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Douglas Couplands "Slogans for the Twenty-First Century" sind bis 2. Februar in der Or Gallery ausgestellt.

© Lena Vasilkuva / transmediale

Douglas Coupland auf der Transmediale: "Das Internet ist wie Pipi im Schwimmbecken"

Einst erfand er die "Generation X". Jetzt sprach Douglas Coupland in Berlin über digitale Doppelgänger, Datenmüll und die Zukunft des Internets.

Vogelzwitschern. Kein echtes, sondern digitales. Sounddateien, die auf Handys abgespielt werden, erwecken zum Schluss den Eindruck eines tropischen Paradieses. Initiiert hat dieses Konzert Douglas Coupland im Marshall McLuhan Salon der kanadischen Botschaft. Sein Vortrag zuvor gerät ähnlich verspielt. Zahlreiche Bonmots und Anekdoten flicht der weißbärtige Popkultur-Prophet in seine Gedankenspiele ein. Eine Rede wie ein Twitter-Stream.

Coupland hielt die diesjährige Marshall McLuhan Lecture, das Auftaktevent zum Digitalkunst-Festival Transmediale. Der kanadische Autor, der 2011 eine Biographie über den großen Medientheoretiker veröffentlichte, wollte seinen Vortrag „im Geiste McLuhans“ halten: Beliebig geordnet und schwer zu begreifen, schmunzelt Coupland. Das Thema, auch McLuhan-typisch, war die mediale Gegenwart und Zukunft: „Space Trash“ als Ergebnis von Junk Data und der Hyperdigitalisierung des Menschen.

Seit Coupland 1991 mit „Generation X“ das Lebensgefühl junger Menschen in Romanform brachte und damit einer ganzen Generation einen Namen und Begriffe wie „McJob“ schenkte, beschäftigt er sich immer wieder mit dem Zeitgeist. In Werken wie „Microserfs“ (1995) und „jPod“ (2006) entdeckte er zudem die Welten von Technologie und Nerdtum für sich und wagte immer wieder auch Ausblicke in die Zukunft. „Ich denke, Menschen im Jahr 2020 werden nostalgisch werden, wenn es um das Gefühl geht, ahnungslos zu sein“, schreibt er in „jPod“ in Bezug auf die unbegrenzte Verfügbarkeit von Wissen im Netz.

Die Folgen von Google und Big Data sieht Coupland auch in seinem Vortrag kritisch: In der Zukunft werden alle auf denselben Pool an Informationen im Netz zugreifen. Durch Youtube und Meme homogenisiert sich das Wissen, die gesamte Menschheit teilt dieselben Informationen – McLuhans globales Dorf lässt grüßen.

Doch das Internet ist zugleich Gedächtnis der Menschheit. Der Datenmüll, „die Dada-Literatur des Netzes“ (Coupland), den wir täglich ins Netz befördern, nimmt logarithmisch zu. Als Ergebnis dieser Entwicklung sieht Coupland ein Wesen namens „Todd“. Man solle sich Todd als ein virtuelles Ich vorstellen, sagt er. Todd versteht uns, kennt unsere Vorlieben, Sehnsüchte und Probleme. Er ist ein digitaler Doppelgänger. Der kanadische Autor nennt Todd auch einen „Cloudgänger“ – erstellt aus Daten, die wir jahrelang in die digitale Wolke eingespeist haben. Todd kann zugleich auf Google zugreifen und unbegrenzt Wissen abrufen. Er ist alterslos und millionenfach klüger als das Individuum. Irgendwann macht Todd Kopien von sich und kann Gespräche mit ihnen führen. Das Original, der Mensch aus Fleisch und Blut, wird ihn dann langweilen. Todd wird uns darauf verlassen, um sich mit anderen digitalen Persönlichkeiten zu verbinden und zu einem höheren Wesen zu transzendieren.

Couplands Gedankenexperiment ist Science Fiction nach dem Vorbild von Isaac Asimov und William Gibson. Das klingt teilweise nach Spinnerei und Übertreibung. Andererseits, mahnt der Autor, gab es vor zehn Jahren auch noch keine Cloud. Heute sei die Cloud die größte Wissensentität, die von Menschen je geschaffen wurde. Und ein Zurück wird es nicht geben. „Das Internet ist wie Pipi im Schwimmbecken“, zitiert Coupland am Ende seinen Neffen. „Es geht nicht mehr weg, wenn es einmal da ist.

Auf der Transmediale, die 2014 unter dem Motto „Afterglow“ steht, stellen zahlreiche Künstler Arbeiten aus, die das Verhältnis zwischen postdigitaler Utopie und realem Trash ausloten. Das Festival öffnet heute Abend seine Pforten für das Publikum und läuft noch bis 02. Februar.

Philipp Sickmann

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