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Gisa Hausmanns „Porträt Leonor Fini III“ (70 x 50 cm) entstand 2006.

© Galerie Mutter Fourage/VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Galerie Mutter Fourage am Wannsee: Kunst von Frauen in komplexen Zeiten

Von Berlins Halbwelt der Weimarer Republik bis zum SED-Regime: In der Galerie Mutter Fourage in Wannsee reflektieren Künstlerinnen, in was für einer Welt sie leben.

Von Angelika Leitzke

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Artig ist das Mädchen mit Haarschleife und im Matrosenkleid auf dem Sofa drapiert. Das Porträt von 1910 trägt die energische Signatur von Sabine Lepsius, damals eine gefragte Porträtistin der deutschen Reichshauptstadt, wo sie ihren Salon unterhielt. Hier verkehrten auch Stefan George oder Rainer Maria Rilke.

Die Malerin, familiär gefördert, hatte Glück. Denn in Deutschland wurden erst 1920 Frauen zum Studium an den staatlichen Kunsthochschulen zugelassen, zuvor erfolgte ihre Ausbildung an sogenannten Damenschulen oder privaten Akademien, wie es sie in Paris gab, das um 1900 ein Mekka der Avantgarde war.

Von den männlichen Kollegen spöttisch als talentlose „Malweiber“ abgetan, konzentrierten sich deren Motive auf Stillleben, Bildnisse oder Mutter-Kind-Szenen. Die „Mutterliebe“ von Dora Hitz wiederholte Monika Brachmann in einem Gemälde von 1984 mit eigenwilligem Realismus.

Die Berliner Galerie Mutter Fourage rückt mit Werken vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute die Kunst von Frauen in den Fokus.

Der Bezug zu Berlin ist offensichtlich: Hier wurde die im Januar 1899 unter Max Liebermann gegründete „Berliner Secession“, die sich am französischen Impressionismus, dann am Expressionismus orientierte, zum Karrieresprungbrett der Malweiber.

Die Ausstellung holt dabei längst vergessene Namen wieder ins Licht auf einem heute immer noch männlich dominierten Kunstmarkt.

Emigriert oder ermordet

Die jung verstorbene Lucie Beschütz brilliert bei Fourage mit einer atmosphärisch verdichteten Ansicht von Segelbooten auf dem Scharmützelsee von 1922. Eleonora Rozaneks Gouache mit vier Artistinnen auf einem galoppierenden Pferd in der Manege, furios 1937 gemalt, kann es mit Zirkusszenen von Ernst Ludwig Kirchner aufnehmen.

Viele Biografien sind vom Holocaust und von den Wirren des Zweiten Weltkrieges geprägt. Julie Wolfthorn wurde im KZ Theresienstadt umgebracht, bei Fourage werden ihre zauberhaften, fein gezeichneten Frauenporträts gewürdigt. Elfriede Lohse-Wächtler fiel ebenfalls der Euthanasie der Nationalsozialisten zum Opfer, ihr kraftvolles Pastell eines Lastenträgers im Hamburger Hafen zeugt von ihrem scharfen Blick auf die Arbeiterschaft.

Käthe Loewenthal wurde in einem polnischen Transitlager ermordet, an ihre glückliche Zeit auf Hiddensee erinnert ein kleines Ölbild von einem Sonnenuntergang auf der Sonneninsel. Alma del Banco entzog sich 1943 der Deportation durch Suizid.

Annot, Lotte Laserstein und Gretchen Wohlwill gelang rechtzeitig die Emigration. Mit einem unverfänglichen Fensterausblick bei Mondschein rettete sich Wohlwill über die Doktrinen im Dritten Reich, in dem mit der Diffamierung der modernen Kunst als „entartet“ zahlreiche Künstlerinnen ihre Existenzgrundlage verloren. Durch Bombenangriffe wurden ihre Ateliers zerstört. Annot, mit dem Bildnis einer koketten Dame bei Fourage präsent, musste ihre Berliner Malschule schließen, da sie sich weigerte, Jüdinnen auszuschließen.

Trio Infernale

Sozialkritik ist bei Fourage spärlich vorhanden. Von Käthe Kollwitz, als erste Frau in die Preußische Akademie der Künste Berlin gewählt, hängt ein Blatt aus ihrem berühmten Zyklus „Weberaufstand“. Angela Hampel reflektiert das SED-Regime, wenn sie im grellfarbigen „Trio Infernale“ ihre Protagonisten mit Masken auftreten lässt. Bei Cornelia Schleime wird 1987 die Stasi-Beobachtung zu einer unheimlichen Bedrohung in Grisaille-Technik.

Beate Kicherer tritt mit ihren auf steilem Hochformat gebannten Darstellungen von Prostituierten aus dem Berliner Rotlichtmilieu in die Fußstapfen von Jeanne Mammen, die mit dem Stift die Halbwelten der Weimarer Republik skizzierte, Frauenliebe inklusive.

Die Preise der Bilder liegen zwischen 1200 und 45.000 Euro.

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