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Buch Criminal Deluxe Edition Band I von Sean Phillips, Ed Brubaker.
Foto: Verlag Schreiber & Leser

© Verlag Schreiber & Leser

Comicreihe „Criminal“ wird zur Amazon-Serie: Verbrechen ist ihr Geschäft

„Criminal“ von Ed Brubaker und Sean Phillips gehört seit Jahren zu den besten Comics und Krimis. Auf Deutsch startet nun eine Neuausgabe, eine Streaming-Adaption ist in Arbeit.

Stand:

US-Autor Ed Brubaker kennt man für eine lange Saga in den „Captain America“-Comics bei Marvel, wo er die Figur Bucky Barnes erstmals zum Winter Soldier machte, der sich heute besonders im Marvel Cinematic Universe großer Beliebtheit erfreut.

Aber der 1966 geborene Brubaker verfasste auch denkwürdige Comics mit Batman, Catwoman, den Cops aus Gotham, Daredevil oder Iron Fist. Dazu kommen eigenständige Serien wie „Kill or be Killed“, „Fatale“, „The Fade Out“ und „Reckless“.

Einen Großteil seiner Werke abseits von Marvel und DC hat Brubaker mit dem britischen Zeichner Sean Phillips realisiert, der in seiner Karriere davor „Hellblazer“, „Marvel Zombies“, „Kingpin“, „Black Widow“, „Kid Eternity“, „Wildcats“ und allerhand Storys über Judge Dredd illustrierte.

Eine Szene aus der deutschen Ausgabe von „Criminal“.

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Ein Dream Team

1999 arbeiteten die beiden erstmals am Hardboiled-Krimi „Scene of the Crime“ für Vertigo zusammen, den Phillips tuschte. 2002 präsentierten er und Brubaker dann die Alternativweltgeschichte „Batman: Gotham Noir“ um Jim Gordon als Privatdetektiv – eine lupenreine Hommage an Autor Raymond Chandler und Schnüffler Philip Marlowe.

Zwischen 2002 und 2004 inszenierten Brubaker und Phillips die finstere Supergeheimagenten-Comicserie „Sleeper“, die Fans von „The Boys“ Freude bereiten dürfte. Mit „Sleeper“ wurden die Macher zum Dream Team des grafischen Erzählens.

Währenddessen startete Marvel 2004 das Icon-Imprint für frische Top-Titel, deren Rechte bei ihren Schöpfern blieben. Unter diesem Label erschien zum Beispiel „Kick-Ass“ von Mark Millar und John Romita Jr. – und ab 2006 eben auch „Criminal“ von Ed Brubaker und Sean Phillips. Später wechselte die Serie zum Image-Verlag.

Das „Sleeper“-Duo schuf mit viel Gespür für den traditionsreichen Noir aus Literatur wie Film eine der besten Krimi- und Comicserien. Gleichzeitig sollte „Criminal“ die wichtigste und umfangreichste unter ihren vielen Gemeinschaftsarbeiten werden.

Dass Brubaker und Phillips auf einer Wellenlänge liegen, spürt man bei „Criminal“ in jeder stimmigen Szene, auf jeder packenden Seite.

 Mit drei Eisner Awards ausgezeichnet: Eine weitere Szene aus „Criminal“.

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Gerade ist in den USA mit „The Knives“ ein neuer, 200 Seiten starker „Criminal“-Band herausgekommen – Brubaker und Phillips serialisieren ihre Comics seit Corona nicht mehr vorab in Heftform.

Auf Deutsch liegt seit Mitte August ein erster großer, dicker Hardcover-Sammelband bei Schreiber & Leser vor. Der vereint die ersten drei US-Paperbacks beziehungsweise früheren Panini-Bände, eine Kurzgeschichte für den Comic Book Legal Defense Fund, einen Comic-Trailer und einiges an Bonusmaterial. In Sachen Aufmachung und Ausstattung bleiben keine Wünsche offen.

Hier geht es nicht um die Polizei

Die mit drei Eisner Awards ausgezeichnete „Criminal“-Saga besticht als gekonnt geschriebene, bockstark gezeichnete und kolorierte Noir-Serie über Berufsverbrecher – um die allgegenwärtigen Polizisten im ermittelnden Sinn geht es nie.

In den unterschiedlich langen, divergent strukturieren Storys rotieren mehrere Zeitebenen und Figuren, als Gravitationszentrum dienen jedoch zwei Generationen der Verbrecher-Familie Lawless samt Komplizen.

Der Zeichenstil von Sean Phillips ist inspiriert von alten Noir-Krimis.

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Der erste Sammelband behandelt einen smarten Dieb, einen Überfall auf einen Polizeitransporter, korrupte Cops, einen Kriegsveteran auf Rachefeldzug in der Heimat, den gesetzlosen Vater und den kriminellen Bruder jenes Soldaten, den Gangsterboss der Stadt Center City, einen Boxer und mehrere schöne Frauen im Pech, und natürlich das Undertow, die Stammkneipe vieler Verbrecher in „Criminal“.

In späteren Bänden werden noch junge Einbrecher und Ganoven, Comickunstdiebe und Junkies in der Entzugsklinik dazu kommen, Nebenfiguren und Randfiguren immer wieder zu Protagonisten. Außerdem warten Referenzen auf Marvels Conan-, Horror- und Kung-Fu-Comicmagazine der 1970er, und auf die „Archie“-Kleinstadtcomics, die erst einige Jahre nach „Criminal“ in der TV-Serie „Riverdale“ ähnlich erwachsen adaptiert werden sollten.

Ed Brubaker trifft den Ton seiner kriminellen Figuren in den Textkästen und Dialogen perfekt. Sound, Atmosphäre, Spannung, Coolness und Action sind genau so, wie sie in solchen Krimis sein müssen, wobei die Verbrecher sich meist ihr eigenes Grab schaufeln, das Glück nie lange festhalten können, von der Vergangenheit und alten Sünden eingeholt werden.

Demnächst soll eine Verfilmung von „Criminal“ bei Amazon Prime starten, in den Hauptrollen spielen Charlie Hunman („Sons of Anarchy“), Emilia Clarke („Game of Thrones“) und Luke Evans („Fast & Furious 8“). 

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Das kantige, schmutzige Artwork von Sean Phillips scheint wiederum wie dafür gemacht, diese düsteren, harten Krimi-Episoden auf sequenzielle Art auszugestalten, dabei die visuelle Sprache alter Noir-Krimis zu kanalisieren, ob Taschenbuch-Cover oder Hollywood-Film.

So bauen die Comicmacher ein großes Mosaik aus in sich abgeschlossenen Krimi-Erzähleinheiten, dessen vollständige Brillanz sich spätestens entfaltet, wenn man die Serie nach 20 Jahren möglichst dicht beisammen liest. Die Kreativen haben für das Prunkstück ihres Schaffens stets eine Vision gehabt, und der rote Faden erstreckt sich durch drei Dekaden.

Mehrfaches Lesen lohnt sich also bei Brubaker und Phillips, zwei Meisterdieben von Lesezeit. „Criminal“ ist als Comic wie als Noir so gut, dass man es im Grunde gar nicht oft genug lesen kann. Diese Geschichten sind große Krimiliteratur.

Neue Comics und eine Prime-Serie

Die Bekanntheit des Stoffes könnte sich bald noch einmal steigern, da bei Amazon Video eine Adaption als Streaming-Serie starten wird, mit Charlie Hunman („Sons of Anarchy“), Emilia Clarke („Game of Thrones“) und Luke Evans („Fast & Furious 8“) in den Hauptrollen, und Krimiautor Jordan Harper („The Mentalist“) als Showrunner.

Der zweite Band der „Criminal Deluxe Edition“ soll Anfang 2026 bei Schreiber & Leser folgen. Sean Phillips und Ed Brubaker arbeiten nach „The Knives“ laut Newsletter des Autors gegenwärtig zudem wohl an einem Comic-Weihnachtsspecial.

Es scheint, als würden die Pausen zwischen den „Criminal“-Comics im Schatten der Amazon-Adaption wieder kürzer. Jetzt ist daher der beste Zeitpunkt, mit der Vorlage anzufangen. Es wäre ein Verbrechen, diese Krimis nicht zu lesen.

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