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Kirill Petrenko und seine Philharmoniker

© Bettina Stöß

Berliner Philharmoniker: Keiner ist so mutig wie der Chef

Wenn man schaut, was Kirill Petrenko 2023/24 mit den Berliner Philharmonikern vorhat, kann man nur staunen: Jeder Auftritt ist eine Herausforderung für ihn, das Orchester und das Publikum.

Ein Kommentar von Frederik Hanssen

Er kann dirigieren, was er will: Wenn Kirill Petrenko mit den Berliner Philharmonikern auftritt, ist der Saal voll. So wie jetzt gerade, bei einem herausfordernden Programm, das ein kurzes Tschaikowsky-Stück mit zwei Uraufführungen unbekannter Komponistinnen kombiniert.

Und wer die Pläne anschaut, die der Philharmoniker-Chefdirigent in der nächsten Saison mit seinem Orchester hat, für den geht der Wow-Effekt weiter: Auf eine Max-Reger-/Richard-Strauss-Kombination zum Start folgt ein moderner Vierklang aus Xenakis, Hartmann, Kurtag und einer weiteren Uraufführung.

Mancher wünscht sich mehr Populäres

Einen reinen Schönberg-Abend wird Petrenko präsentieren, die 1. Sinfonie von Henri Dutilleux, das Violinkonzert von Karol Szymanowski. Und zu Silvester gibt es keine Klassik-Häppchen, sondern mit dem 1. Akt aus Richard Wagners „Walküre“ einen richtig schweren Brocken.

Keiner programmiert derzeit mutiger als Petrenko. Da runzeln sogar einige der Philharmoniker die Stirn, wie er jetzt freimütig bei einem Pressegespräch zugab. So mancher im Orchester wünscht sich die Chef-Programme populärer, würde gerne mit ihm mehr Beethoven und Brahms, Mahler und Bruckner machen.

Und er betont sofort, dass er das Kernrepertoire auch wieder mehr in den Blick nehmen will, mittelfristig. Aber Kirill Petrenko sucht eben die Herausforderung bei jedem Auftritt: für sich, für das Orchester und das Publikum.

Dieser absolut uneitle, politisch wache Zeitgenosse ist die Inkarnation der musikalischen Ernsthaftigkeit. Ihm geht es nur um die Sache, nie um Selbstdarstellung oder gar Show. Er will von Smetana darum nicht nur die beliebte „Moldau“ dirigieren, sondern gleich den ganzen Tondichtungszyklus des Tschechen, zu dem sie gehört. Und wenn bei den Osterfestspielen der Philharmoniker Richard Strauss‘ Extrem-Oper „Elektra“ ansteht, dann legt er noch die ausschweifende „Sinfonia domestica“ des Komponisten obendrauf.

Niemand entkräftet die hartnäckig sich haltenden Klischees von der Immer-dasselbe-Klassik derzeit effektiver als der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker.

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