
© Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa (Bearbeitung Tagesspiegel)/Jens Kalaene
Nachruf auf Anita Kupsch: Knarzige Berlinerin, Helferin in jeder Notlage
Millionen kennen sie aus der legendären Fernsehserie „Praxis Bülowbogen“. Nun ist die Schauspielerin Anita Kupsch im Alter von 85 Jahren gestorben.
Stand:
In den Achtzigerjahren war der Bülowbogen ziemlich heruntergekommen. Der Schöneberger Kiez unweit von Haupt- und Yorckstraße galt als eine der gefährlichsten Ecken West-Berlins. Auf der Straße wurden Drogen konsumiert, Obdachlose lungerten in Hauseingängen herum, nachts sollte man in dieser Gegend besser nicht spazieren gehen.
Zum Glück gab es Doktor Peter Brockmann. Der Held der Fernsehserie „Praxis Bülowbogen“, gespielt vom unverwüstlichen Günter Pfitzmann, hatte keine Angst und ging im Notfall auch noch um 22 Uhr auf Hausbesuch. Auch wenn die Nachbarn ihn für einen Einbrecher hielten und die Polizei holten.
Er war kein Halbgott in Weiß wie der von Klausjürgen Wussow gespielte „Schwarzwaldklinik“-Professor Brinkmann, sondern ein Mediziner, über den die Menschen sagten: „Jeder Patient liegt ihm am Herzen.“ Seelische Sorgen waren ihm genauso wichtig wie körperliche Symptome.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Zur Seite stand dem umtriebigen Hausarzt Anita Kupsch als seine stets resolute Arzthelferin. Gabi Köhler, so ihr Rollenname, schirmte Doktor Brockmann ab, wenn der Andrang zu groß wurde. Und widersprach heftig, wenn die Gerüchteküche brodelte und dem Lebemann vorgeworfen wurde, er habe neben seiner Ehefrau noch eine Geliebte.
Nämlich sie, die Helferin und Ausputzerin in allen Notlagen. Manchmal flirtet Gabi mit dem dauerumschwärmten Dr. Brockmann, manchmal wird sie resolut und zickig. Gleich in der turbulenten ersten Folge, die den ironischen Titel „Schönes Wochenende“ trägt, knarzt sie ihren Chef an: „Du hast ein Problem - die Frauen.“ Worauf er entgegnet: „Was ist denn das für ein Plural?“. Und sie einknickt: „Tschuldigung, ist mir so rausgerutscht.“
Mal flirtet sie, mal wird sie zickig
„Praxis Bülowbogen“ wurde von 1987 bis 1996 im ARD-Vorabendprogramm ausgestrahlt und im Schnitt von 3,5 Millionen Zuschauenden gesehen. Die 107 Folgen, in denen beherzt berlinert wurde, prägten das Bild von der Metropole vor und nach der Wende. Mauerwende und Vereinigungsblues, aber auch der Siegeszug des Döner Kebab und die Gier von Wannsee-Millionären waren Themen, personifiziert vom „Hitparaden“-Moderator Dieter Thomas Heck.
Klaus Schwarzkopf spielte einen Obdachlosen namens Gleisdreieck, der auf dem damals brachliegenden Bahngelände übernachtete. Die Bülowbogen-Folgen waren bitterkomische Sittenstudien in der Tradition von Heinrich Zille und seinem „Milljöh“. Die Idee zur Serie hatte der Autor Ulrich del Mestre, der zuvor bereits Drehbücher für die Kleine-Leute-Serie „Drei Damen vom Grill“ lieferte.

© dpa/Hubert Link
Vom Bülowbogen ist es ein kurzer Weg zum Nollendorfplatz, wo der Imbisswagen der Grilldamen Brigitte Mira, Brigitte Grothum und Gabrielle Schramm stand. Und Günter Pfitzmann lieferte ihnen das Fleisch. Mehr West-Berlin geht nicht. Zum Kosmos dieser untergegangenen Fernsehwelt gehörten auch Harald Juhnke, Heidi Brühl, Johanna von Kozcian und Cornelia Froeboess. Allesamt Boulevardtheatergrößen, manche sogar sogenannte Volksschauspieler.
Ursprünglich war sie Kosmetikerin
Anita Kupsch, 1940 in Berlin geboren, hat bei der Choreografin Tatjana Gsovsky Tanzen und bei der Bühnenlehrerin Else Bongers Schauspielen gelernt. Sie gehörte zum Ensemble des Renaissance-Theaters, des Hebbel-Theaters und der Komödie am Ku’damm. Ursprünglich war sie zur Kosmetikerin ausgebildet worden, eine Erfahrung, von der sie als Schauspielerin profitierte. Botox-Kuren lehnte sie ab: „Eine Schauspielerin braucht Mimik, die darf man sich nicht wegspritzen lassen“, erzählte sie der „Stuttgarter Zeitung“.

© dpa/Jens Kalaene
Zum ersten Mal vor der Kamera stand Anita Kupsch 1960 für „Ninotschka und Peer“, einen biederen Ost-West-Liebesfilm. Es folgte das Fluchtdrama „Tunnel 28“ (1962), inszeniert vom aus Hollywood nach Berlin zurückgekehrten Thriller-Altmeister Robert Siodmak. Ihre Rollen wurden größer, in der Tucholsky-Verfilmung „Rheinsberg“ (1967), der Sexklamotte „Helgalein“ (1969) und Wolfgang Petersens erstem Kinofilm „Einer von uns beiden“ (1974).
Botox? Eine Schauspielerin braucht Mimik, die darf man sich nicht wegspritzen lassen
Anita Kusch, Schauspielerin, Tänzerin und Kosmetikerin
Wirklich populär wurde Kupsch im Fernsehen. Sie drehte „Tatorte“, trat in legendären Serien wie dem Vorabend-Europol-Krimi „Okay S.I.R.“ und der Fallada-Adaption „Ein Mann will nach oben“ auf, zusammen mit Mathieu Carrière, Ursela Monn und Rainer Hunold. Präsentiert wurde dort ein anderes, älteres Berlin der kleinen Leute, vom Kaiserreich bis in die Weimarer Republik und mit dem Stettiner Bahnhof als einer Hauptkulisse.
Am Donnerstag ist Anita Kupsch gestorben. Im Alter von 85 Jahren sei sie „friedlich eingeschlafen“, wie ihr Ehemann Klaus-Detlef sagte. Krahn und Kupsch waren seit 1986 verheiratet. Gesund war Kupsch schon länger nicht mehr, nachdem 2011 bei ihr Brustkrebs diagnostiziert worden war. Zuletzt lebte sie in einem Pflegeeinheim. „Ich bin zufrieden, sie ist endlich erlöst“, so Krahn. „Sie lag nur noch im Bett, hat mich nicht mehr verstanden und konnte sich nicht mehr äußern.“
Schlagfertigkeit war die wichtigste Waffe der Schauspielerin. Auf die Frage, wie viel von der Arzthelferin Gabi Köhler in ihr stecke, antwortete Anita Kupsch: „Eigentlich gar keine. Außer dass sie eine Klappe hat. Und die Klappe habe ich auch.“ (mit dpa)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: