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Kultur: „Bogie hat mir mein Leben geschenkt“

Lauren Bacall über Menschen mit Witz, ihr Leben im berühmten Dakota Building und die Arbeit als Platzanweiserin

Kennen Sie das Gefühl, gelangweilt zu sein? Paul Schraders „The Walker“, in dem Sie mitspielen, ist reich an gelangweilten Frauen.

Bored or bought? Gelangweilt oder gekauft, was meinen Sie?

Boredom, Langeweile.

Ich glaube nicht, dass die Ladies gelangweilt sind. Einige sind zu lange verheiratet, andere haben aus einem falschen Grund geheiratet. Wenn du des Geldes wegen heiratest, wirst du über kurz oder lang in der Langeweile landen. Geld macht dich nicht glücklich; glücklich macht es dich, mit einem Menschen zusammenzuleben, den du respektierst, der dich interessiert, der Humor hat. Wenige Menschen mit Geld besitzen diese Qualität.

In Ihrem Leben war kein Platz für Langeweile, oder?

Wenn ich mich Leuten ausgesetzt hätte, die langweilig sind, hätte ich ein langweiliges Leben gehabt. Aber das habe ich immer vermieden. Wenn du ein Gehirn besitzt, möchtest du es gerne benutzen. Also umgib dich mit Menschen, die auch ein Hirn haben. Ich mag Menschen mit Witz. Lachen zu können gehört zu den wichtigsten Dingen im Leben. Humor hat mich durch viele schlechte Zeiten gebracht.

Wer war der witzigste Mensch, den Sie getroffen haben?

Noël Coward, er war brillant. Seine Bemerkungen waren treffend, aber nie verletzend. Bogie hatte auch einen großartigen Sinn für Humor. Wir haben einfach gut zueinander gepasst, oft gab es Situationen, wo wir losprusten mussten.

Ihren Humor haben Sie bei der Pressekonferenz zu „The Walker“ bewiesen. Als Sie auf den Neo-Noir-Film „The Black Dahlia“ angesprochen wurden, haben Sie entgegnet: „Ist das ein Sexfilm? “

Ich kenne diesen Film wirklich nicht.

Sie sprechen von Humphrey Bogart immer noch als „Bogie“. Warum?

Weil ich ihn zu seinen Lebzeiten immer so genannt habe. Das heißt aber nicht, dass ich glauben würde, er würde immer noch hinter der nächsten Tür leben. Bogie spielte eine ungeheure Rolle in meinem Leben. Er hat mir ein Leben geschenkt, mein Leben. Er hat mir viel beigebracht über die Filmindustrie, über das Leben in Hollywood. Die Werte, die mir meine Mutter vermittelt hatte, das Arbeitsethos unserer Familie, waren auch seine Werte. Er hatte eine unglaubliche Präsenz, war niemals lau, immer interessant. Ich bin sehr glücklich, mein Leben mit ihm geteilt zu haben. Und unendlich traurig, dass unsere gemeinsame Zeit so kurz war, zwölf Jahre nur. Verdammt unfair, dass er unsere Kinder nicht hat aufwachsen sehen.

Ich habe gelesen, dass Bogie immer noch in Ihren Träumen auftaucht.

Glauben Sie alles, was Sie lesen? Natürlich taucht er noch ab und zu in meinen Träumen auf, aber nicht sehr oft.

Stimmt es, dass Sie manchmal mit den Wänden reden?

Das stimmt, das mach’ ich immer noch. Manchmal. Jetzt spreche ich aber vor allem mit Sophie, meiner Papillon-Hündin. Sie ist sechs Jahre alt und sehr intelligent.

Worüber sprechen Sie mit ihr?

Über viele Themen, aber das bleibt strikt zwischen Sophie und mir.

Leben Sie noch immer im berühmtem Dakota Building in New York?

Inzwischen lebe ich dort schon länger als alle anderen. Ich bin 1961 eingezogen.

Roman Polanski drehte dort den Horrorthriller „Rosemary’s Baby“. Ist es ein unheimliches Haus?

Warum denn? Ich bitte Sie, das ist ein Film! Okay, es sind schlimme Dinge dort passiert. John Lennon wurde vor dem Dakota Building erschossen. Deshalb versammeln sich Fans bis heute dort, manchmal ist es wie in einer Freakshow. Ich habe Lennon gekannt, er war ein wunderbarer Mann. Yoko Ono lebt immer noch im Dakota Building. Eine reizende Person.

In „The Walker“ singt Woody Harrelson einen Wahlkampfsong aus dem Jahr 1928. Ein Jahr später krachte die Börse zusammen. Sie sagen als Natalie: „Ich kann mich daran erinnern.“ Können Sie sich tatsächlich an die Große Depression erinnern?

Was glauben Sie denn? Wissen Sie, wie alt ich damals war?

1929 waren Sie fünf Jahre alt.

Genau, ich war ein Kind. An den Börsencrash habe ich keine Erinnerung. Die Jahre danach waren hart, aber ich bin das Produkt einer arbeitenden Familie. Ich wurde nicht in Reichtum hineingeboren. Wir waren Mittelklasse, hatten aber Grips.

Sie sollen zur attraktivsten Kino-Platzanweiserin New Yorks gewählt worden sein. Stimmt das?

Nein. Ich war Platzanweiserin im Theater, nicht im Kino. Und ich wurde auch nicht gewählt. Der berühmte Kritiker George G. Nathan hat mich in seiner Jahresendliste im Magazin „Esquire“ zur besten Platzanweiserin ernannt. Wir kannten uns nicht, er muss mich gesehen haben, wie ich durch das Zuschauergewühl lief und rief: „Ihre Tickets, bitte!“

Sie haben dann als Model gearbeitet. Später sagten Sie: Ich war nicht sehr gut darin.

Ich kann einfach nicht posieren. Dieses: hierhin gucken, dahin gucken – bitte jetzt so bleiben! Fürchterlich!

Miss Bacall, Sie sind zu bescheiden. Sie waren ein erfolgreiches Model, brachten es bis aufs Cover von „Harper’s Bazaar“.

Na und?

Sie hatten einen neuen Look, auf den auch Hollywood gewartet hatte.

Was für einen Look denn?

Einen weniger pompösen, maskulineren und herberen Look.

Keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen. Das Wort „maskulin“ wurde, glaube ich, niemals für mich benutzt. Was Sie vielleicht meinen, ist der „natural look“, den die Moderedakteurin Diana Vreeland im Sinn hatte. Die Fotos, die sie für „Harper’s Bazaar“ von mir machen ließ, entstanden sehr schnell. Das waren die Bilder, die Howard Hawks sah. Sie gefielen ihm, er wollte diesen Look.

Hawks hat dann „To Have and Have Not“ und „The Big Sleep“ mit Ihnen gedreht. Warum blieb es bei diesen beiden Filmen?

Es war Eifersucht von Hawks. Bogie und ich hatten uns bei den Dreharbeiten zu „To Have and Have Not“ verliebt.

Sie haben in den letzten vier Jahren elf Filme gedreht.

Elf? Tatsächlich? Okay, wenn man Fernsehrollen dazuzählt.

Sie arbeiten härter als viele junge Schauspielerinnen. Warum?

Die Tatsache, dass ich arbeiten kann, ist sehr wichtig für mich. Ebenso die Tatsache, dass ich noch laufen und sprechen kann und noch zu etwas zu gebrauchen bin. Arbeit hält mich lebendig. Deshalb werde ich so lange weiterarbeiten, wie ich kann.

Das Gespräch führte Christian Schröder

Lauren Bacall , 82, ist eine der letzten großen Diven des amerikanischen Kinos. Als Betty Joan Perske in New York geboren, begann sie ihre Karriere als Tänzerin und Model . Howard Hawks entdeckte sie auf dem Cover von „Harper’s Bazaar“. Unter der Regie von Hawks drehte Bacall die Film-noir-Klassiker „To Have and Have Not“ (1944) und „The Big Sleep“ (1946). Bei den Dreharbeiten zu „To Have and Have Not“ verliebte sie sich in Humphrey Bogart , den sie 1945 heiratete. Sie bekam zwei Kinder von ihm und blieb bis zu seinem Tod 1957 mit ihm zusammen. Bacall spielte zuletzt in Paul Schraders The Walker , der außer Konkurrenz im Wettbewerb lief.

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