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Dialog der Epochen: Die Tefaf in Maastricht bringt Exquisites aus allen Epochen zusammen
Die größte große Kunst- und Antiquitätenmesse in Europa ist zurück und präsentiert Objekte an Ständen von 270 internationalen Händlern.
Stand:
Der erste gedruckte Stadtplan von Amsterdam für 395.000 Euro bei David Croach Rare Books, ein „Reuiger heiliger Petrus“ von Anthony van Dyck bei Colnaghi für 2,7 Millionen US-Dollar, eine tausendjährige tibetische Bodhisattva-Skulptur bei Rossi & Rossi für zehn Millionen US-Dollar und Chagalls „Der Zirkus – Der Reiter“ bei Salis (5,8 Mio. Euro) – ein qualitativ derartig hohes Angebot findet man nur auf der Tefaf in Maastricht, dem schönsten Fest, das der internationale Kunsthandel ausrichtet. Und das nicht nur in den angestammten Bereichen der Gemälde alter Meister und der klassischen Antiquitäten, sondern auch in Spezialgebieten wie Asiatika, Schmuck, Uhren oder modernes Design - eine Sektion, die inzwischen aber auffällig geschrumpft ist.
Wer hierhin reist, sucht das Beste und Teuerste, in sorgfältig bestückten Kojen, die mitunter inszeniert werden, als gelte es ein in der Geschichte weit zurückliegendes Bühnenstück aufzuführen. Die Blumenpracht am Eingang ist diesmal zu einer imaginären Bergwiese aus 100.000 Blüten in weiß-rosa Tönen getürmt. Über 270 Händler aus 20 Ländern bieten an, was sie zuvor sorgfältig recherchiert haben. Mit von der Partie in der Sektion Showcase sind auch Newcomer, die zwischen drei und zehn Jahren existieren. Die Teilnehmerzahl ist von sechs auf zehn aufgestockt worden, darunter der 31-jährige Pariser Maxime Flatry, der sich auf Möbelstücke der Art déco von Jean-Michel Frank oder André Arbus spezialisiert hat. Er schätzt den für die Tefaf typischen Dialog zwischen den Epochen: „Zeitgenössische Kunst beispielsweise mag im ersten Moment in ihrer Ästhetik nicht wirklich zur Art déco passen, doch der Schaffensansatz der Künstler ist ein ähnlicher. Art déco ist der Beginn der Moderne, viele Stücke sind wirklich intellektuell durchdacht.“
Impulsiv war eher der Andrang zur Vernissage, und vielleicht ist es keine Täuschung, dass diesmal wieder, nach der Zurückhaltung einer ausgefallenen und von der Pandemie geprägten letzten Ausnahmeausgabe im Juni, zum angestammten Zeit-Slot viele internationale Museumsleute gesehen wurden. Manch einer dürfte sich am Stand der Londonern Trinity Fine Arts für das prächtige Gelehrtenporträt von Jacopo Robusti interessieren, besser bekannt als Tintoretto. Aber auch für das Selbstporträt der wiederentdeckten Lotte Laserstein bei der Londoner Agnews Gallery; schließlich haben sich nur wenige Bildnisse der deutsch-jüdischen Exilantin erhalten. Eine Rarität von vielen, die man in dieser Dichte nur in Maastricht findet.
Das Thema Vanitas ist omnipräsent – liegt es an unserer Zeit?
Es ändert jedoch nichts daran, dass die Pandemie die Verkaufswege grundlegend verändert hat. Neue, Instagram-affine Käufer sind hinzu gekommen, gewohnt, hohe Summen für Werke auszugeben, die sie im wirklichen Leben nicht gesehen hat. So investiert auch die Tefaf enorm in ihren Online-Auftritt. „Die Sammler, die zur Tefaf kommen, wollen die Stücke immer noch sehen, aber wir sollten uns nicht zu schade sein, auch die jüngeren abzuholen“, meint der Londoner Skulpturen-Experte Stuart Lochhead, der seinen Stand wie einen Käfig inszeniert, in dem man schemenhaft eine monumentale Büste des französischen Malers Eugène Delacroix von Albert-Ernest Carrier-Belleuse erkennt.
Bei aller Opulenz und Vielfalt fiel beim Flanieren durch die Gänge das wiederkehrende Thema der Vanitas auf. Eine Reaktion auf die krisenhafte Gegenwart? „Die Welt verändert sich politisch und ökonomisch“, so der Messedirektor Hidde Van Seggelen, „es gibt Spannungen zwischen China und Amerika. Es gibt den Ukraine-Krieg, die Inflation. Manche mögen da Sicherheit suchen in hochdotierter Kunst. Es gibt aber auch erschwingliche Objekte. Viele deutsche Sammler reisen aber an, weil sie die kunsthistorische Expertise der Händler schätzen, auch wenn sie am Ende bescheidene Summen ausgeben.“ Um das kenntnisreiche Gespräch ging es den ebenfalls zahlreich zurückgekehrten chinesischen Sammlern wohl weniger. Bei all der Fülle an Kostbarkeiten aus 7000 Jahren galt ihr Interesse auffällig häufig alter chinesischer Kunst.
Die Kunstkammer Laue aus München bietet einen Olifanten an
So am Stand der der Münchner Kunstkammer Georg Laue. Laue verkaufte gleich in der ersten Stunde einen gedrechselten Beinleuchter aus Süddeutschland, um 1600, an ein deutsches Museum und zwei deutsche Renaissance-Silberpokale an einen amerikanischen Privatsammler. Ob das an dem echten Parkettboden der Koje aus dem 18. Jahrhundert lag, der aus einem alten Schloss stammte? Ein Rothschild-Olifant des einst auf Fürstenhöfen berühmten Bildhauers Johann Michael Egner bekam gar einen eigenen Raum. Der Preis bewegte sich „im hohen sechsstelligen Bereich“. Doch ein chinesischer Standbesucher hatte nur Augen für zwei chinesische blau-weiße Vasen aus dem 17. Jahrhundert. Der Preis von jeweils 28.000 Euro entsprach offenbar weniger seinen Vorstellungen, eigentlich unverständlich, denn Topstücke aus dem Reich der Mitte erreichen auf der Tefaf für gewöhnlich viel höhere Summen, ähnlich wie das Segment Juwelen.
Ein spektakulärer Raubüberfall mit erbeuteten Diamanten im Wert von 30 Millionen Euro hatte die letzte Tefaf überschattet, weshalb jetzt das aufgestockte Sicherheitspersonal nicht zu übersehen ist. Ein neuer Zaun um die Kunstmesse wurde aufgebaut, das Publikum an mehreren Schleusen kontrolliert und mit Sensoren durchleuchtet. Die Kauflaune trübte die an Flughafenkontrollen erinnernden Zustände nicht. Die Düsseldorfer Galerie Beck & Eggeling zeigten sich mit der Reservierung mehrerer Werke der in Berlin lebenden Künstlerin Leiko Ikemura im Wert zwischen 57.000 und 78.500 Euro zufrieden und noch mehr über den Verkauf eines Kandinsky-Gemäldes von 1903 für 400.000 Euro. Der Londoner David Aaron trennte sich für 300.000 Euro von einer Maske eines Silen-Mischwesens, datiert auf 100 v.Chr. und bei Ben Janssens Oriental schmückten in kürzester Zeit unzählige rote Punkte die Vitrinen mit chinesischen Jade-Objekten und indischen Buddha-Köpfen. So bleibt die museale Zeitmaschine Tefaf auch in stürmischen Zeiten ein Garant für florierende Geschäfte.
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