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Anton Henning ist Teil einer großen Familie, balanciert chamäleonhaft entlang der ausufernden Verwandtschaften von Picasso bis zum Bauhaus. In „La Rencontre No. 4“ von 2004 trifft er auf Gustave Courbets bärtigen Wanderer.

© Anton Henning/VG Bild-Kunst Bonn, 2025, Foto // Photo: Jörg von Bruchhausen

Der Gesamtkunstwerker Anton Henning in Düsseldorf: Auf der Spielwiese der Moderne

Für Anton Henning gibt es kein Genre und keine Großkünstler, die er nicht zitieren würde. In der Sammlung Philara in Düsseldorf breitet der Berliner Maler und Möbeldesigner sein Werk im Modus der Wiederaufnahme aus.

Von Alexandra Wach

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Kühe hinter Design-Sofas, rosa gestrichene Zimmer mit Aussicht auf monströs verdrehte Wesen, die direkt aus dem Universum von Salvador Dalí oder Francis Bacon stammen könnten – Gustav Courbets bärtige Wanderer transferiert in ein Selbstporträt oder drogenumnebelte Paradiese, in denen galaktische Pflanzen für Irritation sorgen. In der privaten Sammlung Philara in Düsseldorf quellen einem die Synapsen über, angesichts einer bulimischen Schaffenslust, die kein Verfallsdatum zu kennen scheint.

Keine Frage, Anton Henning ist Teil einer großen Familie, balanciert chamäleonhaft entlang der ausufernden Verwandtschaften von Picasso bis zum Bauhaus und bleibt doch immer verlässlich auf der Spur der Postmoderne, wozu auch das Einschmuggeln von Kritzeleien oder wiederkehrenden Trichter-Motiven gehört. Der 1964 geborene, in Berlin und im Brandenburgischen lebende Autodidakt eignet sich Bestehendes nonchalant an, ganz ungehemmt im Sinne einer verspielten Strategie der Ironie, die in den 1990ern als subversiv galt und heute in Zeiten multipler Krisen eher zeitgeistig abgestanden und ideologisch entkernt als erfrischend wirkt.

Natürlich lässt sich das Bildgedächtnis trotzdem endlos plündern, weshalb der hyperproduktive Henning unbeeindruckt von den aktuellen Zeitläufen weiterhin ausgelassen durch die Kunstgeschichte und Popkultur surft. Mal versucht er sich an bizarren Stillleben, mal an Aktdarstellungen oder Abstraktionen, stets bemüht, die Handschrift des kanonischen Vorbilds zu steigern.

Dazu gesellen sich Readymades, Leuchtmöbel, Skulpturen und immersive „Interieurs“ in Bonbon-Farben, flankiert von geometrischen Wandmalereien, Möbeln, Lampen und flauschigen Teppichen, die den White Cube außer Gefecht setzen.

In der Schau „Träume, Trichter & Tricksereien“ lässt sich die von Schlaufen, Tunneln und Windungen wimmelnde Cover-Welt über fast vier Jahrzehnte hinweg studieren.

Der Schwerpunkt liegt auf Malerei, die in ihrer ganzen vernetzten Pracht in unterschiedlichen Formaten vor Augen geführt wird: von den frühen, psychedelischen „Jazz-Bildern“ bis zu schrill bunten Stillleben und Pin-up-Serien.

Als die Bilder wild geworden: „Blumenstillleben mit Früchten No. 109“ von Anton Henning aus dem Jahr 2020.

© Anton Henning/VG Bild-Kunst Bonn, 2025, Foto // Photo: Jörg von Bruchhausen

Die Frage nach dem Original und der Replik schwebt kichernd über allem, ebenso ob man es bei den hybriden Neuinterpretationen mit Kitsch, Parodie, Punk oder schlechter Kunst zu tun hat. Unweigerlich muss man da an den sieben Jahre älteren, postmodernen US-Maler George Condo denken, der ebenfalls in seinen Gemälden gerne mit Elementen aus der Bildwelt der Heroen der Moderne wie Picasso oder Mondrian jongliert.

Nur bleibt Condo beim Kapern des riesigen Fundus der Bildinnovationen der Moderne nicht stehen. Mit seiner grotesk aggressiven Malerei stellt er sich den menschlichen Abgründen in bizarren Antlitzen aus leuchtend bunten Formen. In einer Art bitterbösen Raserei vereint er die Figuration und Abstraktion, Wahnsinn und Schönheit. Dagegen wirkt Henning wie ein verhinderter Spätromantiker auf der manischen Suche nach dem vollkommenen Bild, das den Zumutungen der Gegenwart standhalten könnte.

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