
© Peter Cairns/MONA
Der Weg in den Himmel: Eine Installation von Slater Bradley
In der Parochialkirche hat der US-amerikanische Künstler zwei begehbare Steinkreise und dazu Bilder aufgebaut, die heilend und meditativ wirken sollen.
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Am Abend der Preview ist Slater Bradley einen Moment lang ungehalten. Als ein Trupp von Besuchern mit Cocktails in den Händen seine Bodenskulptur aus Steinen erkundet, zwingt er sie mit einem Satz aus dem Raum: Hier kein Alkohol, bitte geht nach draußen! Das verträgt sich offenbar nicht mit seiner Arbeit in der Parochialkirche – und es wirkt tatsächlich etwas despektierlich, wie die vier Gestalten kichernd durch den Steinkreis schreiten.
Bradley hat ihn aus Rosenquarz gelegt, fast 900 kleine Brocken formen ein rhythmisches Labyrinth, das man erkunden kann. Eine zweite Skulptur breitet sich in der Apsis der Kirche aus. Und obgleich beide an ähnliche Arbeiten aus Land-Art-Zeiten, etwa an Robert Smithsons „Spiral Jetty“ von 1970 am Great Salt Lake in Utah, erinnern, geht es dem ebenfalls US-amerikanischen Künstler Slater Bradley um andere Dinge.
Selbstschutz statt Naturschutz
Ein halbes Jahrhundert später ist an die Stelle von Entropie und Naturschutz der Selbstschutz getreten. Bradley, Jahrgang 1975 und schon lange in Berlin, hat als Konzept- und Multimediakünstler rasant Karriere gemacht. Ob Whitney oder Solomon R. Guggenheim, die wichtigen New Yorker Museen besitzen frühe Arbeiten von ihm, sein Erfolg schien vorgezeichnet.
2003 porträtierte Bradley sich dann blond und ungekämmt in einer Pose, die an Fotografien von Kurt Cobain erinnert. Nicht ganz unabsichtlich, darauf lässt der Titel des Bildes „I hate myself and want to die“ schließen. Bei aller Konzeptlastigkeit von Bradleys Kunst bleibt ein emotionaler Gedanke hängen: Es scheint ihm zu viel geworden zu sein, die Erwartungen an den Erfolg seiner Kunst erzeugten einen Druck, dem Bradley sich entzog. Statt mit Medienkunst, die längst in digitalen Sphären unterwegs ist, arbeitet er nun wieder am Boden der Tatsachen.
Mystik und Magie
Dazu gehört die Materie, zählen Steine und Malerei ebenso wie das Mystische. Wer die Parochialkirche betritt, der spürt sofort, dass Bradleys und die Kuratorin Almut Hüfler nicht einfach einen ungewöhnlichen Ort für seine Installation „Dragonslayer“ ausgewählt haben. Der hohe, ruinöse Sakralraum aus dem 17. Jahrhundert lädt das Ensemble aus Labyrinth und 17 Bildern atmosphärisch auf. Schließlich sind der Erzengel Michael wie auch der Heilige Georg, die beide in der Kirchengeschichte gegen Drachen kämpfen mussten, hier quasi zu Hause.
Vielleicht spielt auch Heidnisches mit in die immersive Installation; nicht wenige Kirchen wurden an denselben Orten errichtet, an denen zuvor magische Rituale stattfanden. Bradley legt solche Assoziationen frei – wie es ihm überhaupt darum geht, immer tiefer in das Urtümliche vorzudringen, um spirituell zu Kräften zu kommen.
Töne von Dustin O’Halloran
Dass die Edelsteine und die Pilgerstätten, die sich als hochformatige Fotografien unter seinen stilisierten Motiven aus Gold und Blau und mystischen Zeichen verbergen, ein energetisches Potenzial besitzen, kann man sehr wohl spüren. Oder glaubt es zumindest als distanzierter Beobachter, der sich in spirituellen Welten nicht besonders auskennt.
Die Wirkung verstärkt sich dank der sphärischen Klänge von Dustin O’Halloran, dessen Komposition durch den Kirchenraum strömt und „Dragonslayer“ vervollständigt. Der in Berlin lebende Komponist verwendet dafür den sogenannten Prometheus-Akkord des russischen Komponisten und Mystikers Alexander Skrjabin, der mittels Musik einen Weg in den Kosmos öffnen wollte.
Etwas davon vermittelt sich an den Sonntagen, wenn Anna Kasprzycka auf dem Glockenspiel der Kirche freie Improvisationen zu O’Hallorans Musik anstimmt. Sie nutzt das Klangspektrum der 52 Glocken im Kirchturm und lässt die Installation akustisch über die Mauern der Kirche auf den Vorplatz hinausgreifen. Hier darf man dann auch mit einem Cocktail stehen und lauschen.
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