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Der britische Regisseur Ken Loach wird 80 Jahre alt.

© dpa

Filmregisseur wird 80 Jahre alt: Ken Loach, der Working Class Hero

Er gibt in seinen Filmen den Unterprivilegierten, den Arbeitern und den Außenseitern eine Stimme: Der Regisseur Ken Loach wird 80 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

Mai 2026: Ken Loach schafft den Hattrick! Mit seinem Sozialdrama „Splatter Island“, worin er das gesellschaftliche Elend im von den Tories völlig heruntergewirtschafteten Großbritannien geißelt, gewinnt der knapp Neunzigjährige seine dritte Goldene Palme – nach 2006 für „The Wind That Shakes the Barley“ und 2016 für „I, Daniel Blake“. Nach der Übergabe der Trophäe durch den 70-jährigen Jury-Vorsitzenden Roland Emmerich macht Loach das Victory-Zeichen und ruft mit kräftiger Stimme in den Saal: „Zehn Jahre Brexit sind genug!“
Kleiner Scherz. Aber gar so unrealistisch ist das Dekaden-Szenario nicht. Ken Loachs Ankündigung von 2014, nach seinem irischen Historiendrama „Jimmy’s Hall“ aufzuhören, deckt schon jetzt der Staub der Filmgeschichtsbücher. Und da der bekennende Sozialist angesichts konstanter Ungerechtigkeit der Welt nicht einfach Däumchen statt Filme drehen will, dürfte er mit seinem treuen Drehbuchautor Paul Laverty auch künftig Stoff um Stoff aushecken. Und was die Cannes-Jurys betrifft: Denen ist, seit George „Mad Max“ Miller 2016 Präsident war, ohnehin alles zuzutrauen.

Konsequent realistisches Kino

Andererseits hat es etwas Beruhigendes, wenn einer wie Ken Loach weitermacht. Was unbedingt heißt: weiter kämpft. Und schon dadurch Hoffnung verbreitet, dass er mit seinen immer wieder neuen feurigen filmischen Flugblättern und Leinwandzeitungen ein Publikum findet. Ob mit historischen Stoffen aus dem irischen Unabhängigkeitskrieg wie in „The Wind That Shakes the Barley“ oder auch mal komödiantischen Gaunerstückchen wie „The Angels' Share“ (2012), wo auch der kleine Mann ohne kostspieligen Investitionsaufwand am Geschäft mit Edel-Whisky nippen darf ein bisschen beschaffungskriminell zwar. Aber nur ein bisschen.

Die Guten sind ganz klar die Guten, das war schon immer so bei Ken Loach, und meistens sind es die Aufmüpfigen, die gegen jedwede Art von unberechtigter Herrschaft rebellieren. Man kann das simpel finden. Aber sein konsequent realistisches Kino, das auch die Widersprüche individueller Lebenskämpfe nicht unterschlägt, imponiert ob im scheinbar Privaten von „Family Life“ (1972) über „Ladybird, Ladybird“ (1994) bis „Sweet Sixteen“ (2002). Oder im Rahmen breiterer Revolutionsgemälde – etwa „Land and Freedom“ (1995) zum Spanischen Bürgerkrieg oder „Carla’s Song“ (1996) über die Sandinistas in Nicaragua.

Schwarzer Humor und nie nachlassende Vitalität

Tatsächlich führt Loachs Lebensweg ziemlich linear zu diesem heutigen Alleinstellungsmerkmal unter dem Filmemachern. Über das Theater und BBC-Fernsehfilme fand der in Nuneaton/Warwickshire geborene Sohn eines Elektrikers mit Anfang Dreißig zum Kino. Nach Zwischenphasen mit TV-Dokumentationen startete er allerdings erst spät zu dem durch, womit man seinen Namen vor allem verbindet: zum Regisseur, der den Unterprivilegierten, den Arbeitern und Außenseitern mit teils schwarzem Humor und zugleich nie nachlassender Vitalität eine Stimme gibt die erste filmische Fanfare hierfür war „Riff Raff“ (1991), seine schärfste Attacke gegen die verhasste Thatcher-Regierung.
Allein der sieben Jahre jüngere Mike Leigh spielte, vor allem in den Neunziger und Nuller Jahren, auch auf dieser Klaviatur – allerdings war seine Version des Sozialeffekte-Kinos stets ungleich skeptischer und tiefgründiger. In Cannes gewann er nur einmal die Palme, mit „Secrets and Lies“, exakt zehn Jahre vor Loachs erstem Triumph. Loach dagegen kommt mit zwar honorigen, zuletzt eher mittleren Filmen beständig zu höchsten Ehren. Kurios? Ein besseres Gewissen wie ihn – es muss ja nicht gleich ein Prediger sein – braucht die Welt offenbar dringender denn je.

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