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Kultur: Der Glücksfall steht noch aus

Berlin fehlt bislang ein Bild der Malerin Lotte Laserstein

Selten hat eine Ausstellung, die doch nur eine vergessene Malerin zeigt, eine solche Resonanz gehabt. Kannte jemand Lotte Laserstein als Bilder von ihr Anfang November im Ephraim-Palais erstmals in einer Retrospektive zusammengefasst wurden? Doch schon die Kritiken – auch in dieser Zeitung – waren voll der Entdeckungs-Verwunderung. Das Publikum entdeckte mit: Das Palais an der Poststraße, im Berliner Kulturbetrieb eher etwas stiefmütterlich gehandelt, zählte im Durchschnitt mehr als das Doppelte der Besucher anderer Ausstellungen, und an Wochenenden drängten sie sich geradezu, so dass die besorgten Wärter von Überfüllung sprachen. Der Katalog ist ausverkauft. Wenn die Ausstellung an diesem Sonntag zu Ende geht, bleibt die Erinnerung an die Begegnung mit einem Werk, das mit seiner genauen und sensitiven Malerei den Geist der Zwanziger- und Dreißigerjahre glücklich bewahrt – und viel Berlin dazu. Es bleibt auch die Melancholie angesichts des Künstlerlebens, das diese Ausstellung erzählt – erst der stürmische Aufstieg der jungen Malerin, dann, ihrer jüdischen Herkunft wegen, die lange Emigration; 94-jährig ist sie 1993 in Schweden gestorben.

Was allerdings nicht bleibt, ist ein Bild von Lotte Laserstein in ihrer Heimatstadt: In keinem Berliner Kunstmuseum ist diese Malerin vertreten, die doch ohne diese Stadt nicht zu denken ist – nur das Historische Museum hat, als Zeitzeugen, einen Motorradfahrer von ihr in seiner Sammlung. Darin zeigt sich irgendwie auch der Unstern über dem Verhältnis dieser Künstlerin zu ihrer Heimatstadt, in der sie erst nach bald siebzig Jahren wiederentdeckt wurde – und auch das nur dank glücklicher Umstände. Denn die Ausstellung wäre ja nicht zustande gekommen, wenn sich nicht die Kunsthistorikerin Anna-Carola Krausse über Jahre hinweg in bewundernswerter Ausdauer an die Spuren dieser Malerin geheftet hätte, seitdem sie vor gut zwanzig Jahren ein Bild von ihr auf einer Ausstellung des Verbands Berliner Künstlerinnen gesehen hat. Wenn nicht das „Verborgene Museum“ das Projekt der Ausstellung verfolgte hätte. Und wenn nicht der Hauptstadt-Kulturfonds beschlossen hätte, die Ausstellung zu unterstützen.

Nach alledem muss man schon einen Fingerzeig darin sehen, dass einige Bilder der Ausstellung zum Verkauf stehen – was der Umstand zum Glücksfall rundet, dass sich darunter „Die Tennisspielerin“ befindet. Denn das Bild, 1929 gemalt, gibt - so Christina Tilmann in der Tagesspiegel-Kritik der Ausstellung - das „Bild der selbstbewussten ,Neuen Frau’ der Zwanzigerjahre, für das Laserstein selbst steht und das sie in ihren Bildern immer wieder feiert“. Mit diesem Bild begann übrigens auch die Laserstein-Passion von Anna-Carolin Krausse, die uns schließlich diese Ausstellung bescherte.

Wäre es nicht die krönende Konsequenz der Begegnung, die die Stadt in den vergangenen drei Monaten mit dieser Malerin hatte, wenn Berlin dieses Bild zu erwerben suchte? Lotte Lasersteins Werk ist in alle Winde verstreut, in England – wo ihr 1987 mit einer Ausstellung ein später Durchbruch gelang – und in Skandinavien. Das Erfolgsbild der Ausstellung, „Abend über Potsdam“, der schöne Schimmer einer Jugend, die zur verlorenen Generation wurde, hängt zum Beispiel in einem schottischen Schloss. Die „Tennisspielerin“, dieses Kind ihrer Zeit mit – täuscht man sich nicht – Wilmersdorfer Hintergrund, sollte in Berlin hängen! Hermann Rudolph

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