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Ein seltsames Paar. John C. Reilly (links) spielt Laurel Hardy, Steve Coogan ist Stan Laurel.

© Square One Entertainment/Capelight Pictures

Biopic über "Dick und Doof": Sie küssen und sie schlagen sich

Stan Laurel und Oliver Hardy waren Virtuosen des Slapstick. Jon S. Bairds Biopic „Stan & Ollie“ huldigt den legendären Komikern.

Slapstick beruht auf Schnelligkeit, aber noch wichtiger ist das Gegenteil: die Verzögerung. Je länger die Leitung, desto besser der Gag. Ein V-Effekt, der Fachbegriff dazu lautet: double take. Stan Laurel und Oliver Hardy waren Virtuosen dieser Kunst. Was immer sie auch anstellten, es endete im Desaster. Nur, dass sie selber davon erst einmal nichts mitbekamen. Am Ende, wenn ihr Ford Modell T zerlegt, das Klavier zerhackt und vom Haus nichts als ein Holzhaufen übrig geblieben war, dämmerte ihnen, dass etwas schief gegangen sein musste. Dann rempelte Ollie Stan rüde an, und Stan stieß Ollie seinen Zeigefinger ins Auge. Autsch!

Laurel und Hardy haben in ihren Filmen eine Spur der Verwüstung hinter sich hergezogen, doch ihr Witz hat sich paradoxerweise als unkaputtbar erwiesen. „Die Welt hat niemals aufgehört, über sie zu lachen“, heißt es inzwischen im Vorspann ihrer Werke, die den Sprung vom Kino- übers Fernseh- ins Streamingzeitalter geschafft haben, ohne die Magie zu verlieren. Allerdings gab es eine Zeit, in der die Welt vorübergehend genug hatte vom Komikerpaar. Genau da setzt „Stan & Ollie“ an, das Biopic des schottischen Regisseurs Jon S. Baird.

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Als Laurel (Steve Coogan) und Hardy (John C. Reilly) 1953 eine Variéte-Tour durch Großbritannien und Irland beginnen, liegen ihre goldenen Jahre hinter ihnen. Sie haben seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs keinen Film mehr gedreht, gelten als Kassengift. In Newcastle sind sie zum Auftakt der Reise im „Bottle & Glass Inn“ untergebracht, einer Absteige, und statt im Royal Theatre treten sie in einer Music Hall auf, die nicht einmal zur Hälfte gefüllt ist. Bevor die Show beginnt, werden sie gefragt, wer denn die Hauptrollen spiele. „Na, wir selbst“, sagt Laurel, „wir sind Stan und Ollie.“ „Kann nicht sein“, lautet die entrüstete Entgegnung. „Die sind doch seit Jahren im Ruhestand.“

In Deutschland sind die genialen Humorkunstwerke von Stan und Ollie, oft lieblos zu Sketchparaden verhackstückt, lange unter dem irreführenden Synonym „Dick und Doof“ vermarktet worden. Klar, Hardy war korpulent, aber durch die absurd-anarchischen Plots seiner Filme bewegte er sich mit höchster tänzerischer Eleganz. Und Laurel brach zwar immer wieder aus nichtigstem Anlass in Tränen aus oder kratzte sich verdutzt das dünner werdende Struwwelpeterhaar. Aber blöd war er deshalb noch lange nicht. Denn die Torte ins Gesicht, den Schlag auf den Kopf und den Finger ins Auge bekam am Ende ja immer Hardy.

Stan und Ollie, das zeigt Bairds Hommage, waren Vorläufer von Becketts Clowns, Allerweltsfiguren, die mit den Errungenschaften der Moderne hadern, scheitern, trotzdem weiter machen. Wie Sisyphos rollen sie den Stein den Berg hinauf um, oben angekommen, dabei zusehen zu müssen, wie er wieder runter kollert. Wenigstens sind sie zu zweit. Bei dem Stein kann es sich auch um einen schweren Überseekoffer handeln, der Stan aus den Fingern gleitet, nachdem sie sich schnaufend eine Bahnhofstreppe hochgearbeitet haben. Ollie fragt bloß: „Brauchen wir diesen Koffer wirklich?“.

Kontrollfreak versus Phlegmatiker

Um die Werbetrommel für die schleppend angelaufene Tour zu rühren, organisiert ihr schlitzohriger Impresario (Rufus Jones) PR-Auftritte. Die Komiker machen jede Ankunft an einem Hotel zur Nummer, führen Kabinettstückchen auf, ringen mit Drehtüren, vertauschen endlos ihre Regenschirme und die legendären Bowlerhüte. Die Kameraleute der Wochenschauen sind begeistert, bald strömen die Leute in die Vorstellungen. Und dort sind Abend für Abend die gleichen Kunststücke zu sehen, immer wieder präsentiert der Film, leicht variiert, seine running gags: Wie Stan Ollie im Krankenhaus besucht und ihn stets aufs Neue mit versehentlichen Kopfnüssen und harten Eiern traktiert; wie die beiden einander in einem Bahnhofswartehäuschen suchen und sich immer wieder verpassen.

Stan und Ollie entkommen ihren Rollen auch im wirklichen Leben nicht. Stan, in seinem nervösen Ehrgeiz und der knitterigen Gestalt von Coogan kongenial verkörpert, führt seine Bühnenspäße auch dann noch vor, wenn nur die Vorzimmerdame eines Londoner Produzenten zuschaut. Sie lächelt gequält, ihr Chef lässt sich verleugnen. Das Drehbuch einer Robin-Hood-Parodie mit dem genialen Arbeitstitel „Ron ’Em Good“ bleibt unverfilmt. Ollie, auf dessen raumgreifendes Format Reilly mithilfe eines Fatsuits gekommen ist, ist ein Gemütsmensch, der es hasst, allabendlich noch Szenen proben zu sollen, die sie seit Jahren spielen. Kontrollfreak versus Phlegmatiker.

Am schönsten sind die Tanzszenen

Doch seit der Zeit, in der Stan und Ollie die schlecht besoldeten Hofnarren im Filmstudio des Hollywoodmoguls Hal Roach (Danny Huston) waren – dorthin blendet der Film am Anfang zurück – grollen sie unterschwellig einander. Bei der Premierenfeier im Londoner Savoy Hotel, zu dem auch die giftigen Gattinnen (Nina Arianda und Shirley Henderson) eingeflogen werden, kommt es zur Explosion. Als Laurel mit Roach brach und einen lukrativen Vertrag mit dem Fox-Studio ausgehandelt hatte, war Hardy nicht zur Unterzeichnung gekommen. Der Freundschaftverrat nagt immer noch an ihm. „Ich habe dich geliebt“, sagt Stan. Ollie entgegnet: „Du hast immer nur Stan und Ollie geliebt.“

[„Stan & Ollie“ kommt am Donnerstag in die Kinos]

Szenen einer Künstlerehe. Sie schlagen und sie küssen sich, sind sich spinnefeind und doch aufeinander angewiesen. Das Tröstliche an „Stan & Ollie“ ist, dass dieser überaus witzige und sehr lustige Liebesfilm über ein seltsames Paar dann auch zeigt, wie die beiden wieder zueinanderfinden. Nachdem Ollie auf der Strandpromenade des Badeortes Worthing mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen ist, ausgerechnet als Juror bei einer Miss-Badenixen-Wahl, legt Stan sich zu ihm ins Krankenbett und hält Händchen. Eine sentimentale Volte, aber trotzdem irgendwie wahr. Nachdem Hardy 1957 gestorben war, schrieb Laurel bis zu seinem Tod 1965 unermüdlich weiter Stan & Ollie-Geschichten. Alle Angebote, mit einem Hardy-Ersatz aufzutreten, hat er abgelehnt.

Am schönsten sind die Szenen, in denen Stan und Ollie tanzen. Der Squaredance in den Kulissen von „Way Out West“, ihr unerreichter „Schottentanz“. Erst zucken die Füße, dann steppen sie synchron, schuhplatteln, drehen Pirouetten. Lächelnd scheinen sie zu schweben. Das Leben, ein irrwitziges Ballett.

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