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Eröffnung Garnisonkirche.  Festakt zur Eröffnung des Turms der Garnisonkirche Potsdam.

© Andreas Klaer

Update

Bürgerwille zählt sehr wohl: Nicht jede Bauentscheidung ist Willkür, wie der Turm der Garnisonkirche zeigt

Unser Autor Nikolaus Bernau findet, man sollte in Sachen Baukultur weniger klagen und mehr wagen.

Nikolaus Bernau
Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Stand:

Gerade wurde der nachgebaute Turm der Garnisonkirche übergeben. Mehr als eine Generation hat die Debatte gedauert. Sie wird weitergehen, auch, weil der gewaltbeladene Schmuck dieses Turms mit Waffen, Rüstungen, Schilden und Flaggen noch fehlt. Oder niemals wieder angebracht werden soll.

Eines ist sicher: Dass der Turm überhaupt wieder steht, ist der Wille vieler Bürger und Bürgerinnen gewesen. Sie waren es auch, die durchsetzten, dass nun selbst die Stadtspitze und der Bundespräsident sich für den Erhalt des Rechnerzentrum aus DDR-Zeiten einsetzen, mit seinen netten Weltraum-Mosaiken.

Der Turm war Volkes Wille

Man muss diesen Bau nicht mögen. Aber er ist nicht das Ergebnis von Parteien-Willkür, anders als die Sprengung seines Vorbilds 1968. Der Bau basiert auf unermesslich vielen Debatten, Gesprächen, Abstimmungen in gewählten Gremien Potsdams, Brandenburgs, der evangelischen Kirche, im Bundestag. Wer ein Argument gegen die Dauerpropaganda von AfD und BSW sucht in Deutschland zähle angeblich „der Bürgerwille“ nicht, entschieden „Alt“-Parteien und Verwaltungen über die Köpfe „der Menschen“ hinweg – der Tum der Garnisonkirche ist eines.

Sicher gibt es viele unsinnige und schlichtweg anachronistische Verwaltungsentscheidungen. Etwa die, trotz der Wohnungsnot den Abriss von völlig intakten Wohngebäuden zu genehmigen, wie jenem an der Berliner Habersaatstraße. Ein Sozial- und Klimaschutzskandal erster Klasse. Aber wer fordert denn von den Politikern Gesetze, die so etwas erzwingen? „Die Bürger“. Seit Jahrzehnten wird in Deutschland jeder Politiker, jede Politikerin bei Wahlen streng abgestraft, die sagt: Wir müssen uns ändern.

Argument gegen die AfD-Polemik

Das Resultat dieses deutschen Selbstbetrugs ist bekannt: Wohnungsnot, Sanierungsstau bei Bahnen, Straßen, Brücken, Bildungs-, Verwaltungs-, Justiz- oder Museumsgebäuden, Autokult, schwerfällige Verwaltungen, kaputtes Militär, endemischer Fachkräftemangel, niedrige Renten. Skandinavien, Österreich, die Schweiz, sogar Frankreich zeigen, wie es hätte besser gehen können.

Oder jene Fachleute und Verwaltungen, die seit Jahren bessere Bildungschancen für alle fordern, eine moderne Verkehrspolitik, eine umwelt- und klimaschonende Wirtschaft und Energieversorgung, den ökologischen Stadtumbau, die Förderung der Kleinstädte und des Landes. Stattdessen steigen Parteien wie die AfD und das BSW auf, die weiter das Blaue vom Himmel versprechen – allerdings nur für „Deutsche“.

Dabei zeigen gerade hart umstrittene Projekte wie der Garnisonkirchenturm: Dies Land wird besser, wenn die Bürger nicht der populistischen Versuchung des „Wir haben Recht“ und „Nur-für-uns“ folgen, sondern sich engagieren – und den Kompromiss siegen lassen.

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