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Felicia Awinbe als Comfort und Jacob Ayanaba als Idrissu im ghanaischen Film "Nakom".

© Rasquaché Films

Berlinale Panorama: Erbe der Väter, Kraft der Söhne

Das Panorama erforscht die Macht der Familie, zeigt sensible Jungmänner und feiert 30 Jahre Teddy Award.

Europa, der zerrissene und zerschlissene Kontinent. Von Krisen gebeutelt, scheint ihn derzeit wenig zusammenzuhalten. Dabei gibt es so vieles, was die Menschen und Länder verbindet. Das zeigt etwa der halbdokumentarische Film Europe, She Loves, der sich dem Kontinent von der Peripherie her nähert.

Der Schweizer Regisseur Jan Gassmann hat vier heterosexuelle Paare zwischen 20 und 30 aus den Städten Dublin, Tallinn, Thessaloniki und Sevilla begleitet. Er kommt ihnen sehr nahe und man sieht, dass letztlich alle mit ähnlichen Problemen kämpfen, die mit der schwierigen sozio-ökonomischen Situation ihrer Länder zusammenhängen.

„Europe, She Loves“ eröffnet die Reihe Panorama Dokumente, in der 17 Filme zu sehen sind. Insgesamt hat das Team um Wieland Speck 51 Filme aus 33 Ländern eingeladen. In vielen der Spielfilme stehen sensible Männerfiguren im Zentrum. Etwa bei Indignation, dem späten Regiedebüt von Produzent James Schamus (2014 Leiter der Wettbewerbsjury), einer Philip-Roth-Verfilmung: Ein jüdischer Student aus der Arbeiterklasse liefert sich während der Zeit des Koreakriegs an einem College in Ohio Rededuelle mit seinem Professor.

Im Brooklyn der Gegenwart spielt das Drama Little Men von Panorama-Stammgast Ira Sachs, das von 13-jährigen Nachbarjungen handelt. Sie freunden sich an, halten gegen alle Widrigkeiten zusammen, bis sie in die Streitigkeiten ihrer Familien hineingezogen werden.

Die Familie als dominante Macht – auch erwachsene Protagonisten bekommen das in einer Reihe von Panorama-Filmen zu spüren. Zum Beispiel Ariel (Alan Sabbagh) aus Daniel Burmans El rey del Once. Der Mann kehrt nach langer Zeit in seine Heimatstadt Buenos Aires zurück, er will seinen Vater treffen. Doch der entzieht sich ihm immer wieder, spannt ihn aber in seine Arbeit bei einer jüdischen Hilfsorganisation ein. So schiebt er ihn allmählich in die Position seines Nachfolgers.

Ähnlich unwillentlich gerät Idrissu (Jacob Ayanaba), der Held von Nakom, an die Stelle seines verstorbenen Vaters. Der ghanaische Medizinstudent muss aus der Stadt zurück in sein Heimatdorf, wo er nun den Patriarchen geben soll. Das widerstrebt ihm, doch er beginnt, sich um die drängendsten Probleme seiner von Ackerbau lebenden Familie zu kümmern. Dieses ruhige, eindrucksvolle Werk von Kelly Daniela Norris und TW Pittman ist der erste Film aus Ghana, der auf der Berlinale zu sehen ist.

Aus Israel kommt Sufat Chol, das Regiedebüt von Elite Zexer. Hier kämpfen zwei Frauen mit den patriarchalen Traditionen ihrer Beduinenfamilie, die in der südisraelischen Wüste lebt. Jalila (Ruba Blal) leidet darunter, dass sich ihr Mann eine jüngere Zweitfrau nimmt. Die selbstbewusste Tochter Layla (Lamis Ammar) hat sich in einen Mitschüler verliebt, was ihr Vater nicht duldet. Gemeinsam lehnen Mutter und Tochter sich gegen ihn auf.

Doris Dörrie zeigt ihren neuen Film "Grüße aus Fukushima"

Auch im Panorama-Eröffnungsfilm steht eine eigenwillige junge Frau im Mittelpunkt. Jà, Olga Hepnarovà von Tomas Weinreb und Petr Kazda basiert auf einer wahren Geschichte, die sich Anfang der 70er in der Tschechoslowakei ereignete. Olga (Michalina Olszanska) ist eine stets finster blickende Außenseiterin, die als Lastwagenfahrerin arbeitet, viel liest und manchmal Sex mit jungen Frauen hat. Dass sie nirgends echte Nähe und Verständnis findet, frustriert sie so sehr, dass sie eine verstörende Verzweiflungstat begeht. Gedreht hat das Regie- Duo in Schwarz-Weiß, genau wie Doris Dörrie, deren Grüße aus Fukushima als Weltpremiere läuft. Eine junge Deutsche (Rosalie Thomass) baut gemeinsam mit einer alten Japanerin (Kaori Momoi, die Schauspielerin zeigt im Forum übrigens eine eigene Regie-Arbeit) deren vom Tsunami zerstörtes Haus in der Sperrzone wieder auf.

Queere Klassiker zum Teddy-Geburtstag

Mit einer Reihe von 17 queeren Klassikern feiert das Panorama den 30. Geburtstag des Teddy Award, der für den besten queeren Berlinale-Film vergeben wird. Gezeigt werden unter anderem eine restaurierte Fassung von Anders als die Anderen, Monika Treuts Doku Gendernauts und das Rockmusical Hedwig and the Angry Inch. Zu den Filmen, die diesmal ins Teddy-Rennen gehen, gehören unter anderem das chilenische Drama Nunca vas a estar solo, in dem ein junger Schwuler einem Hassverbrechen zum Opfer fällt, und Théo et Hugo dans le même bateau, das mit einer langen Szene in einem schwulen Sex-Club eröffnet. Hinzu kommen Dokus über schwule Chöre in Südkorea (Weekends) und London (Who’s gonna love me now), den Fotografen Robert Mapplethorpe und den Regisseur Howard Brookner.

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