Am Eingang werden leuchtende Armbänder verteilt, die an Handgelenken und Hälsen durch das Berliner Lido schwirren. Aber es sind wenige. So wirkt das vereinzelte Neonglimmen wie ein schwacher Widerschein der großen Explosion, die vor einigen Monaten in England von drei Londoner Musikern ausgelöst wurde. Die hatten sich nach einem Sirenenhersteller benannt und nur eins im Sinn: auffallen. Das wollen viele. Wie stellt man es also an, als schätzungsweise 143. neue, englische Gitarrenband, die genauso blass aussieht wie all die anderen, plötzlich für cool gehalten zu werden?
Die Klaxons gingen die Sache strategisch an: „die Charts mit verwirrenden Bildern, Images und Aussagen infiltrieren“, erklärt der Gitarrist und ehemalige Kunststudent Simon Taylor im „Spex“-Interview den künstlerischen Ansatz. „So gesehen, waren die Klaxons von Anfang an eine Behauptung.“ Mit „New Rave“ erfanden sie ein eigenes Genre gleich mit, dessen erste und dominierende Band das Trio sein wollte – und beriefen sich auf eine Phase der britischen Popgeschichte Anfang der Neunziger, die bislang noch kein Revival erlebt hat. Darüber geriet beinahe aus dem Blick, dass ihre Musik mit Rave nichts zu tun hat. Sie spielen Rock mit einem gewissen Dance- Punk-Appeal. Dennoch funktioniert der Etikettenschwindel: Das Debütalbum „Myth Of The Near Future“ stieg bis auf Platz zwei der englischen Charts. Die Rechnung (Rave ist gleich Party) geht auf.
Auch in Berlin. Nach einem Einpeitscher-Intro kreischt die ohrenbetäubende Anfangssirene von „Atlantis To Interzone“ durch den Raum. Der Song ballert mit einer aggressiven Nervosität, die an The Prodigy erinnert, gegen die Trommelfelle. Dann biegt er kurz ab in Britpop-Gefilde, um wieder Gas zu geben. Ähnlich effektvolle Bremsmanöver demonstrieren die Klaxons noch mehrere Male während ihres 45-minütigen Auftritts. Wovon die Texte handeln, ist nicht zu verstehen. Dabei steckt viel Mühe darin, auch auf diesem Gebiet möglichst originell rüberzukommen. Fast schon aufdringlich sind Bezüge auf literarische Großmeister wie Thomas Pynchon oder J. R. Ballard. Aber egal! Hauptsache, es tanzt.
„Myth Of The Near Future“ von Klaxons ist bei Polydor erschienen.
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