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Stillleben mit Regal.

© dpa

Edition Suhrkamp: Heute hip

Der Edition-Suhrkamp-Laden in Berlin-Mitte ist eröffnet. Die Reihe wird neu belebt und soll die Strahlkraft der Sechziger und Siebziger zurückerlangen.

Toll sehen sie aus, die Bücher, die da an den Längsseiten des temporären Edition-Suhrkamp-Ladens in der Linienstraße 127 in Mitte ausgestellt sind; schillernd leuchtend stehen oder liegen die Edition-Suhrkamp-Bändchen in den Regalen des Künstlers Rafael Horzon. Als Gesamtkunstwerk macht die es-Reihe mit ihren über 2600 Bänden viel her. Fragt sich, ob die Edition, wie der Verlag es hofft, neu belebt werden und auch die geistige Strahlkraft zurückerlangen kann, die sie in den sechziger und siebziger Jahren hatte. Am Eröffnungsabend ist zwar kurz davon die Rede, dass die Bücher sich ruhig wieder mehr verkaufen könnten und der Laden dazu dient, sie verstärkt in ein öffentliches Bewusstsein zu rücken. Irgendjemand lästert auch, dass es hier ja aussehe wie bei dem aus dem Verlag geschiedenen Unseld-Sohn Joachim, der die von Willy Fleckhaus gestalteten Bände gleichfalls in den Regalen seines Frankfurter Wohnhauses drapiert hat.

In erster Linie aber wird die glorreiche Vergangenheit beschworen. Jonathan Landgrebe, kaufmännischer Geschäftsführer von Suhrkamp, verweist auf Großtaten wie die Ausgaben 175 und 218 zu den Paragrafen über Homosexualität und Abtreibung. Und erwähnt, dass es schon Ende der siebziger Jahre eine „Krise der Staatsfinanzen“ gegeben habe, die Klaus –Martin Groth in einem gleichnamigen Band untersuchte, Ausgabe 918.

Suhrkamps Cheflektor Raimund Fellinger zitiert Habermas, der im Vorwort zum 1000. Band der Reihe die „Prägung der kulturellen Milieus“ beschrieb, und dass es die „Überprägnanz“ heute naturgemäß nicht mehr gebe. Und erzählt, wie die Reihe entstanden ist, dass Martin Walser oder Max Frisch überhaupt nichts davon hielten, Hans Magnus Enzensberger aber schon, wer auch sonst? Und dass später die Studentenbewegung nichts anderes las als die bunten, billigen, aber gehaltvollen Edition-Suhrkamp-Bändchen.

Und die Gegenwart? Zeigt sich an diesem Abend in den Autoren Detlef Kuhlbrodt und Bernd Cailloux, die gegen das Redebedürfnis der zahlreichen Gäste anlesen müssen. Und darin, dass sich bis Ende Juli Schriftsteller wie Andreas Neumeister, Dietmar Dath oder Serhij Zhadan zu Lesungen einfinden, es Diskussionen zum „politischen Wandel und die Rolle der Medien“ oder „Perspektiven auf den Verlust der gesellschaftlichen Balance“ gibt. Oder man sich auch sonst an drei Tagen der Woche in dem offenen, hellen, geräumigen Laden einfinden, Bücher kaufen oder nur Kaffee trinken kann. Suhrkamp goes Mitte – und die Edition in einen Laden, der mehr an eine Galerie erinnert als an eine Buchhandlung. Fehlt bloß noch der Merchandising-Stand mit Edition-Suhrkamp-T-Shirts, -Lesebrillen oder -Tassen. Bei so viel Hipness besteht zumindest nicht die Gefahr einer Musealisierung der Reihe.

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