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Die Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr

© Filmweltverleih

Doku über Hedy Lamarr: Filme drehen und die Nazis besiegen

Sie war Hollywoodstar und entwickelte Kriegstechnik für die USA: der Dokumentarfilm „Geniale Göttin – Das Geheimnis der Hedy Lamarr“.

Von Andreas Busche

Es dürfte nicht vielen Menschen gelungen sein, den Papst und Adolf Hitler gleichermaßen gegen sich aufzubringen – ein Fazit, das Hedy Lamarrs Lebensleistung nicht schmälern soll. Es ist nur eine lakonische Beobachtung über eine faszinierende, widersprüchliche, brillante, auch missverstandene Persönlichkeit.

Mit 18 Jahren entstieg das jüdische Mädchen Hedy Kiesler im Jugenddrama „Ekstase“ splitternackt einem See und wurde über Nacht zur Skandalfigur. Die Wiener Bohème war damals vergleichbar mit dem Berlin der Goldenen Zwanziger, doch als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, änderte sich der Ton in Europa. Hollywood-Mogul Louis B. Mayer erkannte die Gelegenheit und rekrutierte auf dem Kontinent „jüdische Talente“. Aus der Wienerin Hedy Kiesler wurde Hedy Lamarr („La Mar“), die aus dem Wasser Geborene, und Hollywood überschlug sich. Den Ruf als „schönste Frau der Welt“ wurde Lamarr nie wieder los.

Alexandra Deans Dokumentarfilm „Geniale Göttin – Das Geheimnis der Hedy Lamarr“ könnte eins dieser tragischen Celebrity-Porträts über die goldene Ära Hollywoods sein. Aber Lamarr war ein anderes Kaliber. Mit sechs Jahren zerlegte die kleine Hedy ihre automatische Spieldose, um die Mechanik zu verstehen; mit Ende Zwanzig ließ sie die Erfindung des Frequenzsprungs patentieren, des ersten erfolgreichen Verschlüsselungsverfahrens: Sie wollte, dass Amerika die Nazis besiegt. Nebenbei drehte und produzierte Hedy Lamarr in Hollywood.

Geld für ihre Erfindungen sah Lamarr bis zu ihrem Tod nicht

Hedy Lamarr mag kein Genie gewesen sein wie Ada Lovelace, die Mitte des 19. Jahrhunderts die Grundlagen einer Programmiersprache entwickelte, oder die „unsichtbaren“ afroamerikanischen Nasa-Mathematikerinnen Katherine Goble, Dorothy Vaughan und Mary Jackson, denen der Film „Hidden Figures“ 2016 ein Denkmal setzte. Aber sie besaß eine „Kombination aus kindlicher Unwissenheit und genialen Geistesblitzen“, wie der Komponist George Antheil schrieb, der mit ihr gemeinsam den Frequenzsprung erfand.

Die US-Navy ließ das Patent dennoch im Tresor verschwinden. Hedy Lamarr durfte stattdessen Kriegsanleihen verkaufen – und den Soldaten Küsse. 25 Millionen Dollar machte sie damit. Geld für ihre Erfindung, mit deren Hilfe Amerika später in Vietnam Krieg führte, sah sie bis zum ihrem Tod im Januar 2000 nicht.

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Erstaunlich hellsichtiges Interview

„Geniale Göttin“, der jüngste Beitrag zur nun schon 20 Jahre währenden Lamarr-Renaissance, bleibt unentschlossen zwischen Klatsch-Doku und Hommage. Der Film überspielt viele offene Fragen, etwa warum Lamarr ihre jüdische Herkunft verleugnete. Auch ist sich Alexandra Dean nicht zu blöd, Lamarrs labilen psychischen Zustand und ihre sechs gescheiterten Ehen halbherzig mit einem vergeblichen Schrei nach Liebe zu erklären. Ihr eigener Film legt viele andere Schlüsse nahe.

Was Deans Film aber unschätzbar wertvoll macht, ist das wiederentdeckte Telefon-Interview, das der „Forbes“-Journalist Fleming Meeks 1990 mit Lamarr führte und in „Geniale Göttin“ als Erzählfaden dient. Erstaunlich hellsichtig – gemessen an den Anekdoten, die über sie kursieren – kommentiert Hedy Lamarr ihre Lebensgeschichte. Und sie sagt Sätze, die viele erfolgreiche Frauen vermutlich noch immer unterschreiben können. „Die größten Persönlichkeiten mit den besten Ideen können von den kleinsten Menschen mit dem kleinsten Verstand mundtot gemacht werden. Strebe trotzdem nach Größe!“

Delphi Lux, FT am Friedrichshain, Rollberg, Xenon (alle OmU)

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