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Der Comicheld „Bionicman“ und sein Team, erdacht vom Schweizer Michel Fournasier. Er trägt selbst eine bionische Handprothese und besucht als Superheld verkleidet Schulen, wo er Kinder gegen Mobbing mobilisieren will.

© Bild: ICON Comics

Ein Superheld fürs Selbstbewusstsein: „Bionicman“ kämpft für Inklusion und Diversity

Der Schweizer Michel Fornasier macht als Superheld mit bionischer „Super“-Prothese aus seiner Schwäche eine Stärke. Mit seinen Comics will er Kinder vor Mobbing schützen.

Wenn Superheld Bionicman erscheint, geht es dem bösen Dr. Mobbing an den Kragen. In mittlerweile drei Bänden versammelt Michel Fornasier, Erfinder und Autor der „Bionicman“-Reihe seit 2018 zahlreiche Abenteuer des Helden, der sich für mehr Toleranz, Teilhabe und Achtsamkeit in der Welt einsetzt. Vor allem Kindern, aber auch Tieren und Erwachsenen kommt er in misslicher Lage zur Hilfe. Mit seinen Comics, gezeichnet vom Schweizer Comicautor David Boller, will Fornasier Kindern Mut machen gegen Mobbing - und sie dafür sensibilisieren, dass jede Form des „Andersseins“ in Ordnung ist.

„Alle Figuren in den Geschichten haben reale Vorbilder“, erzählt der 44-jährige Schweizer. Dies beziehe die Kinder mit ein und mache sie, wenn sie sich selbst darin wiederfänden, natürlich auch stolz. Außerdem, so Fornasier, halte er jede Form von Gewalt aus den Comics heraus. „Ich will Kindern damit gewaltfreie Alternativen für Konfliktsituationen aufzeigen“, sagt Fornasier.

Jedes zehnte Kind an deutschen Schulen erfährt Mobbing

Wie wichtig Fornasiers Arbeit ist, zeigen die seit Jahren wachsenden Mobbing-Zahlen an Schulen. Etwa jedes zehnte Kind in der Schweiz erfährt dort Mobbing. In Deutschland erleben laut einer Bertelsmann-Studie von 2019 mehr als die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen an Schulen Ausgrenzung, Hänseleien oder sogar körperliche Gewalt, etwa ein Viertel fühlt sich dort nicht sicher. Während der Corona-Pandemie hat Cybermobbing deutlich zugenommen.

Der Erlös der Comics fließt laut Fornasier komplett in seine Stiftung „Give CHILDREN a Hand“, die Kindern im Alter zwischen fünf und zehn Jahren neue Arm- oder Handprothesen finanziert. Das Besondere daran: Die Kinder designen die Prothesen selbst mit. „Wir haben zum Beispiel ,Elsa’-Hände gemacht, mit viel Glitzer“, erzählt Fornasier stolz. Bisher hätten Dutzende Kinder über die Stiftung eine Prothese erhalten, sagt Michel Fornasier.

Im Einsatz. Michel Fornasier zieht regelmäßig ein Superhelden-Kostüm an und zeigt Kindern an Schulen, dass eine vermeintliche Schwäche eine Stärke sein kann - eine „Superkraft“.
Im Einsatz. Michel Fornasier zieht regelmäßig ein Superhelden-Kostüm an und zeigt Kindern an Schulen, dass eine vermeintliche Schwäche eine Stärke sein kann - eine „Superkraft“.

© Foto: Give Children a Hand

Doch nicht nur im Comic, auch in der Realität ist Fornasier aktiv für Mobbing-Prävention. Regelmäßig zieht er selbst ein Superhelden-Trikot an und geht als Bionicman an Schweizer Schulen, Kinderkrankenhäuser und Sportcamps auf „Rise & Be Nice Tour“.

Auch Fornasiers persönliche Erfahrungen bieten Stoff für Bionicmans Abenteuer

Mit den Kindern spricht er zum Beispiel darüber, was man gegen Mobbing tun kann. Das Markenzeichen der Heldenfigur mit dem großen gelben „M“ auf der Brust ist seine bionische Handprothese am rechten Arm - die ihm seine Superkräfte erst verleiht. Seit etwa vier Jahren ist Fornasier, der zuvor im Bankwesen und bei verschiedenen NGOs tätig war, als Bionicman für seine Stiftung unterwegs. Die Motivation für sein Engagement zieht er zu einem guten Teil aus eigenen Erlebnissen. Geboren ohne rechte Hand, erlebte er als Jugendlicher selbst Mobbing und schämte sich für seine Beeinträchtigung.

Er weiß also, wie Mobbing sich anfühlen kann - und zeigt den Kindern beispielhaft, dass eine vermeintliche Schwäche oft eine Stärke ist - eine „Superkraft“, wie er es nennt. Ein Highlight seiner Besuche ist das Händeschütteln der Kinder mit der futuristisch aussehenden bionischen Prothese, die Fornasier fast so bewegen kann wie eine natürliche Hand. 25 Griffmuster kann sie ausführen. Unter der teiltransparenten Oberfläche erkennt man die Mechanik, die die Finger bewegt. Das habe er sich so gewünscht, sagt Fornasier - „damit die Robotik sichtbar ist“.

Der Tag, an dem er als Siebenjähriger seine erste Prothese erhalten sollte, erscheint Fornasier heute wie ein Horrorfilm. „Das war sehr erschreckend, weil in der Praxis des Orthopädietechnikers überall künstliche Körperteile herumlagen“, erinnert er sich. Er bekam eine hautfarbene Prothese, eine von der Sorte, die den fehlenden Körperteil imitieren, aber nicht bewegt werden können. Dieses Erlebnis sei sicher eine Motivation dafür gewesen, Kindern Prothesen zu ermöglichen, die bunter und weniger beängstigend seien, sagt er.

Nur wenige Menschen tragen in der Schweiz die teure bionische Prothese

Fornasiers Leben mit der bionischen „Super“-Prothese und damit seine „Geburt“ als Superheld begann 2014, nachdem er im Fernsehen eine Sendung mit dem deutschen Sozialpsychologen Bertolt Meyer gesehen hatte, der eine mit dem Smartphone gekoppelte und über Muskelimpulse steuerbare Armprothese trägt. „Ich wusste gleich: So eine Prothese möchte ich auch“, erzählt Michel Fornasier.

Von der Beantragung bis zum ersten Anprobieren habe es etwa neun Monate gedauert. Dass man einen langen Atem braucht, um die etwa 55 000 Euro teure Hightech-Prothese bei der Krankenkasse zu begründen, schrecke viele ab, sagt Fornasier. Andere zögen einen einhändigen Alltag dem mit Prothese ganz vor. „In der Schweiz tragen etwa zwölf Personen so eine bionische Hightech-Prothese“, sagt Michel Fornasier.

Eine Seite aus dem aktuellen „Bionicman“-Comic, erdacht vom Schweizer Michel Fournasier. Zu seinem Super-Team gehören neuerdings die Heldin Bionica, ein Super-Hund und eine Super-Katze.
Eine Seite aus dem aktuellen „Bionicman“-Comic, erdacht vom Schweizer Michel Fournasier. Zu seinem Super-Team gehören neuerdings die Heldin Bionica, ein Super-Hund und eine Super-Katze.

© Bild: ICON Comics

Wie die klassischen Superhelden im Comic gibt auch Michel Fornasier aka Bionicman seine Superkräfte weiter. In den sozialen Medien künden zahlreiche Posts über Schulbesuche, neue Comicseiten und Medienberichte von seinem Erfolg. In diesem Jahr trat er laut eigenen Angaben schon bei über 50 Veranstaltungen auf. Auch das Comic-Team um Bionicman wächst: Seit dem letzten Band wird er unterstützt von der Superheldin Bionica und dem Super-Hund Biog. Ab dem nächsten Band, der im Herbst erscheinen soll, wird das Team komplett mit der Super-Katze Biau.

Wäre die Realität eine Superhelden-Geschichte, dürften Kinder, Tiere und Erwachsene aufatmen. Bei so vielen Helden hätten die Schurken dieser Welt kaum noch eine Chance.

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