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Kultur: Fotografie: April, April

Bei Andreas Rost trifft man Menschen, die sonst hastig an einem vorübergehen und auf Nimmerwiedersehen im Dickicht der Großstadt Berlin verschwinden würden: ein dem Untergrund entsteigender Mann mit Lederjacke am Alexanderplatz, Blumenverkäufer am Bahnhof Ostkreuz, ältere Frauen am Kurfürstendamm, jüngere am Potsdamer Platz, eine Wartende unter der Weltzeituhr oder die zurückgebliebenen Ostermarschierer am Brunnen unter dem Fernsehturm. Rost hat sie mit seiner Leica im "entscheidenden Augenblick" in Schwarzweiß-Fotos gebannt.

Bei Andreas Rost trifft man Menschen, die sonst hastig an einem vorübergehen und auf Nimmerwiedersehen im Dickicht der Großstadt Berlin verschwinden würden: ein dem Untergrund entsteigender Mann mit Lederjacke am Alexanderplatz, Blumenverkäufer am Bahnhof Ostkreuz, ältere Frauen am Kurfürstendamm, jüngere am Potsdamer Platz, eine Wartende unter der Weltzeituhr oder die zurückgebliebenen Ostermarschierer am Brunnen unter dem Fernsehturm. Rost hat sie mit seiner Leica im "entscheidenden Augenblick" in Schwarzweiß-Fotos gebannt. Obwohl erst 1966 geboren, gehört er damit zur alten Schule der Fotografie à la Henri Cartier-Bresson oder Arno Fischer. Bei Letzterem hat Andreas Rost in Leipzig studiert.

Mit seiner aktuellen Ausstellung gewinnen seine Bilder einen konzeptuellen Rahmen: Für jeden Tag des Monats April 2001 hat Rost ein von ihm gemachtes Bild Foto mit einer Zeitungsseite vom selben Datum kombiniert. Die flüchtige Augenblick und die ephemere Schlagzeile der Presse beleuchten den Ort und zeichnen ein Porträt der Zeit. Vielleicht werden spätere Generationen diese Arbeiten als eine Art Sittenbild unserer Epoche lesen können: "Zwei dumme Kampfhunde erschossen " schrieb "Bild" am 17. April 2001, "Telefonüberwachung auf Weltniveau" die "taz" am 6. April 2001, und mit dem Leitmotiv "Was macht die Welt?" schließt der Tagesspiegel am 30. April 2001 Rosts fotografische Expedition in die Gegenwart. Sein Blick begegnet auf dieser Tour einem Mann, der die Kühlerhaube einer Luxuslimousine streichelt, einer im Waschsalon träumenden Frau, einem vor den Auslagen eines Uhrengeschäfts knienden Mann. Den Fotografen interessieren Menschen und Zwischenmenschliches, Die Stadt Berlin dient als Kulisse, auch wenn sie die Szene oftmals dominiert. In seiner zweiten Serie hat Rost einen Monat lang jeden Tag immer den selben Imbissstand fotografiert. Der Ort bleibt gleich, nur die Zeit ist im Fluss. Rosts Bilder liefern nicht nur den fotografierten Augenblick, sie veranschaulichen auch die Zeitumstände. Gleichzeitig fragen sie danach, was das Medium Fotografie über das Phänomen der Zeit überhaupt mitzuteilen weiß.

Mit Andreas Rost ist die Galerie in der Brotfabrik in einer neuen Zeit angekommen. Andrea Domesle, bis vor kurzem noch Assistentin von Manfred Heiting beim im Aufbau befindlichen Deutschen Centrum für Photographie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, wirkt hier seit kurzem als neue Leiterin. Domesle, inzwischen auch Chefredakteurin und Mitherausgeberin der renommierten Wiener Foto und Medienkunst-Zeitschrift "eikon", will die Brotfabrik wieder zu einer führenden Adresse für Fotografie in der Stadt machen, die sie bis vor drei Jahren schon einmal war. Die gesamte Breite künstlerischer Fotografie soll gezeigt werden. In diesem Jahr werden noch der Bergfotograf Walter Niedermayr und die Berliner Künstlerin Eva Bertram zu sehen sein; dazu kommt Ausstellungsübernahme des World Wildlife Fonds zum Thema "Kunst und Natur". Der Boom der Fotoausstellungen und -galerien in den letzten Jahren mag zwar über den Verlust dieser einst wichtigen Anlaufstelle hinweggetröstet haben; Kenner haben jedoch gerade die Brotfabrik im Ostteil Berlins schmerzlich vermisst.

Ronald Berg

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