
© Bob Gruen/Piece of Magic Entertainment/dpa
Dokumentarfilm „One to One“: Die ganze Wahrheit über John und Yoko
John Lennon und Yoko Ono zogen 1971 nach New York. Ein Dokumentarfilm zeigt, was sie dort taten: Demonstrieren, ein großartiges Konzert geben und viel fernsehen.
Stand:
Alle Macht den Menschen. „Power to the people“, singen Tausende Hippies im Madison Square Garden von New York. Sie jubeln, klatschen, toben. John Lennon und Yoko Ono stehen einen Moment im Bühneneingang. Dann treten sie hinaus in den Lärm und das Licht, wo ihre Band schon zu spielen begonnen hat.
Der Dokumentarfilm „One to One: John & Yoko“ zeigt immer wieder Szenen des Konzerts, das wegen des Besucherandrangs zweimal am 30. August 1972 aufgeführt wurde. Es war Lennons erster und letzter großer Auftritt, nachdem er die Beatles verlassen hatte. Lennon und Ono waren ein Jahr zuvor nach New York gezogen, wo sie bis 1973 in einem kleinen Apartment in Greenwich Village lebten. Es war eine Flucht vor der Beatlemania und den Angriffen auf Ono, die für das Ende der Band verantwortlich gemacht wurde.
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Was nicht stimmte. Die Beatles hatten sich aufgelöst, weil Paul McCartney und John Lennon heillos zerstritten waren. Aber die britische Presse warf Yoko Ono vor, „hässlich“ zu sein. Später, als die Fluxus-Künstlerin schwanger war, wurde sie in England auf der Straße angepöbelt. „Sie schrien mich an“, erzählt sie im Film, „und riefen: Ich wünschte, Du und Dein Baby würden sterben“.
Ich mag das Fernsehen. Für mich ersetzt es das Lagerfeuer. Es ist ein Fenster in der Wand.
John Lennon
Das berühmte Paar kam in ein aufgewühltes, politisch zerrissenes Land. Lennon und Ono nahmen teil an Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und für die Freilassung von Strafgefangenen aus Reihen der Gegenkultur. Den Erlös aus ihrem New Yorker Konzert, bei dem auch Stevie Wonder und Roberta Flack auftraten, spendeten sie der Willowbrook State School auf Staten Island, in der behinderte Kinder unterrichtet wurden.
Für den Film ist Onos und Lennons Wohnung detailgetreu nachgebaut worden. Sie wirkt eng und studentisch, wichtigstes Möbelstück war – wie schon 1969 bei den „Bed-In“-Performances in Amsterdam und Montreal – das gemeinsame Bett. Nur dass Lennon oft allein darin lag, um fernzusehen. Fernsehen war zu dieser Zeit eine Obsession von ihm: „Ich mag das Fernsehen. Für mich ersetzt es das Lagerfeuer. Es ist ein Fenster in der Wand.“
Talkshows, Krieg und Dosensuppe
Szenen aus der Heile-Welt-Serie „Die Waltons“. Zapp. Ein Hippie greift in einer Talkshow den Moderator an: „Ich bin ein Misfit, ich passe nicht in Deine Plastik-TV-Show!“ Zapp. G.I.s kämpfen im Dschungel gegen den Vietcong. Ein Soldat wird angeschossen, verliert viel Blut. Ein Hubschrauber landet, fliegt ihn ins Lazarett. Zapp. Werbung für die Tomatendosensuppe von Campbell. Berühmt gemacht hatte die Dose Andy Warhol. Zapp.
Manchmal ist „One to One“ reinste Pop Art. Die Fernsehbilder, die Lennon in seinem New Yorker Refugium gesehen haben könnte, werden zum Porträt einer hysterischen, aus den Fugen geratenen Zeit. Der Antagonist der Friedensaktivisten Lennon und Ono ist Richard Nixon, der autokratische US-Präsident, der trotz des Watergate-Skandals 1972 wiedergewählt wurde.
John Lennon fürchtete, vom FBI verfolgt zu werden. Deshalb hielt er alle Anrufe auf Tonbändern fest, als Beweismittel für eine mögliche juristische Auseinandersetzung. Lennons Misstrauen erwies sich als berechtigt. Denn das FBI war tatsächlich hinter ihm her.
Nixon hätte Lennon und Ono gerne abschieben lassen. Weil er Hippies hasste und in Lennon einen britischen Querulanten sah. Nixon war paranoid und ließ alle Gespräche im Oval Office mitschneiden, was ihm im Laufe der Watergate-Ermittlungen zum Verhängnis werden sollte.

© 1970 Yoko Ono Lennon
So nah wie in „One to One“ ist man John Lennon und Yoko Ono noch in keinem anderen Film gekommen. Die Regisseure Kevin Macdonald und Sam Rice-Edwards haben sich durch gewaltige mediale Hinterlassenschaften gearbeitet und dabei auch viel privates Material entdeckt. Dazu gehören Super-Acht-Filme, in denen Ono und Lennon sich bei Reisen, Ausstellungsvorbereitungen oder als junge Familie mit Sean und Onos Tochter Kyoko Cox aufgenommen haben.

© Courtesy of the artist
Bilder, Songs und Gespräche gleiten kaleidoskopisch ineinander. Die Telefon-Mitschnitte fungieren dabei wie ein akustisches Tagebuch. Assistenten von Yoko Ono melden sich, die für eine Kunstperformance tausend lebende Stubenfliegen besorgen sollen. Das gestaltet sich schwierig, weil Ono will, dass die Fliegen bei ihrem Museumsauftritt nicht sterben. Wäre schlecht fürs Karma.
Tiraden gegen den Kapitalismus
Mehrmals ruft der Aktivist A. J. Weberman an, der Bob Dylan hasst und Lennon mit antikapitalistischen Tiraden behelligt: „Dylan ist unser Feind geworden, er ist ein verdammter Multimillionär.“ Weberman durchsucht in dieser Zeit sogar Dylans Müll, um Belege für seine Anschuldigungen zu finden.
Lennon und Ono planten eine Tour mit Dylan. Aber Dylan war von Webermans Unterstellungen so genervt, dass er absagte. Die Ära, in der die prominentesten Köpfe der Gegenkultur gehofft hatten, dass man mit „Love, Peace and Understanding“ die Welt retten könne, war endgültig vorbei.
Einmal versucht John Lennon einen Musikjournalisten zu erreichen und gerät an dessen Sekretärin. Er bittet um einen Rückruf und buchstabiert seinen Namen: „L-E-N-N-O-N“. „Oh, Sie gehören zu den Beatles?“, fragt die Sekretärin. Lennons Antwort: „Ja, das ist korrekt.“ Er war nach Amerika gekommen, um seine Vergangenheit hinter sich zu lassen. Doch den Beatles ist John Lennon bis zu seinem Tod nicht entkommen.
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