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Comicfestival München 2025: Volles-Programm, vielsagende Lücken
Das Comicfestival München lockt bis zum 22. Juni mit namhaften Gästen. Doch einige der größten Verlage bleiben dem Event dieses Mal fern. Ein Überblick.
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Die Gästeliste ist lang und prominent. Unter den rund 150 Zeichnerinnen und Zeichnern, die in diesem Jahr zum Comicfestival München (19. bis 22. Juni) in die Alte Kongresshalle nahe der Theresienwiese kommen und den Fans für Signierstunden, Talks und persönliche Begegnungen zur Verfügung stehen, finden sich etliche internationale Szene-Stars. Angekündigt sind unter anderen der französische „Lucky Luke“-Zeichner Achdé, der kanadische Publikumsliebling Guy Delisle und der britische „Watchmen“-Veteran Dave Gibbons.
Auch das Ausstellungsprogramm, das bereits zum Teil jetzt gestartet wurde, sowie die rund 100 Podiumsgespräche, Zeichenkurse und Präsentationen sind hochkarätig. Aus der deutschen Comicszene werden ebenfalls Dutzende namhafte Gäste erwartet, darunter Ralf König, Isabel Kreitz, Ulli Lust, Mawil, Olivia Vieweg und Disney-Zeichner Ulrich Schröder.
In dieser Hinsicht scheint das Comicfestival München auch in diesem Jahr seinem Ruf gerecht zu werden, nach dem Internationalen Comic-Salon Erlangen, „das größte reine Comic-Event in Deutschland“ zu sein, wie es auf Wikipedia heißt. Seit 2007 findet das Festival in München, dessen erste Vorläuferveranstaltung 1985 Premiere hatte, alle zwei Jahre statt – immer abwechselnd mit dem seit 1984 vom Kulturamt der Stadt Erlangen veranstalteten Comic-Salon.
Doch neben dem beeindruckenden Programm gibt es in diesem Jahr auch Nachrichten, die die Relevanz des Münchener Events für die deutschsprachige Szene infrage stellen. Einige der größten deutschen Comicverlage werden nämlich diesmal nicht mit eigenen Ständen auf der Verlagsmesse vertreten sein, die als das Kernelement des Festivals gilt – stattdessen konzentrieren sie sich 2025 und 2026 auf andere Szene-Events.
Egmont und Panini verzichten diesmal auf Stände
Die beiden größten Lücken dürften die Egmont Ehapa Media GmbH aus Berlin und der Stuttgarter Panini Verlag verursachen. Bei Egmont erscheinen unter anderem zugkräftige Titel wie „Asterix“ und zahlreiche Disney-Reihen wie die „Lustigen Taschenbücher“, außerdem ist der Verlag im Manga-Segment sehr erfolgreich. Panini hat unter anderem zahlreiche US-Superheldenserien von Verlagen wie Marvel und DC auf Deutsch im Programm sowie in letzter Zeit ebenfalls ein wachsendes Manga-Programm entwickelt.
„Unsere Entscheidung, dieses Jahr nicht mit einem Stand auf dem Comicfestival München vertreten zu sein, basiert auf einer internen Schwerpunktverlagerung und daraus resultierenden Kapazitätsengpässen“, teilt Egmont-Marketingchefin Karoline Westermeyer Benz auf Anfrage mit. „Wir haben in diesem Jahr strategische Prioritäten gesetzt, die es uns leider nicht ermöglicht haben, die Ressourcen für eine umfassende eigene Festivalteilnahme bereitzustellen.“

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Die Entscheidung sei nicht leichtgefallen, „da wir in den vergangenen Jahren regelmäßig und gerne in München mit einem Stand präsent waren und das Festival als wichtigen Treffpunkt der Szene wahrgenommen haben“, sagt Westermeyer Benz. Es seien aber auch ohne Verlagspräsenz zumindest einige Künstler und Autoren mit Unterstützung von Egmont in München vertreten, darunter Achdé, Ralf König und Ulrich Schröder.
„Wir haben die Münchner Comic-Veranstaltungen fast durchweg durch Präsenz unterstützt, weil es ein interessantes Einzugsgebiet ist und die Organisator:innen viel Engagement zeigen“, erklärt Panini-Pressesprecher Steffen Volkmer auf Anfrage. Dabei sei es viele Jahre vor allem darum gegangen, Comicschaffende und die Szene zu fördern. „Allerdings hat die Veranstaltung nie die Größe erreicht, die für uns unter PR-Aspekten wirklich relevant geworden wäre.“
Das Comicfestival München wird zuverlässig vom Kulturreferat der Stadt München gefördert, kann jedoch ansonsten nicht auf städtische Ressourcen zurückgreifen.
Heiner Lünstedt, Festival-Organisator
Finanziell gefördert wird das Comicfestival München vom Kulturreferat der Landeshauptstadt, kann jedoch im Gegensatz zum deutlich größeren Internationalen Comic-Salon Erlangen ansonsten nicht auf städtische Ressourcen zurückgreifen, wie Heiner Lünstedt sagt, der seit 2011 einer der beiden Leiter des Comicfestivals München ist. „Daher müssen wir einen großen Teil unseres Budgets für das Anmieten von Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Lagerräumen verwenden.“
Im gemeinnützigen Verein Comicstadt München habe sich seit 2007 „eine beständig wachsende Gruppe von Comicenthusiasten formiert, die weiterhin alles dransetzt, aus dem städtischen Budget so viel Comic wie möglich herauszuholen“.
Da jede Messe viel Organisationsarbeit mit sich bringt, Zeit und Geld koste sowie Personal binde, könne man pro Jahr nur eine bestimmte Anzahl von Veranstaltungen bespielen, sagt Panini-Sprecher Volkmer. „Wenn zu viele Messen sich in einem zeitlichen Bereich tummeln oder es andere Gründe gibt, müssen wir welche streichen.“ Dennoch unterstütze Panini zumindest den Auftritt zweier Gäste aus dem Verlagsprogramm in München, Flavia Scuderi („Marlene Dietrich“) und Thierry Capezzone („Petzi“).
Grundlegende Veränderung der deutschen Comiclandschaft
Das Fernbleiben der beiden großen Verlage ist zum Teil auch eine Reaktion auf eine grundlegende Veränderung der deutschen Comiclandschaft. Neben den klassischen, auf westliche Comics spezialisierten Events wie in München haben hierzulande in den vergangenen Jahren Veranstaltungen an Bedeutung gewonnen, auf denen Comics asiatischer Prägung im Zentrum stehen: Manga waren in den vergangenen Jahren eines der wenigen Wachstums-Segmente im deutschen Buchmarkt.

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„Es sind in den letzten Jahren immer mehr andere Messen entstanden, vor allem im Manga-Bereich, die für uns Relevanz haben“, erklärt Panini-Sprecher Volkmer. Diese Spielart der Comics steht unter anderem bei der Leipziger Buchmesse und der parallel stattfindenden Manga-Comic-Con im Zentrum, die bei Panini fest im Kalender notiert ist. Auch bei der dreitägigen Dokomi Anfang Juni in Düsseldorf, nach Veranstalterangaben Deutschlands größte Anime- und Japan-Expo, war Panini mit einem Stand vertreten.
Dazu kommen in diesem Jahr die Computer- und Videospiele-Messe Gamescom, die im August in Köln stattfindet, sowie die ComicCon Stuttgart im November, bei der vor allem Film- und Serienstars, Cosplayer und Merchandise-Stände im Zentrum stehen.
Egmont will in diesem Jahr seine Aktivitäten bezüglich Verlagsständen unter anderem auf die Frankfurter Buchmesse im Oktober konzentrieren, wie Karoline Westermeyer Benz ankündigt. Dazu komme im August die Anime- und Manga-Convention Animagic, „die für uns im Manga-Bereich eine wichtige Rolle spielt“. Die stehe auch für 2026 schon auf dem Verlagsprogramm, zudem wieder die Leipziger Buchmesse samt Manga-Comic-Con, der Comic Salon Erlangen und erneut die Frankfurter Buchmesse.
Teure Hotels, geringes Personal
„Ein Teil des Problems mit der Präsenz von Verlagen ist sicher auch, dass die Hotelpreise in München nach den Corona-Jahren explodiert sind“, sagt Festivalleiter Lünstedt. „Eine weitere finanzielle Herausforderung für die Comicverlage sind zudem noch die Personalkosten und der Personalbestand.“ So sei es selbst einem in München ansässigen und sich stark im Comicbereich engagierenden Verlag wie Knesebeck in diesem Jahr nicht möglich, am langen Fronleichnam-Wochenende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „dafür zu begeistern, einen Messestand zu betreuen.“

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Besonders überrascht hat die Münchener Festivalveranstalter in diesem Jahr die Absage von Egmont. „Der Verlag wollte sich ursprünglich bei uns in einem stärkeren Maße als in den Vorjahren einbringen“, sagt Lünstedt. Es sei ein großer Messestand im Zentrum der Verlagsmesse geplant gewesen. Doch im Frühjahr sei bei der Egmont Ehapa Media GmbH, die eine Tochtergesellschaft der dänischen Egmont-Mediengruppe ist, an höchster Stelle entschieden worden, sich neu zu orientieren.
Ein Bierdeckel vom „Watchmen“-Zeichner
„Den ursprünglich für Egmont eingeplanten Bereich nutzen wir jetzt für einen großen Kindercomics-Stand, der genau wie das zugehörige Programm und der gerade in der Münchner Innenstadt aktivierte Pop-up-Store vom Verlag Edition Helden betreut wird“, erklärt der Festivalchef.
Der Panini-Verlag habe hingegen schon häufiger als Aussteller pausiert. Es sei heute im Vergleich zu früher kaum noch rentabel und möglich, namhafte Gäste gerade aus dem Programm von Verlagen wie Panini aus dem Ausland auf deutsche Comicfestivals einzuladen, sagt Lünstedt. „Umso stolzer sind wir, dass es dem ehemaligen Co-Festivalleiter Michael Kompa gelungen ist, den Watchmen-Zeichner Dave Gibbons nach München einzuladen.“ Der prominente Künstler, dessen Werke auf Deutsch bei Panini erscheinen, wird hier unter anderem mit einer Ausstellung geehrt, zudem habe er für das Festival einen exklusiven Bierdeckel gestaltet.
Vorbehalte seitens der Independent-Szene
Neben der geschrumpften Verlagspräsenz macht sich 2025 ein weiteres Mal auch die ambivalente Beziehung der Independent-Comicszene zum Münchener Festival bei dessen Programm bemerkbar. So findet am Sonnabend, dem 21. Juni, das 2019 gestartete Mini-Festival „Artzi“ mit einem halben Dutzend Veranstaltungen aus dem Indie-Bereich statt, die aber nicht Teil des offiziellen Festivalprogramms sind. Im selbstverwaltete Kunst- und Kulturraum Irrland gibt es unter anderem Lesungen mit Mikael Ross („Der verkehrte Himmel“), Noëlle Kröger („Meute“) und Nadine Redlich („Doing the Work“).
Festivalveranstalter Lünstedt über das Vorgehen einzelner Akteurinnen und Akteure der Indie-Szene nicht glücklich. „Das Programm mit den sechs Lesungen hätte problemlos unter dem Artzi-Label auch in der Alten Kongresshalle stattfinden können“, sagt er, „zumal Mikael Ross Gast des Festivals ist und mit einer Ausstellung geehrt wird.“ Er finde „diese Art der Trittbrettfahrerei ebenso ärgerlich wie peinlich“.
Das Verhältnis zwischen Artzi-Team und Comicfestival hat sich offenbar in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. „Wir hatten Artzi 2019 einen eigenen, nicht ganz kleinen Raum zur Verfügung gestellt und auch einige Slots beim Podium“, sagt Lünstedt. „In dem Raum war wenig Betrieb und es entstand bei nicht wenigen Besucher:innen der Eindruckt, dass die dort anwesenden Indie-Akteure unfreundlich waren und lieber unter sich bleiben wollten.“ Auf der anderen Seite habe es von Artzi „maßlose Forderungen“ gegeben, was die Anzahl von Podiums-Auftritten betraf.
2021 habe das Organisationsteam des Comicfestivals dann trotz Corona ein Ausstellungsfestival gestemmt, erinnert sich Lünstedt, „und ich hatte bei Artzi nachgefragt, ob sie sich beteiligen möchten, aber keine Antwort erhalten“. 2023 fand das Festival dann an einem anderen Ort statt, und zwar auf dem Gelände des Kulturzentrums HP8. „Ich musste feststellen, dass sich Artzi dort eine eigene Örtlichkeit für ein zweitägiges Parallelprogramm organisiert hatte, ohne sich mit uns abzustimmen“, sagt Lünstedt. Dies sei nun in diesem Jahr wieder passiert.
Andere Akteurinnen und Akteure der Indie-Szene sind aber auch 2025 wieder direkt auf dem Festival vertreten, wie Veranstalter Lünstedt hervorhebt: „Ein wichtiger Teil des Festivals ist die Münchner Comicszene, die mit vielen Einzelkünstler:innen wie Berrin Jost oder Maximilian Lückenhaus und den Sketch Pirates Munich als Aussteller dabei sind.“ Auch beteilige sich der Verein Comicaze am Programm, und zwar mit einer Ausstellung und einem gemeinsam mit dem Wiener Comicmagazin „Tisch 14“ organisierten Messestand im Indie-Bereich.
Und der Verein „Comic in Bayern“ sei ebenfalls mit einem eigenen Stand, Podiumsterminen und sehr vielen Independent-Künstlerinnen und -künstlern am Festival beteiligt.
Dennoch fühlen sich manche unabhängige Zeichnerinnen und Zeichnern durch das Festivalprogramm nicht vertreten. „Zumindest im Indie- und künstlerischen Comicbereich ist München eher nicht so relevant“, sagt eine Künstlerin aus der Münchener Independent-Comicszene dem Tagesspiegel. Das Festival habe manchen eine zu kommerzielle Ausrichtung. „Ich denke auch, es fehlt etwas der Einblick in Nachwuchs.“
Das Comicfestival München ist alle zwei Jahre ein lebendiger und inspirierender Treff, nicht nur für die Comic-Branche.
Sten Fink, Lektorat Carlsen Comics
Für viele andere Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Szene ist München allerdings nach wie vor ein fester Bestandteil des Event-Kalenders. „Das Comicfestival München ist alle zwei Jahre ein lebendiger und inspirierender Treff, nicht nur für die Comic-Branche“, sagt Sten Fink vom Hamburger Comic-Verlag Carlsen, der neben Klassiker-Reihen wie „Tim und Struppi“ und den „Peanuts“ sowie Manga-Bestsellern wie „Naruto“ auch viele aktuelle Comics und deutsche Eigenproduktionen veröffentlicht.
„Fans können hier ihren Lieblings-Zeichner:innen aus dem In- und Ausland begegnen und neue Künstler:innen entdecken“ sagt Fink, dessen Verlag in diesem Jahr in München neben einem großen Stand unter anderem Gastauftritte von Sylvain Runberg („Captain Future“), Bea Davies („Super-Gau“), Elric („Spirou und Fantasio Spezial“) und Reinhard Kleist („Low“) anbietet. Für Carlsen sei München alle zwei Jahre ein wichtiger Termin, der die verschiedenen Facetten der Kunstform Comic anschaulich mache und über die Szene hinaus ausstrahle.
„Für uns ist es sehr wichtig, in München mit einem Stand vertreten zu sein“, sagt auch Dirk Rehm, Gründer und Leiter des Berliner Reprodukt-Verlags, der eine Institution in Sachen Autoren-Comics ist. „Sonst fänden Comics in Deutschlands drittgrößer Stadt kaum noch statt – da müssen wir Flagge zeigen.“ Der Umsatz sei beim Comicverkauf in München zwar geringer als in Erlangen, aber immer noch „beachtlich“.
Reprodukt ist in diesem Jahr mit einem großen Stand auf dem Festival vertreten, außerdem bringt der Verlag Gäste aus Frankreich, Kanada, Spanien, Deutschland und Österreich mit, darunter Charles Berberian, Isabel Kreitz, Noëlle Kröger, Ulli Lust, Mawil und Paco Roca.
Trotz der wirtschaftlichen Beschränkungen sei es dem Festivalteam „wieder gelungen, eine große Zahl von interessanten Ausstellern nach München zu locken“, freut sich Festivalchef Lünstedt. Persönlich besonders gespannt sei er auf den Musiker Dirk Zöllner, der vor allem zu DDR-Zeiten sehr erfolgreich war. Zöllner präsentiert in München seine zusammen mit dem Maler und Grafiker Jörg Menge geschaffene, in Berlin spielende Graphic Novel „Machandeltal“ und hat an allen vier Festivaltagen auch musikalische Auftritte.
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