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Bruce Springsteen in der Berliner Waldbühne

© IMAGO/Berlinfoto/imago

Bruce Springsteen gegen Donald Trump: Das so ferne geliebte Land

Bruce Springsteen wettert auf seiner Europa-Tour über Trump und dessen Regierung – aber hört und folgt man ihm auch in den USA? Daran darf gezweifelt werden.

Gerrit Bartels
Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Stand:

Ob US-Präsident Donald Trump die Worte wieder vernommen hat, die Bruce Springsteen am Mittwochabend im Berliner Olympiastadion über ihn und seine „korrupte, inkompetente und verräterische Regierung“ sprach?

So wie vor einigen Wochen schon zu Beginn von Springsteens Europa-Tour in Manchester, als Trump den „Boss“ umgehend als „extrem überbewertet“, „untalentiert“ und „vertrocknete Pflaume von einem Rocker“ bezeichnete und damit drohte, er solle erstmal nach Hause kommen, dann würde man sehen, „wie es für ihn weitergeht.“ Gut möglich. Reagiert hat Trump auf den jüngsten Auftritt Springsteens bislang aber noch nicht.

Doch wichtiger ist sowieso, ob das Amerika, „das ich so liebe“, Springsteen hört. Das Amerika, das „an die Demokratie und das Beste unseres amerikanischen Experiments“ glaubt. Das Amerika, das sich für die Freiheit einsetzt und den Autoritarismus bekämpft, wie Springsteen es sich vorstellt.

Präzise Analyse fern der Heimat

Das allerdings muss bezweifelt werden. Denn Springsteen mag natürlich wie fast die gesamte Kulturprominenz der USA im November vergangenen Jahres eine unbedingte Wahlempfehlung für Kamala Harris abgegeben und vor Trump inständigst gewarnt haben, bekanntermaßen ohne Erfolg.

So eloquent, präzise analysierend, explizit und ausdauernd und gerade auch vor riesigen Auditorien macht der Boss das nun fern seiner Heimat. Mit sofortiger Trumpscher Resonanz nach dem Manchester-Auftritt, aber ansonsten ohne größeres Echo in den USA. Der Beifall hier ist ihm allerorten gewiss.

Wie sich das in den Staaten verhalten würde, steht auf einem anderen Blatt. Denn man kann davon ausgehen, dass es dort durchaus nicht wenige Springsteen-Fans gibt, die für Trump votiert haben und gar nicht so begeistert sind von den Anti-Trump-Tiraden ihres Helden (ähnliches gilt in Deutschland für das Publikum beispielsweise von Herbert Grönemeyer oder Udo Lindenberg, das womöglich auch nicht geschlossen hinter seinen Lieblingsmusikern steht, wenn diese sich gegen rechte Umtriebe positionieren).

Es waren schließlich nicht zuletzt Springsteens republikanische und rechtsnationale Fans, die „Born In The U.S.A“ zu ihrer Hymne gemacht haben, entgegen der Intentionen des Songs und denen Springsteens, und die ihm jetzt davonlaufen.

Ist Springsteen noch in der US-Arbeiterschaft verwurzelt?

Dabei spielt es gar keine so große Rolle, ob Bruce Springsteen nicht schon lange zum linksliberalen (Kultur-)Establishment gehört. Oder er weiterhin tief in der US-Arbeiterschaft verwurzelt ist, wo er sich von jeher verortet, und er seine Fan-Basis in der Auto-, Stahl- oder sonstigen Industrie hat, bei den Blue und White Collar. Eine überlebensgroße popkulturelle Figur ist er allemal.

Denn die Hoffnung ist, dass es jetzt endlich im „Land of Hope & Dreams“ (wie Springsteens Europa-Tour heißt), zu einer großen demokratischen Erhebung gegen Trump und die US-Regierung kommt. Und dass dieser Aufstand nicht allein aus der Kultur seine Dynamik bezieht, sondern auch aus den Reihen der demokratischen Partei und vielen anderen. Und vielleicht glaubt Springsteen wirklich daran, dies von Europa aus zu schaffen, quasi aus dem Exil, in dem Donald Trump ihn vermutlich am liebsten sehen würde.

Aktuell ist ja selbst eine Kim Kardashian, die während dessen erster Amtszeit nichts gegen ein Treffen mit Trump hatte, jetzt höchst offiziell vom US-Präsidenten abgerückt. Zudem hat sie ihrem Entsetzen über die Entwicklung in Los Angeles und den Maßnahmen der US-Migrationsbehörde „Immigration and Costums Enforcement“ (ICE) Ausdruck gegeben: „Wenn man uns sagt, dass ICE dazu da ist, unser Land zu schützen und Gewalttäter zu entfernen – großartig“, so Kardashian in einem Interview. „Aber wenn wir sehen, wie unschuldige, hart arbeitende Menschen auf unmenschliche Weise aus ihren Familien gerissen werden, müssen wir unsere Stimme erheben.“

Springsteen, Kim Kardashian, Neil Young („Dieser Kerl hat die Kontrolle verloren“, so Young über Trump), die Hip-Hop-Künstlerin Doechii und noch so einige Kulturschaffende mehr erheben diese Stimme. Doch ob es dieses Mal anders als in den Monaten vor der US-Wahl und dem Sieg von Trump mehr politische Früchte trägt? Von der Popkultur lernen heißt leider nicht mehr, auch siegen zu lernen. Die Deutungshoheit von Pop, so er sie jemals hatte, ist verloren gegangen. Das „Promised Land“, von dem Springsteen singt, scheint in weiter Ferne zu liegen.

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