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Kultur: Bibliothek auf Zeit

Jürgen Holstein würdigt die Gattung des Antiquariatskatalogs

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Achtzig und mehr Euro muss bezahlen, wer den 1987 versandten Katalog „Bauhaus“ des Berliner Antiquars Jürgen Holstein heute erwerben will. Er ist zum gefragten Sammelobjekt geworden – und wird im Internet feilgeboten, jenem Medium, dass dem herkömmlichen Verkaufskatalog über kurz oder lang den Garaus machen wird. Wer sollte noch die Mühe (und die Kosten) aufbringen, einen womöglich gar bebilderten Katalog zu erstellen, wenn sich die angebotenen Objekte viel leichter über Netz oder Messen absetzen lassen, statt über den Lockruf an den eigenen Kundenstamm?

Der mittlerweile 70-jährige Jürgen Holstein, der sein Antiquariat vor einiger Zeit nach 40 Jahren Berufstätigkeit aufgegeben hat, kann es dennoch nicht lassen. Nach dem grandiosen (und sofort vergriffenen) Buch „Blickfang“ über Berliner Bucheinbände und Schutzumschläge der zwanziger Jahre legt er jetzt das ebenso voluminöse Werk „Bücher, Kunst und Kataloge“ vor, das die kaum je beachtete Gattung der Antiquariatskataloge würdigt – und dabei natürlich auch den eigenen Ideenreichtum. Kaum eine Bibliothek bewahrt diese kurzlebigen Erzeugnisse auf, die doch eine Ahnung geben wollen von den Schätzen, die sie zum Kauf anbieten. Gewiss, nur wenige Kataloge erreichen das Niveau der Holsteinschen „Bauhaus“-Offerte, die gleichberechtigt neben Ausstellungskatalogen zum Thema steht.

Doch die Umschlaggestaltung ist oftmals aufwendig, greift auf eine besondere Preziose des Angebots zurück und macht sie so vielfach überhaupt erst zugänglich. Und das komplette Angebot, wenn es denn qualitätsvoll genug ist, spiegelt eine Epoche der Kunst oder Literatur in einer Vollständigkeit, wie sie in kaum einer öffentlichen Bibliothek, kaum einem Museum je zu bewundern ist. Der Katalog „bewahrt die Erinnerung an ein ephemeres Beisammensein von Kostbarkeiten, an eine im Nachhinein fast unmöglich scheinende festliche Inszenierung“, schreibt Wilfried Wiegand, Ex-Feuilletonchef der „FAZ“ und selbst ein Homme de lettres, im Kataloge-Buch. Das ist nun selbst ein solches „Beisammensein“ über Jahrzehnte hinweg – und lässt den Bücherfreund (oder -narr) seufzen bei dem Gedanken, was er vielleicht hätte erwerben können, wären ihm die entsprechenden Angebote nur zugegangen.

Durch Jürgen Holsteins Hände ist Unzähliges gegangen – und sogar die Sammlung der Zwanzigerjahre-Buchumschläge, die er in seiner vorangehenden Publikation so suggestiv vorgestellt hat, ist komplett verkauft worden: immerhin an die Berliner Zentral- und Landesbibliothek, wo sie der Fachwelt zugänglich bleibt. Alle anderen Liebhaber mögen – und müssen – sich mit dem vorliegenden Buch trösten.

Bücher, Kunst und Kataloge. Eine Dokumentation zum 40-jährigen Bestehen des Antiquariats Jürgen Holstein. Privatdruck, 408 S. m. 500 Farbabb., 148 €. Zu erwerben über www.holsteinbuch.info

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