
© Annika Weinthal
Dota Kehrs neues Album „Springbrunnen“: Die Hoffnung glänzt
Zwei Alben hat die Berliner Songwriterin Dota Kehr der Lyrik Mascha Kalékos gewidmet. Jetzt singt sie auf dem kontrastreichen Album „Springbrunnen“ endlich wieder eigene Texte.
Stand:
Drei Jahre lang sich hat Songwriterin und Produzentin Dota Kehr mit der Lyrik von Mascha Kaléko, Berliner Dichterin der Neuen Sachlichkeit befasst, und zwei schöne Alben mit Vertonungen von Kalékos Liedern herausgebracht. Mit „Springbrunnen“ kehrt Dota, deren Name auch ihre aus Jan Rohrbach (Gitarre), Alex Binder (Bass), Patrick Reising (Keyboards) und Janis Görlich (Drums) bestehende Band einschließt, wieder zu ihren eigenen zurück.
Was in den Texten auffällt: Die Auseinandersetzung mit Kalékos Großstadtgedichten hat Dota Kehrs Gespür für Sehnsüchte, Stimmungen und Alltagsimpressionen geschärft. Immer wieder finden sich in ihren Versen lyrische Miniaturen wie im Song „Ich und er“, wo es heißt „Ich hab aus Versehen, eine Regenwolke verschluckt / Und aus Versehen ein Gewitter ausgespuckt“.
Obwohl viele der zwölf Songs auf „Springbrunnen“ einen hüpfenden, Uptemp-Drive haben, ist der Einstieg ausgesprochen melancholisch. „Der Frühling“ erzählt, dominiert von Dota Kehrs Aktustikgitarre und ihrem glasklaren Sopran, vom Neuanfang der Natur, zu der der Mensch im feindlichen Gegensatz steht: „So mild strahlt der Frühling, als sagte die Erde: „Schwamm drüber, ich hab euch verziehen“.
Der Background-Gesang des Kammerchors Jeunesse Berlin und das minimalistische, aber effektvolle Arrangement machen das Lied zu einem ebenso wehmütigen wie exotischen Opener. Einer, der von der Sehnsucht nach der Versöhnung mit der Natur spricht, die Dota Kehr mit ihren vielen Auftritten bei Klima-Kundgebungen von „Fridays for Future“ seit Jahren umtreibt.
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Dota Kehr, die in den nuller Jahren ihre ersten Alben unter dem Namen Kleingeldprinzessin aufgenommen hat (ihr Label heißt immer noch so), ist nicht nur studierte Medizinerin, sondern hat seit einem Auslandsstudium dort auch eine starke Verbindung zur Musik Brasiliens. Zuletzt hat sie 2024 mit dem Album „De repente Fortaleza“ eine deutsch-brasilianische Koproduktion mit dem Gitarristen Danilo Guilherme herausgebracht.
Kontrastreiche Arrangements
Die detailverliebten Arrangements, zu denen sich in der fröhlichen Ende-der-Ferien-Nummer „Alle sind zurück in der Stadt“ eine Bläsersektion aus Saxophon, Trompete und Posaune gesellt oder in der melodiösen Ballade „Alles glänzt/Die Hoffnung“ Klarinette und Bassklarinette für Akzente sorgen, haben einen starken Anteil am charakteristischen Sound der Band, der irgendwo zwischen Indiepop und Popchanson liegt. Anders als auf den Kaléko-Alben sind diesmal aber keine Jazz- und Bossa Nova-Anteile dabei.

© Annika Weinthal
Der Stoßseufzer „Klingt ja alles irgendwie gleich“, der einen beim Anhören von Alben manchmal beschleicht, trifft bei der kontrastreichen Liederpalette auf „Springbrunnen“ nicht zu, wenn man von Dotas Gesang und ihrer Akustikgitarre absieht.
Auch inhaltlich macht Dota Kehr nicht beim popmusikalischen Einerlei aus Liebesfreud und Liebesleid mit. In „Einfach zu abgelenkt“ seziert sie zu den Stakkato-Rhythmen von Keyboard und E-Gitarre die knappe Aufmerksamkeitsspanne der Social-Media-Gesellschaft. „Es reicht gerade noch für Fotos und Kommentare / Für die Empörung über irgendwessen Haare / Nicht mehr für große Utopien / Nur noch für einfache Kategorien“.
Und in dem witzigen Song „Ein gutes Buch“, der ursprünglich von Julius Fischer stammt, veräppelt die 45 Jahre alte Liedermacherin das Rattenrennen um Aufmerksamkeit im Netz: „Okay, ich stell‘ da was rein. / Wie schwer kann es sein?! / Ich misch da jetzt mit, ich lande ‘nen Hit / Mir fällt bloß noch nichts ein“.
Die sprachliche Präzision der ironischen, unsentimentalen Großstadtgedichte von Mascha Kaléko kann ihre Verehrerin Dota Kehr in „Springbrunnen“ noch nicht toppen. Aber sie ist mit den Mitteln einer Songwriterin auf dem besten Weg dazu.
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