zum Hauptinhalt

Kultur: Das Ornament der Maske

Orient-Exzess: Rob Marshall inszeniert „Die Geisha“ als Ausstattungsoper – mit chinesischen Stars

Wie unterhält man Amerikaner? Rob Marshall weiß, wie’s geht. Sein Musical-Film „Chicago“ versetzte vor drei Jahren US-Kritiker und Publikum in Entzücken. Eine bemerkenswerte Leistung, wenn man bedenkt, wie entsetzlich öde dieser Film war. Vielleicht durfte Marshall sich deshalb an einem Stoff versuchen, von dem man wohl annahm, dass er den Amerikanern nicht so leicht schmackhaft zu machen war. „Memoirs of a Geisha“, Arthur Goldens fiktive Autobiografie, in der eine Geisha rückblickend aus dem Puderdöschen plaudert, wurde 1997 zum Weltbestseller.

„What do we know about entertaining Americans?“, hört man in Marshalls Verfilmung eine Geisha fragen. Man kann es in der Originalversion allerdings kaum verstehen. Denn „Die Geisha“ wurde nicht in Japanisch gedreht, sondern in einem künstlichen Englisch mit schwerem asiatischen Akzent, das den Darstellern in wochenlangen Sprachübungen erst antrainiert werden musste und das sie in der Ausübung ihres Berufs fühlbar behindert. Dies geschah nicht nur im Blick auf die wenig untertitelaffinen Amerikaner, sondern weil man für die Hauptrollen keine Japanerinnen, sondern Chinesinnen und Malaysierinnen auswählte. Wobei dieses panasiatische Allstar-Ensemble bei den einstigen Kriegsgegnern China und Japan für Skandal sorgte.

Man mag den Kopf schütteln über die Empfindlichkeiten zweier Nationen, die ihren Kalten Krieg noch immer zelebrieren. Dass es aber kaum ein Japaner in die Darstellerriege geschafft hat, verrät, wie wenig Marshall daran gelegen war, diesem schwierigen Stoff gerecht zu werden. Motto: Hauptsache Schlitzaugen.

Wie also stellt man sich in Hollywood vor, dass Amerikaner unterhalten werden wollen? Das allzu Fremde wird eingebettet in ein dünnes Aschenputtelmärchen und in einen vulgären Zickenkrieg, dem auch so große Darstellerinnen wie Gong Li („Die rote Laterne“) und Michelle Yeoh („Tiger and Dragon“) als gute und böse Hexe nicht zu mehr Grazie verhelfen können. Die schöne Li muss keifend durch die Kulissen schleichen, um nach zwei Dritteln des Films unvermittelt ganz zu verschwinden. Zhang Ziyi („House of Flying Daggers“) in der Hauptrolle ist zauberhaft und zerbrechlich, aber verloren in einem Film, der auch das Personal nur als Ornament inszeniert. Motto: Soap im Kimono.

Es hätte nicht so kommen müssen. Steven Spielberg, der zunächst als Regisseur vorgesehen war, hätte den Stoff wohl in ein Historiendrama verwandelt. Denn die Geschichte einer Fischerstochter, die im Vorkriegsjapan als Dienstmagd an ein Geisha-Haus verkauft wird und sich dort in die legendäre Geisha Sayuri verwandelt, spielt inmitten von Aufruhr und Desintegration, Krieg und Industrialisierung. Die Kunst der Geishas befindet sich da längst im Niedergang. Nichts davon findet sich in diesem Film. Auch nichts darüber, was es für eine Frau bedeuten mag, ihr Leben lang wohlhabenden Männern zum Plaisir und Entertainment dienen zu müssen. Dass man den Untergang einer antiken Dienstleistungskaste im Anbruch der Moderne durchaus aus privatem Blickwinkel erzählen kann, zeigte Yoji Yamada auf der letztjährigen Berlinale mit seinem Samurai-Film „The Hidden Blade“. Von den Geisha-Filmen der japanischen Altmeister Mikio Naruse und Kenji Mizoguchi ganz zu schweigen.

Rob Marshall hat auch die kinotaugliche Alternative – ein ordentliches Liebesmelodram à la „Doktor Schiwago“ – verpasst. „Geisha“ gelingt es niemals, der unglaubwürdigen Romanze zwischen Sayuri und dem blassen, weitgehend abwesenden „Chairman“ (Ken Watanabe) Leben einzuhauchen. Den finalen Filmkuss, den er ihr aufs Gesicht drückt, kann man nur als abstoßend empfinden.

Immerhin inszeniert der ehemalige Choreograf Marshall ein Fest der Farben und Kostüme, wie man es lange nicht gesehen hat. Sein üppiges Tableau kennt keine Tupfer, nur die leuchtenden Signale kultureller Signifikanten. Kein Treppchen, kein Trittstein darf sich unter Wert verkaufen; jedes Puderdöschen, jedes Räucherstäbchen fordert eingehende Würdigung. Nichts ist sicher vor dem gierigen Blick der Kamera, die jedes Panorama ausweidet. Marshall und sein Kameramann Dion Beebe („Collateral“) orientieren sich dabei wiederum eher am chinesischen als am japanischen Film: „Die Geisha“ wirkt wie ein animierter Themenpark, der die Bildsprache Zhang Yimous („Hero“) aufbläst zum Orient-Exzess.

In elf Berliner Kinos; OV im Cinestar

SonyCenter

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false