
© Markus Jans/Filmwelt Verleihagentur
Désirée Nosbuschs Regiedebüt „Poison“: Den Schmerz aussprechen
Kein Feuerwerk der Emotionen, aber eine Erzählung über das Menschsein. Die Theateradaption „Poison – Eine Liebesgeschichte“ handelt von einem Ex-Paar, das den Verlust des Sohnes nicht verwinden kann.
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Es ist ein ausgesprochen erwachsenes Drama, das die Regiedebütantin Désirée Nosbusch jetzt auch als Produzentin ins Kino bringt. Nosbusch, das einstige Radio- und Fernsehmoderatoren-Wunderkind aus Luxemburg, das gerade sechzig wurde, hat – gewissermaßen als Krönung einer erstaunlichen Karriere – in den vergangenen Jahren verstärkt durch Schauspielparts von sich reden gemacht.
Beispielsweise in Christian Schwochows packender Serie „Bad Banks“. Und demnächst wird die polyglotte Frau, die lange in Los Angeles gelebt und dort auch Filmregie studiert hat, die Eröffnungsgala der 75. Berlinale moderieren.
Stille Etüde der Trauer und vergangenen Liebe
Davor lohnt es sich jedoch, einen Blick auf ihren ersten abendfüllenden Spielfilm zu werfen, obwohl „Poison“ kein eingängiges Thema beackert. Das Kammerspiel mit zwei Personen ist die Verfilmung eines Theaterstücks der niederländischen Dramatikerin Lot Vekemans, die auch das Drehbuch geschrieben hat. Ihre psychologisch stimmigen Dialoge sind das Pfund, auf das Nosbusch setzt.
„Poison“ ist eine stille Etüde der Trauer und vergangenen Liebe, die noch dazu auf einem Friedhof spielt. Auf einem stimmungsvollen allerdings, dessen schwere Erde das luxemburgische Winterwetter durchfeuchtet hat. Edith (Trine Dyrholm) und Lucas (Tim Roth) mussten hier ihren Sohn Jacob begraben, der nach einem Unfall starb.
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Eine Tragödie, der die Beziehung nicht standgehalten hat. Zehn Jahre ist es her, dass Lucas Edith an einem Silvesterabend um kurz nach sieben mit zwei Koffern in der Hand verlassen hat. An diesem Tag, an dem die Friedhofsverwaltung angeblich mit ihnen über die nötige Umbettung von Jacobs Grab sprechen möchte, sehen sie sich zum ersten Mal wieder.
Ruhe, Schweigen, Abwarten: Dramaturgisch und visuell beginnt „Poison“ mit langem erzählerischem Atem. Der zögerlichen Anreise des Mannes und der Frau ist die Beklemmung anzusehen, mit denen das Wiedersehen sie erfüllt. „Poison“ ist feines Schauspielerkino. Besonders Trine Dyrholm brilliert als gebrochene Mutter, der sich der Schmerz über den Verlust des Sohnes in die Linien des Gesichts gegraben hat.

© Mark De Blok/Filmwelt Verleihagentur
In einem steten Wechsel der Tonalität – mal wütend, verletzt und vorwurfsvoll, mal versöhnt, vertraut und in Trauer vereint – entfaltet sich nach und nach beider Drama. Ediths ist das eines Menschen, der die Trauer nicht loslassen will, weil das den Verrat am geliebten verlorenen Kind bedeuten würde.
Lucas‘ das eines Vaters, der weiterleben und – trotz des Verlusts – sein Recht auf Glück verteidigen will. Zwei Haltungen, die zuverlässig in Vorwürfen und Verletzungen münden.

© Markus Jans/Filmwelt Verleihagentur
Zwei Menschen, die reden und warten, das ergibt noch keinen Film. Trotzdem hat Nosbusch die Traute, auf sentimentale Mätzchen wie Rückblenden zu glücklichen gemeinsamen Tagen zu verzichten. Jacobs Verlust wird auch nicht durch Kinderfotos, sondern allein durch Dialoge nachfühlbar.
Kamerafrau ist Judith Kaufmann
Bewegung kommt durch Ortswechsel in kleinem Radius ins Spiel. Der Friedhof, die Kapelle, die Wartehalle, das Flussufer, ein Auto, der Wald. Kamerafrau Judith Kaufmann nutzt die assoziative Kraft des Wetters: die Kälte, den Regen, das Aufklaren, die Sonnenstrahlen zwischen den Schauern.
Ein stetes Plätschern und Rinnen erfüllt das Drama auf der Tonebene, analog zum Schmerz, der in jede Lebensfaser der Eltern eingesickert ist. Beides – Bild wie Ton – sind erzählerische Mittel, die in die im Kern konventionelle, aber angenehm tastende Erzählung durchaus subtil eingewoben sind.
Das ist, was „Poison“ so erwachsen in seiner Differenziertheit wie in seinen Mitteln macht. Désirée Nosbusch will als Regisseurin kein Feuerwerk der Emotionen abbrennen, sondern erzählen, wie ein früheres Paar einen existenziellen Verlust verwindet oder besser: wie das Menschsein geht. Dafür hat sie in ihrem Erstling einen konzentrierten Zirkelschluss gefunden, der nicht überwältigt, aber berührt.
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