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Xavier Naidoo 2015 bei einem Konzert mit der Band Söhne Mannheims.

© dpa/Uwe Anspach

Comeback von Xavier Naidoo: Aggressiv, wer Böses dabei denkt

Nach exzessiver, unter anderem antisemitischer Hassrede kündigt Xavier Naidoo ausgerechnet in diesen Tagen sein Comeback an. Wie kann das sein?

Claudia Reinhard
Ein Zwischenruf von Claudia Reinhard

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Na, wo ist sie denn nun, diese Cancel Culture als „aggressives Gesicht der linken Übergriffigkeit“, vor der erst kürzlich noch der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer reichweitenstark in der „Süddeutschen Zeitung“ warnte? In den deutschen Büros des amerikanischen Konzertveranstalters Live Nation offenbar nicht. Dort hat man entschieden, dass Xavier Naidoo wieder auf die Bühne soll, und zwar auf eine richtig große, in der Lanxess Arena in Köln.

Man kann sich die Situation der Entscheidungsfindung vorstellen: Menschen in Chucks und Tweedsakko sitzen am Tisch und irgendwie ist ihnen unwohl. Aber! Hat denn nicht jeder eine zweite Chance verdient? Zumal, wenn die Begnadigung so lukrativ ausfällt? Everybody wins.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat Anklage erhoben

Wer sich dabei nicht als Gewinner fühlen dürfte: Jüdische Menschen, geflüchtete Menschen, Long-Covid-Erkrankte, oder Politikerinnen, „die sich eine Matratze auf den Rücken schnallen und damit Flüchtlingsheime abklappern sollten“, wie Naidoo in der Vergangenheit vorschlug. Und somit eigentlich generell alle Menschen, die für die Verachtung ihrer Spezies nichts übrig haben.  

Naidoos Hassrede soll an dieser Stelle nicht noch mal aufgeführt werden, es sei aber daran erinnert, dass im rassistischen, antisemitischen, xenophoben und coronaleugnerischem Grundrauschen des Sängers in den sozialen Medien auch strafrechtlich relevantes dabei war. Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat in den vergangenen zwei Jahren zwei Anklagen, unter anderem wegen Holocaustleugnung, erhoben. Naidoos Anwälte weisen die Vorwürfe zurück.

Ob ein Hauptverfahren eröffnet wird, ist noch nicht entschieden und doch kommt man nicht umhin, sich zu fragen, warum der Konzertveranstalter die juristischen Urteile nicht wenigstens hätte abwarten können. Womöglich, weil auch eine Verurteilung nichts geändert hätte?  

„Es gibt keinen ernsthaften Grund, ihm eine zweite Chance zu verweigern“, sagte ein Sprecher von Live Nation und berief sich auf ein Entschuldigungsvideo voller Relativierungen, in dem sich der Sänger 2022 zu seinem Verhalten äußerte. Er habe sich „teilweise“ auf Irrwegen befunden, mit „manchen“ seiner Äußerungen und Verhaltensweisen habe er „Menschen vor den Kopf gestoßen und verletzt“. Auch habe er sich „zum Teil instrumentalisieren lassen“. Damals hatte eine Sprecherin angekündigt, Naidoo werde sicher zu einem anderen Zeitpunkt noch mal dazu Stellung nehmen. Das ist bisher nicht geschehen.

Dass Live Nation unter diesen Voraussetzungen „keinen ernsthaften Grund“ erkennt, Naidoo die große Bühne zu verweigern, befremdet generell, noch mehr allerdings in einer Zeit, da der Antisemitismus in Deutschland zunimmt und Konzerte von Bands, die auf der Bühne gegen die israelische Armee agitieren, abgesagt werden.

In seinem Gastbeitrag erklärt es Wolfram Weimer für „fatal“ dem Bürger zu unterstellen, es fehle ihm an Kompetenz zur eigenen Meinungsbildung. Und so muss der Kulturstaatsminister wohl zufrieden damit sein, dass 15.000 dieser Bürger nun die Chance auf das Naidoo-Konzert („Bei meiner Seele“) bekamen, und aufgrund der hohen Nachfrage gleich noch ein zweiter Termin am nächsten Tag angesetzt wurde.

Muss nun zur Anti-Aggressionstherapie, wer dabei weiterhin Bauchschmerzen hat? Auch hier wäre die Nachfrage hoffentlich zu hoch.

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