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Toleranzsignal. 1914 wurde in Wünsdorf bei Zossen eine Moschee für kriegsgefangene Muslime gebaut.

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Deutsch-muslimische Beziehungen: Der Islam gehört zu Preußen

Die Geschichte deutsch-muslimischer Beziehungen ist lang. Der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. ließ bereits 1732 einen Reitstall zur Moschee umbauen.

Statistisch gesehen gehört der Islam schon lange zu Deutschland. Muslime leben seit Jahrhunderten hier, zur Zeit sind es knapp fünf Millionen. Etwa fünfzig Prozent von ihnen sind deutsche Staatsangehörige. Die meisten entstammen einer Familie mit Migrationsgeschichte, die in der Türkei, in Jugoslawien, aber auch in Marokko oder Tunesien begann. Mit diesen Staaten hatte die Bundesrepublik ab 1961 Anwerbeabkommen geschlossen. „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“, lautet der berühmte Befund von Max Frisch.

Sogenannte Gastarbeiter halfen nach dem Zweiten Weltkrieg, Deutschland wiederaufzubauen und leisteten in Fabriken, an Supermarktkassen, in Krankenhäusern oder auf Baustellen ihren Beitrag zum Wirtschaftswunder. Doch als das Wirtschaftswunder endete, die bundesdeutsche Industrie erstmals kriselte und 1973 ein Anwerbestopp erlassen wurde, kehrte nur ein Teil der Migranten in ihre Herkunftsländer zurück. Rund vier Millionen türkische Muslime waren aufgrund des Anwerbeabkommens eingewandert. Bei der Volkszählung von 1987 wurden etwa 1,3 Millionen muslimische Türken und rund 280 000 andere Muslime registriert.

Weniger bekannt ist die Geschichte der allerersten muslimischen Gastarbeiter. Es waren Soldaten. 1731 schenkte der Herzog von Kurland König Friedrich Wilhelm I. von Preußen 22 türkische Gardisten. Es handelte sich um besonders großgewachsene Kriegsgefangene, die zur Verstärkung von Friedrich Wilhelms Lieblingseinheit, dem Garderegiment der „Langen Kerls“, gedacht war. Militärangehörige zu verkaufen oder zu verschenken gehörte im Barock zu den Gepflogenheiten höfischer Machtpolitik. Das kleine, im heutigen Lettland gelegene Kurland wurde von den damaligen Großmächten Russland, Schweden und Preußen bedroht und setzte für seine Fortexistenz aufs Wohlwollen des westlichen Nachbarn. Herzog Ferdinand war ohnehin durch seine Mutter Luise Charlotte von Brandenburg mit Preußen verbunden.

Die preußische Staatsidee stützte sich auf Toleranz und Disziplin

König Friedrich Wilhelm I., dem seine Obsession für alles Militärische den Spitznamen „Soldatenkönig“ eintrug, ließ 1732 für die neuen muslimischen Untertanen im Langen Stall, dem Reit- und Exerzierhaus von Potsdam, einen Saal zu einer Moschee umbauen. Das war der erste Moscheebau auf deutschem Boden. Der Gebetsraum hat sich nicht erhalten, es existiert auch keine Abbildung davon. Er lag nur wenige Schritte von der Garnisonskirche entfernt, die zum Symbol des preußischen Militarismus aufsteigen sollte und seit 2017 wiederaufgebaut wird.

Das Glockenspiel der Garnisonskirche galt als „Herzschlag Preußens“, eine Zeit lang mischte sich sein Klang mit muslimischen Gebetsgesängen. Allerdings waren sie sonntags zu hören, nicht freitags. „Es war der Wunsch des Königs, dass Gott in Potsdam in allen Zungen und in jedem Glauben der Erde zur gleichen Stunde angebetet wurde“, schreibt Jochen Klepper in seinem 1937 erschienenen Roman „Der Vater“ über Friedrich Wilhelm. Deshalb habe der König die Türken seines Garderegiments „freundlich gefragt“, ob ihnen für „ihr Allah il-Allah!“ nicht „der preußische Sonntagmorgen für ihren osmanischen Freitag gelten könnte“.

Toleranz und Disziplin, auf diese Pfeiler stützte sich die preußische Staatsidee. Für die Offenheit gegenüber Fremden sprachen vor allem pragmatische Gründe, sie sollte zur Vermehrung der im Dreißigjährigen Krieg und danach dezimierten Bevölkerung beitragen. Friedrich II., später „der Große“ genannt, setzte die Willkommenskultur seines Vaters Friedrich Wilhelm fort. Gleich in seinem ersten Regierungsjahr schrieb der frankophile Herrscher in mäßigem Deutsch eine Randbemerkung auf einem Bericht des General-Direktoriums: „Alle Religionen Seindt gleich und guht wan nuhr die leüte so sie profsiren Erliche leüte seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wollten das Land Pöpliren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen.“

Fünf islamische Zeitungen, produziert in der Reichsdruckerei

Lieber noch als Moscheen baute Friedrich II. allerdings Kasernen. Für seine Feldzüge waren ihm auch Nichtchristen willkommen. 1741, während des Ersten Schlesischen Krieges, stieß eine aus Russland versprengte muslimische Einheit mit 73 Reitern zu seiner Armee. Aus den jungen tatarischen Edelleuten, sogenannten „Oghlanis“, wurde die erste preußische Lanzenreitertruppe gebildet. Friedrichs Reitergeneral Friedrich Wilhelm von Seydlitz, der mit seinen Attacken 1757 die Schlacht bei Roßbach entschied, besaß einen Schimmel, der auf den Namen „Mohammad“ hörte. Die Eltern des Tieres hießen „Prophet“ und „Fatme“.

Im Siebenjährigen Krieg wurde der „Tatarenschrecken“ sprichwörtlich, die aus dem Morgenland stammenden Kavalleristen waren gefürchtete Elitesöldner. Die Bezeichnung der preußischen „Ulanen“-Regimenter geht auf das türkisch-tatarische Wort „Oglan“ zurück, das „Sohn, junger Mann, Soldat“ bedeutet. Als 1807 preußische Truppen bei Eylau Napoleons Armee besiegten, waren unter ihnen auch muslimische Soldaten. Sie wollten, hieß es später in Berichten, „ihrem König für die Sicherung ihrer angestammten Lebensform und die ihnen gewährte Glaubensfreiheit danken“.

Hundert Jahre später, bald nach Beginn des Ersten Weltkriegs 1914, setzte das Deutsche Reich mit dem Bau einer Moschee für das „Mohammedanische Gefangenenlager“ in Wünsdorf bei Zossen ein Zeichen. Das rotweiße Holzgebäude war im Stil eines orientalisierenden Historismus errichtet, sein Minarett überragte die märkische Landschaft in einer Höhe von 23 Metern. Untergebracht waren in dem Vorzeigelager 4000 Kriegsgefangene, vor allem Russen, Inder, Marokkaner und Senegalesen. Es erschienen fünf islamische Zeitungen, die im Lager und in der Reichsdruckerei produziert wurden. Das Kaiserreich wollte die Muslime für einem Dschihad gegen Russland, Frankreich und Großbritannien im Nahen Osten gewinnen. Daraus wurde aber nichts.

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