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Tadao Ando im Centre Pompidou: Der Autodidakt unter den Architekten
Ungemein sorgfältig: Der japanische Architekt Tadao Ando gilt als Minimalist. Das Pariser Centre Pompidou widmet ihm eine Ausstellung zum Lebenswerk.
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Der Rundbau der Pariser Handelsbörse ist eine riesige Baustelle. Ursprünglich Ende des 18. Jahrhunderts als Getreidemarkthalle errichtet, wurde das Gebäude mit seiner charakteristischen Glas-Eisen-Kuppel ein Jahrhundert später zur Bourse du commerce umgebaut und erhielt eine Natursteinfassade nach dem damaligen offiziellen Geschmack. Seit vielen Jahren steht der Rundbau leer; bereits vor fast fünfzig Jahren gingen ihm die angrenzenden Hallen, der "Bauch von Paris", durch Abriss verloren.
Jetzt also steht ein neuerlicher Umbau an - zum Privatmuseum des milliardenschweren Sammlers François Pinault, der sein Vermögen mit Kaufhäusern und Luxusmarken gemacht hat. Ihm gehört weitgehend das Ausstellungshaus Palazzo Grassi in Venedig, das er gemeinsam mit dem ehemaligen Zollamt Dogana da Mar durch den japanischen Architekten Tadao Ando als Schaufenster seiner Sammlungen zeitgenössischer Kunst umbauen ließ. Nun ist Ando auch für das Pariser Projekt zuständig. Das Vorhaben ist weithin publiziert worden, unter anderem wurde es während der diesjährigen Architektur-Biennale von Venedig vorgestellt. So liegt es nahe, dass jetzt das Centre Pompidou eine Ausstellung zum Lebenswerk des 77-jährigen Ando ausrichtet, die dessen Arbeiten für Pinault in die Entwicklung des Oeuvres einbettet.
Vor allem Modelle seiner Bauten sind zu sehen
Schon der Ausstellungssaal, der abseits von den durch die charakteristischen Rolltreppen erschlossenen Etagen des Gebäudes liegt, atmet den Geist der Bauten Andos: Alles ist ungemein sorgfältig arrangiert. In der Mitte des Raumes birgt ein runder Einbau das Hauptwerk des Architekten, der nie Architektur studiert, sondern sich die Kenntnisse des Berufs als Autodidakt angeeignet hat: die Bauten auf Naoshima, einer Insel in der japanischen Inlandssee im Südwesten des Landes. Dort hat Ando nach und nach ein ganzes Ensemble von Bauten geschaffen, die sich wunderbar in die Landschaft einfügen, als Verkörperung des japanischen Ideals der Harmonie.
Ando gilt als Minimalist, was ursächlich auf seinen Gebrauch des Betons als hauptsächlichem, ja beinahe alleinigem Baumaterial zurückgeht. Ando verwendet Sichtbeton, aber von makelloser, seidenglatter Oberfläche. Als er für den Möbelhersteller Vitra im südbadischen Weil ein Konferenzzentrum baute, strichen 1993 die ersten Besucher, damals noch nicht an eine solche Ausführungsqualität gewöhnt, ungläubig über die glatten Oberflächen. Hinzu kommt die Reduktion der Grundrisse auf geometrische Grundformen, die sich wechselseitig durchdringen und überlagern können. Die "Kirche des Lichts" in Ibaraki, mit der Ando 1989 international bekannt wurde, lässt Licht durch in Kreuzform eingelassene Schlitze im Beton eindringen und schafft eine mystische Atmosphäre, die viel mit Le Corbusiers 35 Jahre älterer Kapelle in Ronchamp gemein hat. Gleichzeitig entwarf er den "Wassertempel" als ein ovales, von einer Treppe durchschnittenes Wasserbecken.

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Seine ersten Gebäude waren Wohnhäuser - die winzigen Bauflächen in Japans Städten zwangen ihn zur Minimierung, zur Konzentration aller Funktionen auf das Unabdingbare. Natürlich sind die ausgeführten Bauten im Laufe der Jahre größer geworden, nicht immer zum Vorteil, wie sich an manchen in China realisierten Vorhaben sehen lässt, die einen früher nicht gekannten Zug ins bloß Dekorative aufweisen. Das mag den Auftraggebern geschuldet sein. Wo Ando kleine, konzentrierte Aufgaben zu lösen hat, ist er zweifellos am besten, wie beim Museum für den japanischen Schriftsteller Shiba Ryotaro, das er als haushohen, gekrümmten Bibliothekssaalausgeführt hat, mit Buch und Schrift als Hauptmaterial. Übrigens hat Ando seinen Berufsweg als Zimmermann begonnen, mit Holz als dem authentischen Material der japanischen Baukunst. Für sein eigenes Museum - natürlich auf Naoshima - hat er eine Betonstruktur als Haus-im-Haus in ein traditionelles Holzhaus eingefügt und damit seiner Herkunft wie seiner Gegenwart die Reverenz erwiesen.

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In Paris sind vor allem Modelle seiner Bauten zu sehen, so exakt, so makellos wie die tatsächlichen Bauten. Das größte Modell ist die Pariser Börse, in die Ando wiederum eine eigene Struktur einfügt, um das historische Original nicht zu verletzen, einen Betonzylinder von 30 Metern Durchmesser und neun Metern Höhe. Man muss wohl kaum betonen, dass Andos Bauten am stärksten wirken, wenn sie für sich wirken können, nicht als Hülle für Anderes, sondern als Schöpfungen von Raum. Und sei es für die kurze Zeitspanne, bevor die Favoriten des Kunstmarktes Einzug halten.
Paris, Centre Pompidou, bis 31. Dezember. Katalog 45 €. www.centrepompidou.fr
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