
© Doris Spiekermann-Klaas TSP
Finanzielle Probleme der Berliner Kulturszene : Selbstbestimmt sparen beginnt in den Häusern
Berlins Kultursenatorin will externe Berater engagieren, doch das Geld könnte sie besser investieren. Denn die Bühnen wissen genau, wo ihre Schwachstellen und organisatorischen Defizite liegen.
Stand:
Tonnenschwer stehen sie im Raum – 110 Millionen Euro Einsparungen im Berliner Kulturhaushalt. Natürlich rücken die teuren, personalintensiven Sparten der darstellenden Künste dabei in den Fokus. Immerhin haben Senatorenwechsel und diverse Gesprächsrunden das „Betriebsklima“ verbessert, die betroffenen Bühnen werden gehört. Aber wie geht es nun weiter?
Ist in den Runden bei Kai Wegner nichts Substantielles entschieden worden? Haben Intendanten und Geschäftsführer keine tragfähigen Zukunftskonzepte vorgelegt, wird gemauert, fehlen konkrete Zielvorgaben des Kultursenats, spielen alle auf Zeit, denn in gut einem Jahr wird gewählt?
Optimieren, wo immer es geht
Nebelkerzen wie Rechtsformänderung, Stiftungsmodell und so weiter brauchen einen langen Atem und bringen keine Einsparungen. Die überfällige Zusammenlegung der Sprechtheaterwerkstätten ist da zielführender. Denn generell gilt in den nächsten Jahren: Kooperieren und Optimieren, wo immer es geht. Nicht die einzelnen Kulturinstitutionen sind Konkurrenten, sie alle kämpfen gemeinsam gegen die Freizeit- und Digitalindustrie.
Selbstbestimmt sparen beginnt in den Häusern. Jeder weiß es: Das Wissen, die Lösungen liegen immer in der Institution. Dort kennt man die Schwachstellen, die „Überhänge“ und ablauforganisatorischen Defizite. Da ist Nüchternheit und Ehrlichkeit gefragt. Was hindert die Bühnen beispielsweise an einem konsequent datenbasierten Planungs- und Steuerungsmanagement – ökonomisch wie künstlerisch? Überalterte, nicht kompatible Systeme, unterentwickeltes Datenbewusstsein wirken kontraproduktiv.
Vorbild Kopenhagen
Hier für eine zeitgemäße technische Vernetzung auch zwischen den Häusern zu sorgen, wäre die Voraussetzung für ein gemeinsames Ticketingsystem. Ein Blick zum Königlichen Nationaltheater nach Kopenhagen hilft da weiter! Seit über einem Jahrzehnt agiert der größte Staatstheaterkomplex der Welt zentral vernetzt und konsequent datenbasiert in Verwaltung, Disposition, Marketing, Kommunikation und Ticketing: digitale Kassen, Besucherprofile und -verhalten („Visitors’s Journey“), strategische Planung, „Reporting Flow“ (Evaluation, Analysen) sind Standard.

© Imago/T.Seeliger
Warum brauchen wir diverse Studiobühnen, wo doch ein gemeinsam finanziertes Zentrum für den Regie-Nachwuchs preiswerter und nachhaltiger wäre? Warum nicht die ausufernden hauseigenen kulturellen Bildungs-Projekte modellhaft unter dem institutionalisierten Patronat des Schulsenats in ein der musisch-ästhetischen Erziehung verpflichteten Einrichtung überführen? Langfristigkeit, Kontinuität über Intendantenwechsel hinaus und Integration ins schulische Curriculum sichern den nachhaltigen Erfolg. Und einen Marketingverbund gab es auch schon einmal. Das umreißt die gestalterischen Perspektiven in Zeiten des dauerhaften Spardrucks.
So funktionierte es beim Deutschen Theater
Zur „Erbauung“ sei deshalb an eine wahre Geschichte erinnert, die sich vor 25 Jahren am Deutschen Theater zutrug. Das stolze, krisengeschüttelte Haus stand hoch verschuldet vor der letzten Spielzeit der Ära Langhoff. Mit dem Senat ausgehandelt war ein Haushalt, der ein Defizit von 2,3 Millionen DM aufwies. Ein 14-tägig tagendes Gremium aus allen Abteilungen plus Personalrat schaffte es fast, die Summe auszugleichen – ohne Entlassungen oder Premierenkürzung.
Und das ging so: Identifizierung aller unbesetzten oder durch Verrentung frei werdenden Stellen, Kündigung aller Gastverträge, die durch hauseigenes Personal ersetzt wurden, Repertoireüberprüfung, optimierte Disposition und einnahmeorientierte Ansetzungspolitik, Mediasponsoring, und den Produktionsetat sicherte mäzenatisch Werner Gegenbauer. Das machte 2,2 Millionen DM, und die „Ehre des Hauses“ war gerettet.
Nur wer selbstbestimmt handelt, bleibt handlungsfähig, denn es gibt „keine Nichtverschlechterungsgarantie“ (Odo Marquard).
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