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Das ehemalige Postamt am Ernst-Reuter-Platz, saniert von Tchoban Voss Architekten.

© TVA Chestakov

Ausstellung „Re-Use“ im Aedes: Es muss nicht gleich die Abrissbirne sein

Das Berliner Architekturforum Aedes beleuchtet den nachhaltigen Umgang mit alter Bausubstanz, der längst zu einem ökologischen Gebot geworden ist.

Aedes, Christinenstraße 18, bis 8. Juli zu den jeweils aktuellen Corona-Schutzbedingungen. www.aedes-arc.de

Bauen heißt wohnen. Wohnen heißt bleiben, sagt der Philosoph. Daraus folgen letztendlich Stadterhaltung und Denkmalschutz. Der Mensch ist verwurzelt, braucht vertraute Umgebung, Heimat, verlässliche Gewissheiten. Und so gehört zum Menschsein das Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur, zwischen dem Werden und Vergehen der Natur einerseits und dem Aufbau von Konstanz andererseits. Radikale Erneuerung und rasantes Wachstum sind Merkmale der schnelllebigen heutigen Zeit. Da geraten Bewahrer leicht in den Ruch der Bremser und Verhinderer des Fortschritts. Doch brachiale Umbrüche der Lebenswelt verunsichern, entwurzeln den Menschen und so kommt es darauf an, notwendige Erneuerung und Veränderung in Maßen und sozialverträglich zu organisieren und mit Bewahrung und Pflege vertrauter Lebenssituationen zu kombinieren.

Zu diesem Bewahrungsaspekt ist in jüngerer Zeit ein anderer hinzugekommen. Die Beibehaltung gebauter Strukturen ist zum ökologischen Gebot der Nachhaltigkeit geworden. Es war der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA, der im vergangenen Jahr mit seiner klimapolitischen Resolution „Das Haus der Erde“ auch auf die Dringlichkeit dieses Punktes hinwies.

„Re-Use“ heißt das Schlagwort aus der Materialwirtschaft, das nun auch in der Architektur angekommen ist. Es geht darum, vorhandene Gebäude nicht gedankenlos abzuräumen und für Neues Platz zu machen, sondern sie als Ressourcen zu verstehen, als Potenziale „grauer Energie“, die es zu nutzen gilt. „Re-Use“ heißt denn auch eine Ausstellung im Architekturforum Aedes am Pfefferberg, in der das Architekturbüro Tchoban Voss (Berlin Hamburg) Wege zur Wieder- und Weiterverwendung in die Jahre gekommener Gebäude präsentiert.

Revitalisierung und Modernisierung

Zum Beispiel das ehemalige Fernmeldeamt am Ernst-Reuter-Platz, 1974 nach dem Entwurf des Architekten Bernhard Binder gebaut und als wichtiger Bestandteil des Platzensembles im Blickfeld des Landeskonservators, das nach langem Leerstand abrissgefährdet war und das seit kurzem in seiner eleganten Kubatur wieder wie neu erscheint. Tchoban Voss hatten den Stahlskelettbau schadstoffbefreit, entkernt und technisch auf den Stand der Zeit gebracht. Bei der vorbildgetreuen Erneuerung der Fassaden haben sich die Architekten bewusst entschieden, die Architektursprache der siebziger Jahre zu bewahren.

Ähnlich gingen sie bei der Sanierung eines Bürogebäudes von 1971 an der Blissestraße vor, dessen Umgestaltung in den 1990er Jahren sie weitgehend zurücknahmen. Die Umgestaltung einer ehemaligen Tuchfabrik in Charlottenburg zum Bürobau mit Reminiszenz an die einstige Bestimmung durch die Fassadengestaltung, sowie Beispiele aus Hamburg und Sankt Petersburg zeigen das Spektrum der Möglichkeiten bei Revitalisierung und Modernisierung existierender Bausubstanz.

Aedes zeigt immer zwei Ausstellungen parallel, und so ist nun neben der programmatisch in Re-Use-Materialien eingerichteten Tchoban-Voss-Schau im oberen Saal eine Präsentation der ungemein poetischen und ästhetischen Arbeiten von Zhang Ke aus Peking zu sehen. Den Besucher erwarten dort zauberhafte Modelle seiner Museen- und Themenentwürfe, aber auch, und das ist das Verbindende, Zhangs Beispiele der Revitalisierung historischer Hofstrukturen. Die traditionellen „Hutongs“, haben einstmals Pekings Wohnbebauung ausgemacht und sind bis auf wenige, mittlerweile geschützte und für den Tourismus erschlossene Quartiere dem ungebremsten Städtebau gewichen.

Zhang zeigt, wie sie durch Sanierung und einfühlsame Ergänzungen heutigen Lebens- und Hygienestandards angepasst und zu wunderbaren Wohnorten und sozialen Aktionsfeldern entwickelt werden können – ein Gegenprogramm zu den anonymen Wohnhochhausplantagen, die inzwischen Chinas Lebensrealität bestimmen und die totale Abwesenheit von Heimat darstellen.

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