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Ein Mann, der gefällt. Willi Forst in der Filmkomödie „Bel Ami“ (1939).

© Deutsche Kinemathek

Filme von Willi Forst: Die Kamera tanzt immer mit

Der Regisseur und Schauspieler Willi Forst schuf grandiose Komödien und skandalöse Melodramen. Eine Retrospektive im Berliner Zeughauskino feiert sein Werk.

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Ein Opernball ist ein Superlativ des Pompösen. Mehr Luxus auf engem Raum gibt es selten zu sehen. Dutzende Paare bewegen sich im Dreivierteltakt, die Kamera tanzt mit. Sie umkreist das schönste Duo des Abends, Willi Forst und Ilse Werner. Sie trägt ein Abendkleid mit Rüschen und gibt sich zurückhaltend. Er zeigt sich wie oft in Frack und Fliege und kann die Augen nicht von ihr lassen.

„Bel Ami“ gehört zu den beeindruckendsten Filmen der Retrospektive, mit denen das Zeughauskino den Regisseur und Schauspieler Willi Forst feiert. Die Adaption von Maupassants Roman kam 1939 ins Kino, produziert von Forsts Produktionsfirma und verliehen von der gleichgeschalteten Tobis AG. Vom bevorstehenden Krieg ist in dieser Geschichte über den Aufstieg eines Hallodris im Pariser Fin de Siècle dennoch nichts zu spüren.

Glück bei den Frauen

Forst verkörpert in seiner Rolle des Journalisten George Duroy eine zurückhaltende, nicht auftrumpfende Männlichkeit, die dem nationalsozialistischen Geschlechterklischee widersprach. Seine Karriere hat er, anders als bei Maupassant, nicht seinem Ehrgeiz, sondern dem Glück und den Frauen zu verdanken.

Hilde Hildebrandt bringt Duroys Verschlagenheit in einer hinreißenden Szene als Revuesängerin auf den Punkt: „Du hast Glück bei den Frau‘n, Bel Ami / Bist nicht schön, doch charmant /Bist nicht klug, doch sehr galant / Bist kein Held / Nur ein Mann, der gefällt.“ Ihr Chanson, komponiert von Theo Mackeben, wurde ein Gassenhauer.

Willi Forst war berühmt und ist heute beinahe vergessen. Dabei kam neben Reinhold Schünzel kein anderer deutschsprachiger Regisseur der überdrehten Komik einer Screwball Comedy so nah wie er. Der Filmkritiker Joe Hembus warf Forst vor, dass er sich mit eskapistischen Komödien wie „dem Diktat der nationalsozialistischen Filmfunktionäre mit ihrer Prüderie und Humorlosigkeit“ gebeugt habe.

Lukas Foerster, der die Filmreihe fürs Zeughaus kuratiert hat, rühmt hingegen Forst als „großen Antirealisten“, der seine Unabhängigkeit gegenüber den Vorgaben der NS-Kulturpolitik bewahrt habe. Denn sein Kino sei „ein Kino der Form, nicht des Inhalts, der Oberfläche, nicht der Tiefe“. Forst weigerte sich, die Titelrolle im antisemitischen Melodram „Jud Süß“ zu übernehmen. Propagandaminister Joseph Goebbels nannte ihn einen „Operetten-Fatzke“.

Forsts Kino ist ein Kino der Form, nicht der Inhalte, der Oberfläche, nicht der Tiefe.

Lukas Foerster, Kurator

Forst, 1903 in Wien geboren, begann seine Karriere als Schauspieler und Sänger. In „Café Electric“, einem Stummfilmdrama von Gustav Ucicky, spielt er einen ausgebufften Tunichtgut. Es ist der älteste Film der Retrospektive. Während der Dreharbeiten verliebten sich Willi Forst und Marlene Dietrich ineinander. Daraus wurde eine kurze Affäre.

Willi Forst in dem Operetttenfilm „Das Lied ist aus“ von Géza von Bolváry.

© Deutsche Kinemathek/Zeughauskino/DHM

„Allotria“ ist ein altmodisches Wort, das für Tumult und Unfug steht. Forsts gleichnamige Komödie (1936) treibt das Kuddelmuddel der Liebe auf die Spitze. Am Anfang singt ein Bandleader den Foxtrott-Schlager „Blindekuh“, der den Plot vorwegnimmt: „Komm, spiel mit mir Blindekuh / und schließe die Augen zu, / und wenn du ganz nah mir bist, / dann wirst du geküsst.“

Der Bandleader singt direkt in die Kamera, die Musiker hinter ihm musizieren mit verbundenen Augen. Dann beginnt das Bild zu wackeln und schlingern. Wir befinden uns an Bord eines Kreuzschiffes, auf hoher See. Die Hauptdarsteller Renate Müller, Jenny Jugo, Adolf Wohlbrück und Heinz Rühmann spielen miteinander Blindekuh, wobei Anziehung, Abstoßung und Eifersucht einander abwechseln.

Hochmodern und immer rasant

Willi Forst inszeniert rasant, seine Filme sind hochmodern. Die Heldinnen und Helden kommunizieren per Telefon, Telegramm und Rohrpost, immer ist höchste Eile angesagt. Am Schluss von „Allotria“ rast Rühmann, der einen Rennfahrer spielt, in seinem Boliden nach Marseille, um seine Ehefrau von einer Seereise abzuhalten. Unterwegs gewinnt er noch schnell den Großen Preis von Monaco.

Den Übergang ins Nachkriegskino schaffte Forst nahezu nahtlos. Er dreht Komödien wie „Im weißen Rössl“ (1952) und die Romanze „Wien, du Stadt meiner Träume“ (1957), bis sein immer melancholischer werdender Stil nicht mehr gefragt ist. Sein größer Erfolg wird das Künstlermelodram „Die Sünderin“ (1951) mit Hildegard Knef und Gustav Fröhlich. Eine Nacktszene sorgt für einen Skandal und 6,5 Millionen Zuschauer.

Gleich danach produziert Forst einen weiteren Knef-Film, das musikalische Liebesmärchen „Es geschehen noch Wunder“. Die männliche Hauptrolle übernimmt er selbst. Der Film entwickelt sich zum Desaster. Es hagelt Verrisse, Kinobetreiber nehmen ihn aus dem Programm.

Fast alle Kopien werden vernichtet. Erst vor wenigen Jahren wurde eine vollständige Fassung mit niederländischen Untertiteln im Amsterdamer Filmmuseum entdeckt. In der Berliner Retrospektive fehlt sie leider.

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