der Ertrag“ und „Frauen verlassen“ vom letzten Album „Please Don’t Give Me What I Want“ aus dem Jahr 2012. Der Nachfolger ist vollständig in Englisch gehalten. Wieso? „Ah, ich fühle mich schlecht deshalb“, stöhnt Frankie. Eigentlich wollte sie einen deutschen Song aufnehmen, aber irgendwie hat es nicht geklappt. Für die nächste Platte verspricht sie einen. „Allerdings ist mir meine Grammatik peinlich. Und ich weiß, dass sofort jemand ankommt, der sagt: ,Das stimmt so nicht’.“

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Mehr Spaß war schließlich die Devise für „Bad Behaviour“. Dass ihr Konzept aufgeht, hat sie schon auf ein paar Konzert getestet, auf denen sie die neuen Stücke ausprobiert hat. Vor allem „Back To Live“ mit der heruntergepitchten Stimme kommt super an. „It’s so much fun“, sagt Frankie flüsternd und beugt sich lächelnd nach vorn. Ja, so transformiert man wohl Herzschmerz. Großer Pop, großes Glück.

„Bad Behaviour“ ist bei Grönland Records erschienen. Konzerte: Volksbühne, 27. und 28.3., 20 Uhr

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