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Freier Handel nützt allen Seiten: Werner Plumpe über Wirtschaftskriege
Der Historiker Werner Plumpe zeichnet nach, wie sich ökonomischen Konflikte vom Beginn der Globalisierung an bis zu Trumps Zollpolitik entwickelt haben.
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Weltweit weckt die Zollpolitik Donald Trumps die Sorge, dass die Globalisierung in eine neue Ära der Handelskonflikte münden könnte. Seit Jahrhunderten wechseln Phasen friedlicher ökonomischer Kooperation mit Wirtschaftskriegen, und nicht weniger erbittert liegen die ökonomischen Schulen des Freihandels und des Protektionismus im Clinch.
Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe, dessen große Darstellung des Kapitalismus („Das kalte Herz“) zu Recht gerühmt wurde, analysiert in seinem neuen Buch „Gefährliche Rivalitäten“ die wiederkehrenden Muster dahinter. Allgemein gilt: „Die jeweils wirtschaftlich leistungsfähigere Seite plädiert für Handelsfreiheit, von der sie sich klare Vorteile verspricht, und sieht in den Schutzmaßnahmen des unterlegenen Partners illegitime Eingriffe in den Handel und die ökonomische Kooperation.“
In der absolutistischen Epoche entwickelte sich der Merkantilismus. Zölle und Einfuhrbeschränkungen sollten dafür sorgen, dass sich die eigene Wirtschaft hinter „Schutzmauern“ besser entwickelt. Heute habe sich dagegen die Auffassung durchgesetzt, dass die Ökonomie kein Nullsummenspiel ist, bei dem eine Seite gewinnt, was die andere verliert, sondern dass Kooperation und freier Handel allen nützen.
Handelskriege schaden der eigenen Bevölkerung
Wirtschaftskriege schaden zudem oft auch der eigenen Bevölkerung, den Konsumenten und Unternehmen, weil die Preise steigen und Exportmärkte versperrt werden. Solche Negativeffekte nimmt die Politik mitunter in Kauf, wenn sie sich auf längere Sicht Vorteile verspricht.
Plumpe zeigt aber auch die destruktiven Wirkungen, die der Freihandel haben kann. Die Briten, die im 19. Jahrhundert dessen entschiedenste Verfechter waren, weil sie die Weltmeere beherrschten, ruinierten mit ihren Exporten das indische Baumwollgewerbe. Die Rolle der Inder beschränkte sich fortan auf die Lieferung der Rohbaumwolle. Und auf Opiumanbau.
In den Opiumkriegen erzwangen die Briten dann die Öffnung der chinesischen Märkte – für den massenhaften Export der Droge, wodurch die Kolonie Indien große Handelsbilanzüberschüsse erzielte, die dem Mutterland Großbritannien zugutekamen. Zur Ironie der Geschichte gehört, dass die Briten zuvor ihre Industrie erfolgreich entwickelt hatten, indem sie ihr Land von Importen abschotteten.
Auch Handelsfragen führten zum US-Bürgerkrieg
In den Vereinigten Staaten wiederum schirmte sich die aufstrebende Industrie der Nordstaaten durch Protektionismus und Zölle effektiv ab von der britischen Konkurrenz. Die baumwollexportierenden Südstaaten setzten dagegen auf Freihandel – ein Konflikt, der sich bis zum Bürgerkrieg zuspitzte, bei dem es nicht nur um die Sklavenfrage, sondern auch um divergierende wirtschaftliche Interessen und Konzepte ging.
Im Gegensatz zu den Europäern haben die USA immer wieder sehr positive Erfahrungen mit dem Protektionismus gemacht. Plumpe schreibt: „Der Aufstieg der USA zur ersten Wirtschaftsnation der Welt wurde hierdurch mit Sicherheit begünstigt, da das Land so groß und dynamisch war, dass sich ausländische Investoren und Unternehmen von den Zöllen nicht an den entsprechenden Engagements hindern ließen. Nicht nur nahmen die Kapitalflüsse in die USA drastisch zu, auch gründeten viele Unternehmen Niederlassungen in den USA, um die dortigen tarifären Hürden umgehen zu können.“
In dieser Tradition sieht Plumpe nun auch Donald Trump mit seiner Zollpolitik. Allerdings sei die Lage heute anders: Die Weltwirtschaft ist durch die Globalisierung so verflochten, dass die von Importen abhängigen Vereinigten Staaten insbesondere durch Gegenmaßnahmen Chinas stark geschädigt werden können. Deshalb zielt Trump mit seinen Zoll-Drohungen auf „Deals“. Und weicht gegebenenfalls zurück, was demnach weniger seiner Launenhaftigkeit als seiner begrenzten Macht geschuldet wäre.
Drohender Bedeutungsverlust der USA
Denn passé ist die Weltordnung, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus der enormen wirtschaftlichen Dominanz der USA ergab. 1947 betrug ihr Anteil an der globalen Industrieproduktion knapp fünfzig Prozent; der Chinas war kaum festzustellen. Bis 2030 soll nun der Anteil Chinas auf 45 Prozent steigen, jener der USA auf elf sinken. Die USA haben mit hohen Kosten eine Welt- und Wirtschaftsordnung stabilisiert, deren Nutznießer zunehmend andere Länder wurden, allen voran China.
Plumpe holt historisch weit aus, befasst sich mit den ökonomischen Rivalitäten des Kolonialzeitalters und dem Scheitern der napoleonischen Kontinentalsperre. Er analysiert den Friedensvertrag von Versailles als Fortsetzung des Ersten Weltkriegs mit wirtschaftlichen Mitteln.
Selten wurde der ökonomische Verhängniszirkel der Weimarer Republik, der zu Hitlers Machtergreifung führte, so plausibel erklärt wie in diesem Buch, das sich am Ende noch mit einer neuen Spielart von Wirtschaftskonflikten beschäftigt: der Verhängung von Sanktionen gegen Unrechtsregime. Der Erfolg ist meist gering, sofern er nicht bloß in der Illusion besteht, man besäße Handlungsfähigkeit. Auch das ist eine bittere Einsicht dieses erhellenden Buches.
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