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© dpa

Comicserie: "So religiös wie Spider-Man"

Der Kuwaiter Naif al-Mutawa hat mit "The 99" eine Welt der islamischen Superhelden geschaffen. Jetzt gibt es bald die Fernsehserie dazu.

Vor sechs Jahren hatte der Kuwaiter Naif al-Mutawa die Idee, eine Comicserie mit dem Titel „The 99“ zu entwickeln, in Anlehnung an die 99 Namen Gottes im Islam. Jeder dieser Namen bezeichnet nämlich eine Eigenschaft, wie zum Beispiel „Der Wachsame“ oder „Der Gerechte“, die sich nicht nur auf Allah, sondern auch auf Superhelden anwenden lässt.  Inzwischen arbeitet der internationale TV-Konzern Endemol, der durch Formate wie „Big Brother“ und „Wer wird Millionär?“ bekannt wurde, an einer Fernseh-Zeichentrickserie, die auf "The 99" basiert. 26 Episoden sind geplant. Zunächst wird auf Englisch und Arabisch produziert. Die talienische Firma Panini, die unter anderem mit Superhelden-Comics und Sammelbildchen ihr Geld verdient, will die Comics, die bereits in zahlreichen arabischen Staaten, in Indonesien, Indien und den USA vertrieben werden, ab September auch in der Türkei verkaufen. In Kuwait wurde vor gut zwei Monaten der erste „The-99"-Freizeitpark eröffnet.

Wenn Al-Mutawa aus dem Fenster seines Büros in der elften Etage eines Hochhauses im Zentrum von Kuwait-Stadt blickt, sieht er inmitten von modernen Glas-Stahl-Konstruktionen ein Stück Wüste. Nur einige kleine alte Steinplatten ragen aus dem Sand. Es ist ein Friedhof, der einst am Rande einer sehr bescheidenen Stadt lag, die durch den Öl-Boom in den vergangenen vier Jahrzehnten rasant gewachsen ist. Heute liegen die Toten, die nach islamischer Vorstellung nicht umgebettet werden sollen, mitten im Stadtzentrum. Al-Mutawa ist ein frommer Muslim und ein moderner Weltbürger, der sich in New York genauso gut zurechtfindet wie in Dubai oder Amman. Mit seinen Comics will der Vater von fünf Söhnen „positive islamische Vorbilder“ für muslimische Kinder schaffen. Trotzdem geht es in seinen Comic-Geschichten vordergründig überhaupt nicht um Religion. „The 99 ist ungefähr genauso religiös wie Spider-Man“, erklärt der 37 Jahre alte Geschäftsmann. Den islamischen Touch entdeckt nur, wer ganz genau hinschaut. Viele der 99-Superhelden, die nach den überall auf der Welt verstreuten Steinen der Weisheit aus Bagdad suchen, stammen aus der islamischen Welt. Da ist „Jabbar, der Mächtige“ aus Saudi-Arabien, und Rola Hadrami, die schwarz verschleierte Kämpferin aus dem Jemen. Doch zu den Helden gehören auch ein amerikanischer Rollstuhlfahrer namens John und ein Erfinder aus Ungarn. „Vom ersten Tag an habe ich diesen Comic auch mit Blick auf den amerikanischen und europäischen Markt und für die Leser in Japan und China konzipiert“, erklärt Al-Mutawa.

Die Helden des Kuwaiters kämpfen nicht gegen „Ungläubige“, sondern gegen diejenigen, die „Weisheit und Wissen“ vernichten wollen. Die Action-Story hat ein historisches Fundament - sie beginnt mit der Eroberung Bagdads durch die Mongolen im Jahr 1258 - und einen philosophischen Überbau, der aber dezent genug mit der Geschichte verwoben ist, um die Action-Freunde nicht zu stören.
Für Al-Mutawa, der mit dem Schreiben von Kinderbüchern begonnen hatte, ist „The 99“ gleichzeitig Geschäft und Kampf für eine bessere Welt. Denn die Untiefen von Intoleranz, Diktatur und Grausamkeit hat der studierte Psychologe hautnah kennengelernt, als er in den 90er Jahren in den USA traumatisierte Folteropfer behandelte. Einige von ihnen stammten aus dem Irak. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass die Comicfigur Dr. Ramzi, die in „The 99“ als Wissenschaftler auf der Suche nach den „magischen Edelsteinen“ geht, mit Bart, Brille, Krawatte und Anzug fast genauso aussieht wie der umtriebige Dr. Mutawa selbst. dpa

Anne-Beatrice Clasmann

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