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Titelbild von „New York: The Big City“. 

© DC Comics

Will Eisner (1917 – 2005): Licht und Schatten von New York

Will Eisner war ein Wegbereiter des modernen Comics. Und er setzte seiner Heimatstadt und ihren Bewohnern ein gezeichnetes Denkmal. Vor 20 Jahren ist er gestorben.

Stand:

Was für eine Reaktion er sich vorstelle, wenn er an seine Leser denke, wurde der Zeichner Will Eisner einmal von seinem Kollegen Frank Miller gefragt. Die Antwort: „Ich will einen Schluchzer hören.“

In seinen Geschichten gehe es um Schicksale von Menschen, um ihre täglichen Kämpfe, da wolle er das Publikum sagen hören: „Ja, verdammt, ich verstehe, was du sagst.“

Will Eisner, 1917 als Sohn aus Europa eingewanderter Juden in Brooklyn zur Welt gekommen und am 3. Januar 2005 in Florida gestorben, war ein begnadeter Geschichtenerzähler und ein meisterhafter Zeichner.

Oft reichten ihm einige wenige Einzelbilder, um eine komplexe Kurzgeschichte zu schaffen, für die andere viele Seiten gebraucht hätten. Sein feiner Strich, mit dem er Menschen und Gebäude nahezu realistisch und doch mit einem persönlichen, manchmal karikierenden Akzent zeichnete, ist unverwechselbar.

Träume von besseren Zeiten. Eine Seite aus Will Eisners Großstadt-Chronik „Dropsie Avenue“.

© Illustration: Eisner/Carlsen

Vor allem war er ein Chronist des Großstadtlebens, der seine New Yorker Alltagsbeobachtungen gekonnt verdichtete. Die Mini-Dramen erzählen von Einwanderern und Glücksspielern, jungen Liebhabern und alten Ehepaaren, Großfamilien und Einzelgängern. Sie alle verbindet die Hoffnung auf ein besseres Leben – und das oft erfolglose Streben danach.

„Bienenkorb aus Beton und Stahl“

In den USA wird er seit langem als Pionier des anspruchsvollen Erwachsenencomics gefeiert. Seine Kurzgeschichte „Ein Vertrag mit Gott“ gilt als Wegbereiter der modernen Graphic Novel – und die wichtigste Comicauszeichnung der USA ist nach Will Eisner benannt.

Voll das Leben: Eine Szene aus Eisners Erzählung „So läuft das Spiel“.

© Carlsen

In Deutschland bekam sein Werk in den vergangenen Jahren zumindest etwas mehr Aufmerksamkeit, unter anderem durch eine von Alexander Braun kuratierte Ausstellung, die von der Veröffentlichung einer umfangreichen Monografie begleitet wurde: „Will Eisner – Graphic Novel Godfather“.

In der Großstadt, diesem „Bienenkorb aus Beton und Stahl“, fand Eisner in den 1940er und 50er Jahren die Inspiration für seine Zeitungsserie „The Spirit“, die zugleich Krimi- und Liebesgeschichte, Horror, Drama und Komödie war.

Der Pate des anspruchsvollen Comics: Will Eisner auf einer Doppelseite aus der Monografie „Will Eisner – Graphic Novel Godfather“.

© avant

1978 veröffentlichte er autobiografisch geprägte Kurzgeschichten, wie „Ein Vertrag mit Gott“, die eine im Comic unbekannte literarische und künstlerische Qualität erreichten. In der Titelgeschichte hadert ein Mann nach einem Schicksalsschlag mit Gott – Eisners Versuch, den Tod der eigenen Tochter zu verarbeiten.

Es folgten etliche Erzählungen, die oft melancholisch das Leben der kleinen Leute in den Mietskasernen der Bronx, Brooklyns und Manhattans schilderten. Jenen „Dampfern in einem Ozean aus Zement“, wie Eisner sie nannte, die seinen Blick auf die Welt bestimmten: „In meinen Zeichnungen setze ich das Licht entweder von oben oder von unten ein, denn in einer Stadt wie New York kommt es immer von oben oder von unten.“

Die Gebäude New Yorks waren für Eisner beseelte Orte, „von Lachen erfüllte und von Tränen verwaschene Bauwerke“, so schreibt er im Vorwort zur Erzählung „The Building“. Er könne sich nicht vorstellen, „dass sie als Teil des Lebens nicht auch etwas von der Wirkung der zwischenmenschlichen Beziehungen absorbiert haben“.

(Redaktioneller Hinweis: Dieser Text wurde 2011 erstmals im Tagesspiegel veröffentlicht und jetzt aus aktuellem Anlass leicht überarbeitet.)

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