
© Katharina Greve
Katharina Greves Hommage an „Vater und Sohn“: „Ein sehr warmherziger Comic in einer sehr kalten Zeit“
Die Berliner Zeichnerin Katharina Greve ließ sich für ihren neuen Online-Comic von einem Klassiker der Bilderzählung inspirieren. Hier erzählt sie, wie es dazu kam und was das Publikum erwartet.
Stand:
Die wortlosen Bildergeschichten, die der Zeichner Erich Ohser in den 1930er Jahren unter dem Titel „Vater und Sohn“ veröffentlichte, sind ein Klassiker der modernen Bilderzählung. Auch rund 90 Jahre nach ihrer ersten Veröffentlichung werden die humanistischen Alltagsepisoden des 1944 von den Nationalsozialisten in den Suizid getriebenen Künstlers international geschätzt. In den vergangenen Jahren gab es bereits einige Neuinterpretationen durch zeitgenössische Künstler.
Jetzt hat die Berliner Cartoonistin und Comiczeichnerin Katharina Greve eine neue Online-Comicreihe gestartet, die als Hommage an den Klassiker angelegt ist: „Meine Geschichten von Mutter und Tochter“. Am 25. Februar ist die erste Episode auf einer eigens dafür eingerichteten Website erschienen, bis zum Herbst 2025 soll jede Woche eine weitere Episode hinzukommen.
Katharina Greve, Jahrgang 1972, hat sich in den vergangenen Jahren als Cartoonistin und Comiczeichnerin einen Namen gemacht. Ihre tagespolitischen Karikaturen erscheinen unter anderem in der „Süddeutsche Zeitung“ und der Zeitung „Neues Deutschland“. Dafür wurde sie 2021 und 2024 mit dem Branchenpreis „Geflügelter Bleistift“ in Bronze beim Deutschen Karikaturenpreis ausgezeichnet.

© Katharina Greve
Seit gut 15 Jahren zeichnet die diplomierte Architektin außerdem Comics, ihr Werk umfasst unter anderem die Graphic Novels „Ein Mann geht an die Decke“, „Patchwork – Frau Doktor Waldbeck näht sich eine Familie“ und „Hotel Hades“.

© Katharina Greve
Dazu kommen mehrere Sammlungen von fortlaufenden Comicreihen wie „Die letzten 17 Tage der Plüm“ (ursprünglich in der „Taz“ veröffentlicht) und „Die dicke Prinzessin Petronia“ (Erstveröffentlichung in „Das Magazin“) Ihr aktuelles Buch „Prinzessin Petronia – Das Brimborium schlägt zurück“ ist im vergangenen Jahr beim Berliner Avant-Verlag erschienen.
Erfahrungen mit längeren Online-Comics hat sie unter anderem vor knapp zehn Jahren mit dem Projekt „Das Hochhaus“ gesammelt: Darin fügte sie Woche für Woche einem Gebäude eine weitere Etage hinzu und siedelte darin eine Episode an, in der Alltagsthemen und Politisches kommentiert wurden. Nach knapp zwei Jahren schloss sie das Projekt mit dem 102. Stockwerk ab, es wurde 2016 beim Internationalen Comic-Salon Erlangen als bester deutschsprachiger Comic-Strip ausgezeichnet. Im Kurzinterview stellt Greve ihr neues Projekt vor.
Katharina Greve, wie ist die Idee entstanden, einen Comic als Hommage an „Vater und Sohn“ zu zeichnen?
Nachdem ich mit dem Comic-Strip „Prinzessin Petronia“, den ich seit 2015 für die Zeitschrift „Das Magazin“ zeichne, ein weibliches und zeitgemäßes Pendant zum „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry geschaffen habe, war es einfach an der Zeit, einen weiteren Klassiker neu zu beleben.
Auf „Vater und Sohn“ lassen Sie jetzt „Meine Geschichten von Mutter und Tochter“ folgen. Wieweit ähneln sich die beiden Paare?
Gleich ist den beiden Paaren die Kreativität, gewürzt mit einer Prise Anarchie, mit der sie den Tücken des Alltags begegnen.
Was sind die wichtigsten Unterschiede, die das Publikum in den kommenden Wochen erleben wird?
Der größte Unterschied ist wohl, dass die Mutter ihre Tochter nicht schlägt. Viele der Gags der Vater-und-Sohn-Comics basieren darauf, dass in den 1930er Jahren die Prügelstrafe vollkommen normal war.
Was schätzen Sie als Comiczeichnerin besonders an Erich Ohsers Werk?
Ich schätze besonders, dass er einen – trotz der Prügelstrafe – sehr warmherzigen Comic in einer sehr kalten Zeit geschaffen hat.
Sie sind mit dem Comic aufgewachsen, schreiben Sie auf Ihrer Website. Was hat Sie als Kind daran besonders angesprochen?
Ich fand es toll, dass ich die Geschichten lesen konnte, bevor ich lesen konnte.

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Was ist rund 90 Jahre nach dem Erscheinen von „Vater und Sohn“ die zeitlose Botschaft der Reihe, die Sie auch in Ihrer Interpretation vermitteln wollen?
Ich denke, der Kern ist, dass man mit Verstand und Fantasie auch prekären Situationen Witz und Freude abgewinnen kann.
Auf welchen Zeitraum ist die Online-Hommage angelegt und was ist inhaltlich unter anderem zu erwarten?
Der Webcomic soll 33 Folgen haben und bis Anfang Oktober laufen. Es wird einen Inlineskating-Unfall geben, die beiden behaupten sich gegen einen ignoranten Kellner und die Mutter macht die Tochter stark für den Kampf der Geschlechter – also lauter sehr alltägliche Abenteuer.
Wird es „Meine Geschichten von Mutter und Tochter“ irgendwann auch in gedruckter Form oder als Buch geben?
Ein Buch ist natürlich nicht ausgeschlossen. Aber erstmal denke ich online. Da der Comic ohne Worte auskommt, überwindet er alle Sprachbarrieren. Darum ist das Internet einfach das ideale Medium für diese Geschichten.
So einen Comic zu zeichnen und zudem eine eigene Website dafür anzulegen und zu pflegen ist ein großes Stück Arbeit. Lässt sich das neben der Tätigkeit als Karikaturistin ehrenamtlich stemmen, oder wie finanziert sich das Projekt?
Ich hoffe, dass ich die Homepage über Spenden finanzieren kann. Das habe ich noch nie probiert und teste nun, ob es funktioniert.
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