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Erika und Ulrich Gregor in den Räumen, die ihnen am meisten bedeuten.

© Salzgeber

Der Dokumentarfilm „Komm mit mir in das Cinema“: Ein Leben für das Kino

In dem Dokumentarfilm „Komm mit mir in das Cinema“ erzählen die Arsenal-Gründer Erika und Ulrich über ihre größte Leidenschaft – und ein eindrucksvolles Lebenswerk.

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„Menschen am Sonntag“. Auf der Leinwand läuft eine Szene des Films am Nikolassee, im Kino Arsenal am Potsdamer Platz sitzen wie so oft Ulrich und Erika Gregor. Der Klassiker des Weimarer Kinos von Robert und Curt Siodmak, Edgar G. Ulmer und Billy Wilder sorgt auch nach Jahrzehnten zwischen den beiden noch immer für Diskussionen. Satirischer Zug oder Film über übermütige junge Männer?

Alice Agneskirchners Dokumentarfilm „Komm mit mir in das Cinema - Die Gregors“ widmet sich dem Leben des wohl wichtigsten Paares des deutschen Kinobetriebs, den Gregors. Mitgründer:innen der Freunde der deutschen Kinemathek, Mitgründer:innen des Arsenals, Mitgründer:innen des Internationalen Forums des jungen Films.

Die ersten Filmclubs gründen sich in Deutschland

Streng chronologisch von den Anfängen im Berlin der 1950er Jahre bis in die Gegenwart wechselt Agneskirchner zwischen Gesprächen und Filmausschnitten. Didaktisch blinken die Sektorengrenzen auf der Berlinkarte, als Kontext für die Anfangsjahre. Der Film lebt von den Anekdoten der Gregors. Am Anfang erzählen sie, wie sie auf einem ihrer Streifzüge durch Ost-Berliner Kinos Sergei Bondartschuks „Ein Menschenschicksal“ entdeckten.

Erika Gregor überzeugte ihren Mann, im noch ungeteilten Berlin mit der Vespa bei der sowjetischen Botschaft vorzufahren, um den Film für eine Vorführung an der Freien Universität zu bekommen. Der Plan geht auf. Es ist eines der ersten Beispiele, wie die Gregors inmitten des Kalten Kriegs das Kino der Sowjetunion und später auch der DDR und anderer Länder Osteuropas in West-Berlin sichtbar hielten. Aber wenn solche Erinnerungen eines nicht brauchen, dann Reenactments: Agneskirchner filmt ein Paar auf einem Moped mit einer Filmrolle. Nicht ihr einziger Hang zur Konvention.

1963 entsteht in Ergänzung zur kurz zuvor gegründeten Deutschen Kinemathek der Verein der Freunde der Deutschen Kinemathek und beginnt mit monatlichen Vorführungen in der Akademie der Künste. Die Freunde zeigen Klassiker des Stummfilms und zeitgenössische Filmkunst, das erste Programm kombiniert Paul Lenis „Das Wachsfigurenkabinett“ mit Kurzfilmen aus dem Umfeld der Oberhausener.

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Die Abende werden zu einem festen Anlaufpunkt West-Berliner Kinobegeisterter. Sechs Jahre später finden Mitstreiter der Gregors die Bayreuther Lichtspiele in der Welser Straße, der Verein übernimmt das Kino und tauft es Arsenal. 1971 geht dann aus dem Skandal um Michael Verhoevens kontroversen Vietnamfilm „O.K.“ auf der Berlinale des Vorjahres die neue Festivalsektion „Forum“ hervor.

Agneskirchners größtes Versäumnis liegt schon in der Anlage ihres Films: Sie geht nicht über die beiden Gregors hinaus. Es findet sich keine Andeutung, dass der Filmklub der Freien Universität Teil einer breiteren Filmklubbewegung war, die den deutschen Kinobetrieb seit den 1950er Jahren zu reformieren versucht hat. Keine:r der Mitgründer:innen des Arsenals, viele von ihnen jahrzehntelange Mitstreiter:innen, wird namentlich erwähnt. Das hat den Effekt, dass einem Gero Gandert, Heiner Roß und Manfred Salzgeber im Archivmaterial zwar das Programm des ersten Forums vorstellen, man ihre Namen aber nicht kennt.

In dieser Darstellung sind die Kommunalen Kinos in West-Deutschland nicht länger das Ergebnis eines vielfältigen Prozesses, der unter anderem mit der Gründung des ersten Kommunalen Kinos in Duisburg 1970 und Hilmar Hoffmanns Arbeit als Kulturdezernent in Frankfurt verbunden ist – sondern sie gehen linear auf das Arsenal zurück.

Wie fruchtbar es gewesen wäre, die Gregors nicht als Solitäre zu inszenieren, sondern als Teil eines Felds von Filmschaffenden und Kinomachern, zeigt Agneskirchner am Ende doch noch unverhofft. Jutta Brückner erklärt am Beispiel der „Frauenfilme“ der 1970er und 1980er Jahre und deren Spannungsverhältnis zum Feminismus die Bedeutung des Arsenals. 1972 unterstützte Erika Gregor Helke Sander und Claudia von Alemann dabei, das erste Frauenfilmseminar zu organisieren.

Ulrich und Erika Gregor haben das Kinomachen in Deutschland revolutioniert, leider erfährt man in „Komm mit mir in das Cinema“ nur am Rande, wie es dazu kam. Doch zum Glück können die Versäumnisse des Films den Anekdoten der Gregors nichts anhaben.

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