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Die US-amerikanische Katie Crutchfield nennt sich als Musikerin Waxahatchee.

© imago/ZUMA Press

Wärme und Songpoesie: Waxahatchee live im Festsaal Kreuzberg

Die Songwriterin spielt auf ihrer „Tigers Blood“-Tour ein großartiges Konzert in Berlin und gibt sich wie auf ihren letzten Alben: leidenschaftlich, präzise – und erwachsen.

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Dolly Partons „Here I Am“ knistert aus den Lautsprechern, als Katie Crutchfield, besser bekannt als Waxahatchee, ihrer fünfköpfigen Band lächelnd auf die Bühne folgt. Sie trägt einen langen Rock, ein schwarzes Croptop und eine Trucker-Cap der Kansas City Royals, dazu Glitzer-Make-Up und ein Haarband in Form einer riesigen roten Blume – sie sieht unfassbar cool aus.

Die Kappe wird sie noch vor Ende des ersten Songs an einen Fan in der ersten Reihe verschenkt haben. „3 Sisters“ heißt dieser Song, der auf ihrem im März veröffentlichten, sechsten Album „Tigers Blood“ ebenfalls der erste Titel ist. Über ruhige Pianoakkorde und ein paar Tupfer auf der E-Gitarre setzt Waxahatchee zu einer herzzerreißenden Melodie an, verzaubert den Raum mit ihrer markanten Stimme, bis nach guten zwei Minuten die ganze Band reindrischt: kollektives Jauchzen und Tanzen, ein perfektes Intro.

Es folgen, genau wie auf „Tigers Blood“, „Evil Spawn“ und „Ice Cold“. Die Band spielt druckvoll, laut und dabei so wahnsinnig präzise, dass der unverkennbare Waxahatchee-Sound, dieser eindringliche Mix aus Country Twang und Indie Rock, kaum von den Studioaufnahmen zu unterscheiden ist. Crutchfield wird über den ganzen Abend jeden Ton perfekt treffen, ob alleine oder in Harmonie mit ihren Bandmitgliedern. Ansonsten ist die 35-Jährige auf der Bühne keine Frau großer Worte, ihre Ansagen sind kurz und zurückhaltend, meist lässt sie lieber die Musik sprechen. Die hat schließlich genug zu erzählen.

Abschied von der Lo-Fi-Ästhetik

Katie Crutchfield hat ihr Leben in ihren Songs festgehalten, in traurig-schönen Melodien und sehr persönlichen, häufig unheimlich dichten und poetischen Texten. Seit ihrer Highschool-Zeit war sie mehr oder weniger regelmäßig auf Tour. Viele Jahre verbrachte sie in alten Vans auf den Highways der USA, um als Gitarristin und Sängerin der Pop-Punk-Band P.S. Eliot in schäbigen Bars aufzutreten.

2012 veröffentlichte sie ihr erstes Soloalbum als Waxahatchee – benannt nach Waxahatchee Creek, Alabama, wo sie aufgewachsen ist. Ihr Zweitwerk „Cerulean Salt“ zog bereits das Interesse der Musikpresse auf sich, doch erst ihr fünftes Album „Saint Cloud“ von 2020 brachte den Durchbruch.

Darauf verarbeitete sie den Abschied von einem Begleiter, der ihr mehr als ein Jahrzehnt hartnäckig durch ihr wildes Leben gefolgt war: dem Alkohol. Mit ihrem Lebensgefährten Kevin Morby ließ sie sich auf einer Ranch nahe Kansas City nieder und pflegt seitdem einen nüchternen Lebensstil, weit entfernt von allen Rockstar-Klischees.

Auch ihre Musik machte eine entscheidende Veränderung durch, von der Lo-Fi-Akustik-Ästhetik der frühen Alben zur vollständigen Bandbesetzung. „Saint Cloud“ (und auch „Tigers Blood“) ist zu gleichen Teilen Alternative Country, Singer-Songwriter und Indierock. Dabei gelingt Waxahatchee eine ganz entscheidende Gratwanderung: Zu ihren Songs kann man sich weinend in den Armen liegen – oder aber allen Frust herausschreien. Denn den punkigen Habitus hat sie auch in ihren gefühlvollsten Kompositionen nicht abgelegt.

Genau diese Qualitäten demonstriert Waxahatchee auch an diesem Abend. Sie strahlt, sie rockt, spielt selbst die ruhigeren Nummern mit Dringlichkeit und Energie und wirkt dabei doch immer ganz entspannt: eine Frau im Reinen mit sich und ihrer Kunst. Ihre fantastische Band greift währenddessen wie ein Uhrwerk ineinander, zeigt ihr Können auch an Pedal-Steel-Guitar oder Banjo.

Die Setlist beinhaltet beinahe ausschließlich Songs der letzten beiden Waxahatchee-Alben, mit Ausnahme von „Problem With It“ und „Hurricane“ von der 2022er-Kollabo-LP mit Jess Williamson. Auf „Hell“, „Crowbar“ oder dem letzten Song „Tigers Blood“ drehen die Musiker:innen richtig auf und das Publikum macht johlend mit.

Es wird geschunkelt, geheadbangt und mitgesungen. Als Zugabe gibt es dann sogar einen unveröffentlichten Song, gefolgt von „365“ und schließlich „Fire“. Winkend geht Katie Crutchfield von der Bühne, während die Band das Stück noch eine Weile ausklingen lässt. Ein wohlig-warmes Gefühl bleibt.

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