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Sandsäcke schützen wichtige Kulturgüter in Kiew.

© Tagesspiegel/Georg Ismar

Die Woche: Eine perfide Ideologie

Auch hinter der Zerstörung und dem Antransport von ukrainischen Kulturgütern liegt eine klare Kriegsstrategie.

Stand:

In diesen Tagen jährt sich die russische Invasion in der Ukraine. Damit ist genau vor einem Jahr in mehrfacher Hinsicht das Undenkbare eingetreten: ein Krieg inmitten Europas, der von einer atomaren Streitkraft entfesselt wurde. Wir sind seither Zeugen unfassbaren Leids und sehen die Zerstörung von Leben, Städten und Landstrichen. Wie in allen Kriegen ist auch der Raub des kulturellen Erbes ein Teil der strategischen Kriegsführung. Im Zweiten Weltkrieg, als mit dem deutschen Überfall auf Polen 1939 ein rassistischer Vernichtungskrieg in Osteuropa begann, der mit dem Tod von Millionen von Zivilisten einherging, zerstörten und raubten deutsche Einheiten systematisch Kunst- und Kulturgüter.

Auch Russland hat eine Strategie, wenn es um ukrainische Kulturgüter geht. Die UNESCO spricht von mehr als 238 beschädigten Kulturstätten, darunter religiöse Gebäude, Museen und Bibliotheken. Sie führt zudem 420 zerstörte Bildungseinrichtungen auf. Das ukrainische Bildungsministerium meldet außerdem Schäden an 2631 Bildungsstätten. In Städten wie Mariupol oder Kherson plünderten die russischen Truppen bei den Angriffen all jene Kunstschätze, die noch nicht von den Bombardierungen oder durch Feuer zerstört worden waren. Zur Beute gehörten selbst die sterblichen Überreste Grigorij Potemkins, der zu Zeiten Katharina der Großen große Teile der heutigen Ukraine erobert und die legendäre Schwarzmeerflotte aufgebaut hatte.

Viele Ukrainer, darunter Kulturminister Oleksandr Tkachenko, sehen in dem Diebstahl und der Zerstörung eine kolonialistische Politik, die zum Ziel habe, die nationale Kultur des Landes auszulöschen. Dies deckt sich mit der russischen Begründung für den Krieg, die Ukraine habe keine eigene Geschichte und daher auch kein Recht, als Land zu existieren.

Den Verbleib des kulturellen Erbes zu dokumentieren, ukrainische Kulturgüter in Sicherheit zu bringen, über die Kunstschätze aufzuklären, präzise die mitunter verwobene Kulturgeschichte Russlands und der Ukraine zu erzählen – in all dem liegt ein wichtiger Auftrag, bis der Krieg beendet ist. Nur so kann der symbolträchtigen Untermauerung einer perfiden Ideologie entgegengewirkt werden.

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