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Kultur: Das Doppelwohnhaus von Wassily Kandinsky und Paul Klee erstrahlt in neuem Glanz

Damit das Bauhaus nach Dessau zog - beim "Tanz der deutschen Städte um das Goldene Bauhaus", wie Oskar Schlemmer, selbst Meister, 1925 amüsiert schrieb -, offerierte die Kommune nicht nur ein Grundstück für das Lehrgebäude in bester Lage, sondern darüber hinaus eine unbebaute, licht bewaldete Fläche für eine Mustersiedlung. So konnte Bauhaus-Gründer und -Leiter Walter Gropius seine Vorstellung vom "neuen bauen" erstmals kompromisslos verwirklichen.

Damit das Bauhaus nach Dessau zog - beim "Tanz der deutschen Städte um das Goldene Bauhaus", wie Oskar Schlemmer, selbst Meister, 1925 amüsiert schrieb -, offerierte die Kommune nicht nur ein Grundstück für das Lehrgebäude in bester Lage, sondern darüber hinaus eine unbebaute, licht bewaldete Fläche für eine Mustersiedlung. So konnte Bauhaus-Gründer und -Leiter Walter Gropius seine Vorstellung vom "neuen bauen" erstmals kompromisslos verwirklichen. Er entwarf die vier "Meisterhäuser": das erste als Einzelhaus für den Direktor, die drei übrigen als Doppelhäuser für jeweils zwei der Bauhaus-Meister. Die Stadt Dessau finanzierte den Bau, die Bauhäusler wohnten zur Miete. Baukosten und Mietzins lagen, da es sich um aufwändige und repräsentative Privathäuser handelte, um ein Mehrfaches über dem, was Gropius beispielsweise in der bald darauf entstehenden Siedlung Dessau-Törten veranschlagte.

Es entstanden die prototypischen Bauten der "weißen Moderne", die jedes Lehrbuch mit den zeitgenössischen Fotografien etwa von Lucia Moholy illustriert. Kantig, kubisch und vor allem weiß: So erscheinen die Bauten auf den Abbildungen, und es sind diese Elemente des "neuen bauens", die sich als kanonisch eingeprägt haben. Dass die Häuser im Inneren individuell gestaltet waren und ihre Besucher durch lebhafte Farbigkeit überraschten, wurde später ausgeblendet. Die Originale existierten ja nur kurze Zeit. 1932 wurden Bauhaus und Bauhäusler aus Dessau hinausgeworfen.

Als dann 1994 die restaurierte, besser gesagt aus dem Verfall wundersam wiederauferstandene Doppelhaushälfte von Lyonel Feininger vorgestellt werden konnte, überraschte das Innere mit einer nuancierten Farbgestaltung. Vor allem blieben die Farben nicht auf die Grundtöne Rot, Gelb und Blau beschränkt, auf die sich landläufiger Meinung zufolge bereits die berühmte Bauhaus-Grundlehre verengte. Nun aber ist die Überraschung perfekt. Die Stadt Dessau - die zur Pflege ihres Erbes mehr gedrängt werden musste, als dass sie sie nach 1989 unverzüglich angegangen wäre - hat jetzt mit Hilfe einer Millionenspende des Essener Baukonzerns "Hochtief" eines der beiden erhaltenen Doppelhäuser für 2,5 Millionen Mark restaurieren lassen, dasjenige von Paul Klee und Wassily Kandinsky. Durch die sorgfältigen Untersuchungen der Denkmalpfleger kamen nicht weniger als 170 verschiedene Farbtöne zum Vorschein, die die beiden Maler bei der Gestaltung ihrer Wohnungen und Ateliers eingesetzt hatten.

Eine kurze Blütezeit

Eine erkleckliche Anzahl dieser Farben und fein gestuften Tönungen leuchtet jetzt wieder von Decken und Türen, Wänden und Treppen. Es lässt sich nicht mehr genau ermitteln, wie die Ehepaare Klee und Kandinsky wohnten; in den sechs Jahren zwischen 1926 und 1932 haben sie wohl manche Nuancen verändert, auch fielen Reparaturen an den teils mit neuartigen Materialien erstellten Bauten an. So sprechen die Denkmalpfleger jetzt von der "Auszugsvariante" - der Farbgebung, die beim Auszug der Bauhaus-Meister bestanden haben dürfte.

Damals gab es noch keine Farbaufnahmen; Skizzen fehlen ebenso. Nach der Vertreibung der Bauhäusler aus Dessau 1932 wurde mehr und mehr in die Substanz eingegriffen. Die Atelierfenster wurden vermauert, Trennwände machten die Raumaufteilung zunichte. Im Krieg wurde das Direktorenhaus durch Bomben zerstört, eines der Doppelhäuser zur Hälfte. Das Übrige wurde weiter verschandelt - etwa durch Zumauern der Wintergärten. Zu DDR-Zeiten belegte eine "Poliklinik" ein Doppelhaus.

Bis Anfang der neunziger Jahre bot sich dem Betrachter ein Bild des Jammers. Jetzt aber leuchtet wieder die ursprüngliche Farbenfülle. So hat Kandinsky das Wohnzimmer hellrosa tünchen lassen, kleinere Flächen blassgelb und dunkelgrau, die Decke dunkelgrau, der Boden ist mit schwarzem Linoleum belegt. Aber dann: die Sitznische! Sie war auf einer Seite mit Schlagmetall belegt, das die Farbwirkung von Blattgold hatte und sich, wenn auch oxydiert, tatsächlich unter den zehn und mehr späteren Farb- und Tapetenschichten fand. Und auch die Türrahmen und Fenstereinfassungen hat Kandinsky goldfarben streichen lassen, während Türen und Laibungen schwarz kontrastieren. Die Treppenhäuser mit den charakteristischen, über alle drei Geschosse reichenden Metallrahmenfenstern à la Bauhaus-Lehrgebäude und die angrenzenden Flure haben beide Künstler auf einen Blau-Gelb-Rot-Akkord aufgebaut, aber in so vielen Brechungen, dass jeder Winkel des Hauses eigens in seiner Farbgebung beschrieben werden müsste.

Die Häuser, wiewohl seinerzeit der schiere Luxus, wirken klein, abgesehen allein von den auch in der Höhe großzügigen Ateliers. Die Treppen sind eng, die Zimmer zum Teil winzig; dafür viele praktische Details wie Wandschränke oder Durchreichen. Statt der immer wieder propagierten Industrialisierung auch des Hausbaus verraten Spuren überall das Handwerk. Selbst bei den Anstrichen griffen die Meister auf altertümliche Leimfarben und Aufputze zurück, nicht aber auf die modernen Mineralfarben. In diesen Zustand haben die Restauratoren das Doppelhaus zurück versetzt - auch, um so viel Originalsubstanz als möglich zu retten -, so dass die Wände unter den Neuanstrichen deutliche Spuren früherer Ausbesserungen zeigen, keineswegs aber die makellose Glätte, die man mit der "weißen Moderne" assoziiert. Das Bauhaus hat viel Theorie produziert, und zumal Kandinsky begleitete seine Malerei seit jeher mit gewichtigen Abhandlungen. Alle Ansätze jedoch, der konkreten Farbwahl im Meisterhaus einen tieferen Sinn abzugewinnen, enden in Spekulation, wie der zur Restaurierung erschienene Katalog darlegt. Allgemeines lässt sich gewiss sagen, über Kontrastpaare wie hell-dunkel, kalt-warm, ruhig-bewegt, auf denen die Maler ihre Bildwerke aufbauten. Natürlich spielt die Schwarz-Weiß-Polarität eine große Rolle, mit ihrer wechselseitigen Steigerung entsprechender Flächen, die oft hart gegeneinander gesetzt werden. Die Atelierräume sind bei beiden Malern zurückhaltend: Da schenkten sie alle Farbenfreude den enstehenden Bildern auf der Staffelei. Auch fehlen den Räumen nunmehr die Möbel und überhaupt alle Spuren des Alltags. Statt dessen wird derzeit in den Obergeschossen beider Doppelhaushälften eine Ausstellung mit Werkbeispielen beider Künstler gezeigt, die überwiegend aus ihren Dessauer Jahren stammen - eine Ergänzung, aber kein unbedingter Gewinn.

Wichtig und bleibend ist das Ereignis der Farbe. Das wiedergewonnene Meisterhaus von Klee und Kandinsky wird das geläufige Bild vom Bauhaus und der "weißen Moderne" ungemein bereichern, ja verändern.Dessau, Friedrich-Ebert-Allee 69/71, Dienstag bis Sonntag 10 - 17 Uhr. Sonderausstellung bis 7. Mai. Katalog im E.A.Seemann Verlag, 28 DM, im Buchhandel 39,90 DM.

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