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Keanu im Doppelpack: Der Hollywoodstar und sein Comic-Alter-Ego.

© dpa/Boom!

Bestseller-Comic „BRZRKR“: Wie Keanu Reeves sich selbst unsterblich machte

Hollywoodstar Keanu Reeves hat einen Comic-Bestseller geschrieben, der jetzt auf Deutsch erscheint. Inhaltlich ist „BRZRKR“ bemerkenswert schlicht.

Er schlägt seine Gegner mit der bloßen Faust zu Brei, erholt sich von jeder Verletzung in kürzester Zeit und lässt sich durch keine Waffe der Welt stoppen. Die größte Superkraft der Hauptfigur der Comicreihe „BRZRKR“, eines unsterblichen Supersoldaten, den alle nur „B.“ nennen, ist jedoch nicht seine übermenschliche Stärke. Sondern die Tatsache, dass er wie der Hollywood-Star Keanu Reeves („Matrix“, „John Wick“) aussieht – und von diesem auch erdacht wurde.

Der Halbgott des Gemetzels: Eine Szene aus „BRZRKR“.
Der Halbgott des Gemetzels: Eine Szene aus „BRZRKR“.

© Cross Cult

Anders ist es kaum zu erklären, wieso ein inhaltlich so schlichter Comic, der sich schamlos bei diversen Genre-Vorbildern bedient, in den USA rund um sein Erscheinen im vorigen Jahr derart gefeiert wurde.

Die Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung des Projekts erbrachte die Rekordsumme von 1,45 Millionen Dollar, vom ersten Heft der Reihe wurden nach Angaben des Boom!-Verlages mehr als 650 000 Exemplare verkauft – ein Vielfaches von seit Jahrzehnten eingeführten Bestseller-Reihen wie „Batman“ oder „Spider-Man“, deren Hefte in den USA meist bei knapp über 100.000 verkauften Exemplaren liegen.

Etliche große US-Medien schenkten dem Projekt viel Aufmerksamkeit, eine Realverfilmung bei Netflix und eine Animationsserie sind bereits in Arbeit. In dieser Woche erscheint ein Sammelband mit den ersten vier Kapiteln von „BRZRKR“ auch auf Deutsch (Cross Cult, 144 Seiten, 16 € (Softcover), 25 € (Hardcover)).

Im Mittelpunkt steht eine menschenähnliche Kampfmaschine im Dienst der US-Regierung, deren Vorgeschichte der Comic nach und nach erzählt. „B.“, so ist zu erfahren, hat bereits 80.000 Jahre auf dem muskulösen Buckel, wurde einst durch einen Pakt mit den Göttern als Übermensch zur Verteidigung seines Stammes geboren und leidet seit seiner Jugend an einer Identitätskrise, da er statt einer wandelnde Waffe lieber ein von seinen Eltern geliebter – und im Endeffekt sterblicher – Mensch geworden wäre.

Co-Autor Matt Kindt kann eigentlich auch anders

Erzählt wird die Geschichte größtenteils in Form eines Dialoges zwischen „B.“ und einer Wissenschaftlerin, die im Auftrag der Regierung mehr über den wortkargen, meist mürrisch dreinblickenden Helden herausfinden soll. Das wird garniert mit Bildstrecken, die die Hauptfigur bei Kampfeinsätzen zeigen. Die arten stets zu epischen Gemetzeln aus, die mit viel Liebe zum blutigen Detail von Superheldenzeichner Ron Garney und Kolorist Bill Crabtree visualisiert werden.

Eine weitere Szene aus „BRZRKR“.
Eine weitere Szene aus „BRZRKR“.

© Cross Cult

Als Autor fungiert neben Reeves der Comic-Veteran Matt Kindt, der sich neben der Arbeit an zahlreichen Superheldenserien vor allem durch originelle, oft auch von ihm selbst in einem charmanten Independent-Strich gezeichnete Genre-Geschichten einen Namen gemacht hat. Im Fall von „BRZRKR“ scheint die Vorgabe jedoch gewesen zu sein, möglichst unoriginell eine Kampfszene an die nächste zu reihen, unterbrochen von kurzen Interaktionen zwischen „B.“ und seiner Regierungsbetreuerin, die sukzessive sein Trauma freilegt.

Ideenklau bei Barry Windsor-Smith und Frank Miller

Was der Reihe an Originalität fehlt, macht sie durch hemmungslosen Ideen- und Bilderklau bei großen Vorbildern wett: Manche Szenen lesen sich wie eins zu eins aus dem modernen Superhelden-Klassiker „Wolverine: Waffe X“ von Barry Windsor-Smith übernommen. Bei anderen Bildfolgen stand offensichtlich Frank Miller („The Dark Knight Returns“, „Sin City“) Pate: Der kantige Strich, die eckige Figurenzeichnung und die expressiven Licht- und Schatteneffekte tragen seine Handschrift.

Das Titelbild des ersten Sammelbandes der Reihe.
Das Titelbild des ersten Sammelbandes der Reihe.

© Cross Cult

Manche Gewaltorgie lässt in ihrer ausufernden Brutalität an Quentin Tarantino denken – nur dass „BRZRKR“ im Gegensatz zu dessen Filmen komplett frei von Humor und Ironie ist. Auch „Conan“ und weitere Superhelden- und Action-Vorbilder kann man hier wiederfinden – und die Schöpfungsgeschichte der Hauptfigur von „BRZRKR“ ist der Bibel entlehnt.

Wer sich an handwerklich solider Action erfreuen kann und hartgesotten genug ist, menschliche Körper im Akkord dahingemetzelt zu sehen, mag bei „BRZRKR“ dennoch auf seine Kosten kommen. Alle anderen dürften darüber staunen, wie eindimensional eine Figur sein kann, die 80.000 Jahre Zeit hatte, sich zu entwickeln.

Da ist es nur konsequent, dass der nicht gerade für seine facettenreiche Schauspielkunst bekannte Reeves nicht nur der Erfinder der Reihe ist, sondern in der Verfilmung auch die Hauptfigur spielen soll.

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