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Killerköpfe: Eine Szene aus dem besprochenen Buch.

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"Mon Bataclan": Bataclan: Überlebender verarbeitet Terror in Comic

Fred Dewilde hat den Bataclan-Anschlag vor knapp einem Jahr in Paris knapp überlebt. Nun hat der Illustrator das Geschehen in einem Comic verarbeitet.

"Sting im Bataclan - ohne mich", sagt Fred Dewilde und lacht. Wenn die Pariser Konzerthalle am Samstagabend knapp ein Jahr nach den Anschlägen vom 13. November wieder öffnet, will der 49-Jährige auf keinen Fall dabei sein. Nicht, weil er den britischen Rockmusiker nicht mag. Sondern weil er von Erinnerungen überwältigt würde. Dewilde ist einer der Überlebenden des Anschlags auf das Bataclan. Er wurde Zeuge, wie Islamisten 90 Menschen töteten. Seine Erlebnisse hat der Zeichner in einem Comic verarbeitet, der weltweit Aufmerksamkeit erregt.

"Wir haben uns tot gestellt, um leben zu können"

Es ist ein milder Abend am 13. November 2015, rund 1500 Menschen drängen sich im Bataclan. Sie jubeln der US-Band Eagles of Death Metal zu, die gerade "Kiss the devil" (Küss den Teufel) singt. Plötzlich stürmen drei schwarz gekleidete Männer mit Sprengstoffgürteln und Schnellfeuergewehren den Saal. Sie schießen in die Menge. Schreie, Tumult, die Musiker können sich über den Bühnenausgang retten. Anders als viele Konzertbesucher, die getroffen zu Boden stürzen.

In eindringlichen schwarz-weißen Bildern zeigt Dewilde, wie er den Abend im Bataclan erlebt hat. Auch er lässt sich fallen, um dem Kugelhagel zu entgehen. Neben ihm liegt eine junge Frau, sie ist an den Beinen verletzt. Rund zwei Stunden lang werden sie dort ausharren, während die Islamisten weiter auf Menschen schießen. "Wir haben uns tot gestellt, um leben zu können", heißt es in einer Zeichnung.

In Dewildes Comic "Mon Bataclan" (Mein Bataclan) tragen die Islamisten Totenköpfe. "Für mich waren die Terroristen schon tot, als sie ins Bataclan kamen, sie hatten jede Menschlichkeit verloren." Deshalb hat er sie als Skelette gezeichnet.

Vor dem Anschlag: Eine Seite aus dem besprochenen Buch.
Vor dem Anschlag: Eine Seite aus dem besprochenen Buch.

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Dewilde arbeitet als Illustrator für die Pharmaindustrie, er zeichnet menschliche Organe oder Körperteile, um die Wirkung von Medikamenten zu verdeutlichen. Für ihn lag es nahe, die Ereignisse in einem Comic zu verarbeiten. "Ich wollte die Ereignisse zeigen, ohne ins Blutrünstige zu verfallen. Für mich wäre es völlig sinnlos gewesen, von Kugeln durchlöcherte Körper zu zeichnen." Deshalb sei "jede Seite, jedes Bild" schwierig gewesen.

"Das war echte Konfrontationstherapie"

Überrascht hat ihn, dass sein kurz vor dem Gedenktag veröffentlichter Comic weltweit auf Interesse stößt. Der Zeichner hat Interview-Anfragen aus Europa und Amerika bekommen und sogar aus Japan und China. Sein Verleger Emmanuel Lemieux hat das Buch kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Er sagt: "Wir hoffen, dass es bald auch eine deutsche Übersetzung gibt."

Das große Interesse gründet auch darauf, dass Dewilde trotz des Grauens für seine Leser eine Botschaft der Versöhnung bereit hält. Im zweiten Teil seines Buches schildert er in Texten und Bildern, wie er mit der Erinnerung umgeht und dank seines Sinns für schwarzen Humor überlebt.

Rachegelüsten erteilt er eine Absage: "Ich habe genug Leichen, Blut, Tränen und Angst für gleich mehrere Leben gesehen. Ich habe gesehen, zu was der Hass führt. Also seien wir doch wenigstens ein Mal nicht so dumm und entscheiden uns für das Leben."

Bald auch auf Deutsch? Das Cover von "Mon Bataclan".
Bald auch auf Deutsch? Das Cover von "Mon Bataclan".

© BERTRAND GUAY / AFP

Auch Sting will mit seinem Auftritt am Samstagabend im Bataclan "die Musik und das Leben feiern", wie er auf seiner Webseite schreibt. Aber vor allem will er die Opfer ehren: "Wir werden sie nie vergessen."

Fred Dewilde ist bereits Anfang Oktober zum ersten Mal mit anderen Überlebenden in den renovierten Konzertsaal zurückgekehrt. "Das war echte Konfrontationstherapie", sagt er. "Ich könnte niemals wieder ein Konzert im Bataclan hören." Er zögert und fügt hinzu: "Aber wer weiß - vielleicht schaffe ich auch das irgendwann." (AFP)

Stephanie Lob

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