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Versteckt in Mitte: Auszug aus einer Arbeit von Alexandra Ruegler und Augusto Paim.

© Illustration: Ruegler

Comicreportagen aus dem Museum für Kommunikation Berlin: Im Spiegel der Mieten

16 Künstler und Reporter haben in einem Workshop gemeinsam Comicreportagen zum Thema Wohnen in Berlin erarbeitet. Wir stellen eine Auswahl der Ergebnisse vor.

Sie führen vor Augen, mit welchen Methoden illegales Geld in Berliner Immobilien angelegt wird. Sie treffen Rentner, die seit Jahrzehnten in einer Kreuzberger Wohnanlage leben und sich mit Mitte 80 erstmals politisch engagieren, indem sie die Proteste gegen Immobilienkonzerne wie die Deutsche Wohnen unterstützen. Sie interviewen die letzten verbliebenen Bewohner eines ehemaligen Schwesternheims in Zehlendorf, das die Eigentümer nach einem Brand abreißen lassen möchten.

Das sind drei von acht Reportageprojekten, die vor einigen Wochen bei einem Workshop im Museum für Kommunikation Berlin in der Leipziger Straße in Mitte entstanden sind. Die Ergebnisse waren am vergangenen Wochenende in der gedruckten Ausgabe des Tagesspiegels in Auszügen vorgestellt worden - hier gibt es ein PDF der Doppelseite.

Anders als im Journalismus meist üblich haben sich in diesen Fällen aber nicht schreibende Reporter und Fotografen zusammen auf Recherche begeben, sondern für die bildliche Umsetzung waren Illustratoren zuständig.

„Es gibt kaum Bilder zu diesem Thema“

Acht Comicreportagen sind das Ergebnis, von dem der Tagesspiegel hier eine Auswahl vorstellt. Das Schwerpunktthema war vom Tagesspiegel zusammen mit den Workshopveranstaltern festgelegt worden: Wohnungspolitik und Stadtentwicklung.

Die Kunst der Verdichtung: Auszug aus einer Arbeit von Peter König und Leonie Ott.
Die Kunst der Verdichtung: Auszug aus einer Arbeit von Peter König und Leonie Ott.

© Illustration: Leonie Ott

„Mit Comicreportagen kann man Problemlagen anders erzählen und auf besondere Weise zugänglich machen“, sagt Jonas Seufert, freier Journalist und Mitarbeiter des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv. Er hatte sich zusammen mit Comiczeichnerin Lisa Frühbeis in dem Workshop das Thema Schwarzgeldwäsche durch Immobilienkäufe vorgenommen. Zu dem Thema hat er bereits zuvor viel recherchiert und veröffentlicht. Aber erst mit den Mitteln des Comics lassen sich manche der Sachverhalte auch visuell darstellen.

„Es gibt kaum Bilder zu diesem Thema“, sagt Zeichnerin Frühbeis. Gemeinsam haben der Journalist und die Illustratorin Vorgänge sichtbar gemacht, die sonst im Verborgenen stattfinden. Und das mit Humor aufgelockert: Ein Geldwaschbär, ein enger Verwandter des gemeinen Waschbären, ist eine der Nebenfiguren des ansonsten betont sachlich gehaltenen Comics und freut sich über jede frisch legalisierte Geldmenge.

Inspiriert von Joe Sacco und Patrick Chappatte

Jedes Projekt wurde auf eine andere, zum Thema passende Weise umgesetzt. Ein Team nahm an Besichtigungen von besonders gefragten Mietwohnungen teil und zeichnete hinterher mit tiefschwarzer Tinte einen hochformatigen Comic in Form eines Treppenaufgangs, in dem sich die Menschen wie Sardinen drängen.

Ein Journalist und eine Zeichnerin besuchten ein ehemals besetztes Haus in Mitte, dessen Bewohner sie in ihre privaten Räume ließen und von ihren Zukunftsängsten angesichts der Veränderungen der Innenstadt sprachen, was danach in stimmungsvollen Bleistiftbildern umgesetzt wurde.

Und in einem Comic werden bunt bemalte Kreuzberger Häuser zu Akteuren und sprechen die Leser direkt an.

Manöverkritik: Einige der Teilnehmenden des Workshops, den Sascha Hommer und Lilian Pithan (3. u. 4.v.l.) leiteten.
Manöverkritik: Einige der Teilnehmenden des Workshops, den Sascha Hommer und Lilian Pithan (3. u. 4.v.l.) leiteten.

© Lars von Törne

In comicaffinen Ländern wie Frankreich und den USA sind gezeichnete Bildreportagen schon länger etabliert, sie erscheinen in spezialisierten Zeitschriften oder Tageszeitungen. Die Vorreiter des Genres wie Joe Sacco aus den USA oder der Schweizer Patrick Chappatte, der lange auch für die „New York Times“ Karikaturen gezeichnet hat, haben gezeigt, dass auch komplexe politische Themen mit den Mitteln des Comics anschaulich vermittelt werden können.

„Das Alphabet des Ankommens“

Einen aktuellen Überblick gibt die Ausstellung „Zeich(n)en der Zeit – Comic-Journalismus weltweit“, die bis vergangene Woche im Museum für Kommunikation Berlin zu sehen war. Kuratiert haben sie die Journalistinnen Lilian Pithan und Nathalie Frank.

Pithan leitete zusammen mit dem Comiczeichner Sascha Hommer auch den Workshop, bei dem die hier zu sehenden Arbeiten entstanden. Sie ist zudem Gründerin und Redakteurin des deutsch-arabischen Kulturmagazins „Fann“ und hat für den Deutschen Comicverein wiederholt Comicjournalismus-Workshops geleitet.

2017 hat sie das erste größere Projekt dieser Art in Deutschland initiiert: Das „Alphabet des Ankommens“, bei dem 24 Journalisten und Zeichner aus zehn Ländern Comicreportagen über Migration erarbeitet haben. Das dabei entstandene Buch gehört inzwischen zum Programm der Bundeszentrale für politische Bildung.

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